Stille! Petrus spricht ‚ex persona Ecclesiae’!

9. Februar 2013 in Aktuelles


Benedikt XVI. und seine ‚lectio divina’ zur ‚ersten Enzyklika’ an die Kirche: die Freude der Auserwählung zum Katholischsein. Die Christen sind immer Fremde in der Zerstreuung und heute die am meisten verfolgte Gruppe. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Wie es der Tradition entspricht, besuchte Papst Benedikt XVI. am gestrigen Freitag Abend das Priesterseminar des Bistums Rom. Dabei wandte er sich in einer 26minütigen, in freier Rede gehaltenen „lectio divina“ an die rund 190 anwesenden Seminaristen. Immer, wenn Benedikt XVI. bei solchen Anlässen spricht, ist es, als werde einem die Gunst zuteil, „live“ den Worten eines großen Kirchenlehrers zu lauschen. Benedikt XVI. bot den Seminaristen gleichsam eine Summe seiner Theologie und seines Lehramtes. Und es wird deutlich: der Papst „ist am besten“, wenn er frei spricht, frei in die theologischen und geistlichen Tiefen seines Denkens eintritt

Bei seiner Betrachtung ging der Papst vom ersten Brief des Apostels Petrus aus: „Petrus spricht: gleichsam eine erste Enzyklika, mit der erste Apostel, Stellvertreter Christi, zur Kirche aller Zeiten spricht“. Sofort erklärte Benedikt XVI. jedoch auch, dass Petrus ein Mann sei, der gefallen sei, Christus verleugnet habe und dem die Gnade zuteil geworden sei, den Blick Christi zu sehen und in seinem Herzen berührt worden zu sein. Vor allem aber sei Petrus ein Mann, der zwar Christus begegnet sei, jedoch auch gesündigt habe und dennoch in den Augen Jesu „Verantwortlicher für die Kirche bleibt“, Träger seiner Liebe.

Der Papst wies die exegetische These zurück, dass der Petrusbrief nicht von Petrus selbst geschrieben worden ist. Der Brief sei zwar nicht von Petrus alleine geschrieben worden, bringe aber den Glauben einer Kirche zum Ausdruck, die bereits auf dem Weg des immer reiferen Glaubens sei. Petrus „schreibt nicht alleine, sondern mit der Hilfe der Kirche, von Menschen, die dabei helfen, den Glauben zu vertiefen“. So spreche Petrus „ex persona Ecclesiae“, nicht als individualistisches Genie, sondern in der Gemeinschaft der Kirche. Petrus öffne sich dem Herrn. So werde seine Rede fruchtbar und trage wirklich in sich die Wasser des Glaubens.

Wichtig sei, dass im Schlussteil des Briefes Silvanus und Markus erwähnt würden, zwei Männer, die auch zum Freundeskreis des Apostels Paulus gehörten. So werde sichtbar, wie die Welten des Paulus und des Petrus zusammengehen: „keine exklusiv petrinische Theologie gegen eine paulinische, sondern eine Theologie der Kirche, in der es die Verschiedenheit des Temperaments des Petrus und des Paulus gibt“. Der Papst betonte die Positivität dieser Verschiedenheit der Charismen, die sich in einem gemeinsamen Glauben einen.

Auch die Tatsache, dass Petrus von Rom aus schreibe, sei von Bedeutung: er sei bereits Bischof von Rom. Hier „beginnt der konkrete Primat Roms, der nicht nur vom Herrn gegeben ist, sondern hier, in dieser Stadt, in dieser Hauptstadt der Welt seinen Sitz hat“.

Indem Petrus nach Rom gegangen sei, habe er erneut das Wort Christi angenommen: „Geh zum Kreuz!“ Darin bestehe auch für die Christen von heute eine Einladung, den martyriologischen Aspekt des Christentums zu akzeptieren, der verschiedene Gestalten haben könne.

Die Adressaten des Briefes seien „die Auserwählten, die in der Zerstreuung leben“. So werde erneut das Paradox der Herrlichkeit und des Kreuzes sichtbar. „Wir sind auserwählt“ heißt für Benedikt XVI.: „Gott hat uns von je her gekannt, vor unserer Geburt, vor unserer Empfängnis. Gott hat mich als Christen gewollt, als Katholiken, als Priester. Gott hat an mich gedacht, hat mich unter Millionen gesucht, er hat mich gesehen und mich auserwählt, nicht aufgrund meiner Verdienste, die nichts damit zu tun haben, sondern durch seine Güte. Er wollte, dass ich Träger seiner Auserwählung bin, was auch immer ‚Mission’ ist, vor allem Mission und Verantwortung gegenüber den anderen“, was Freude bringe.

Bei dem Begriff der Auserwählung geht es für Benedikt XVI. nicht um einen Triumphalismus, sondern um die Freude darüber, dass Gott mich auserwählt hat, was Dankbarkeit bedeute. Diese Freude müsse heute neu gelernt werden: „Freudig zu sein, weil er mich dazu erwählt hat, katholisch zu sein, um in dieser seiner Kirche zu sein, wo die eine Kirche subsistiert“.

„Auserwählt“ bedeutet für den Papst Privileg und Demut in einem. Dabei handle es sich um ein Auserwähltsein in der Zerstreuung: „Als Christen sind wir immer Fremde. Wir sehen, dass heute in der Welt die Christen die am meisten verfolgte Gruppe sind, da sie nicht angepasst sind, da sie ein Stachel sind, das sie gegen die Tendenzen des Egoismus, des Materialismus sind“. Trotz der großen christlichen Geschichte und Kultur bleibe der Christ immer ein Fremder und Teil einer Minderheit. All dies gehöre zum Leben des Christen: „Es ist dies die Weise, mit dem gekreuzigten Christus zu sein".

Die Christen hätten, wie der heilige Augustinus einmal sage, die Wurzeln nicht unten wie die Bäume, sondern oben. Sie lebten diese Schwerkraft nicht in der natürlichen, nach unten gerichteten Schwerkraft.

Christ sei man nicht durch eigenen Entschluss, so Benedikt XVI. Christsein entspringe nicht einer persönlichen Idee, sondern einem Akt Gottes: „Als Christ mache ich mir nicht nur eine eigene Vorstellungen, die ich mit einigen anderen teile und die ich verlassen kann, wenn sie mir nicht mehr gefallen. Nein: Christsein betrifft die Tiefe des Seins, das heißt: Christ werden beginnt mit einem Wirken Gottes, von dem ich mich formen und verwandeln lasse“.

Das Wort vom „Erbe“ sei bereits für das Alte Testament sehr wichtig. Im neuen Testament „wird dieses Wort zum Wort für uns: wir sind die Erben, nicht eines bestimmten Landes, sondern des Landes Gottes, der Zukunft Gottes. Erbe ist eine Sache der Zukunft“. So sage dieses Wort vor allem, „dass wir als Christen Zukunft haben: die Zukunft gehört uns, die Zukunft gehört Gott“.

Als Christen „wissen wir, dass uns die Zukunft gehört, und der Baum der Kirche ist kein sterbender Baum, sondern der Baum, der immer neu wächst“. So dürfe man sich nicht von den Unglückspropheten beeindrucken, die sagen: „Die Kirche ist ein einem Senfkorn entsprungener Baum, der 2000 Jahre gewachsen ist. Jetzt liegt seine Zeit hinter ihm, jetzt ist die Zeit, in der er stirbt“. „Nein!“, so der Papst eindringlich, „die Kirche erneuert sich immer, wird immer neu geboren. Die Zukunft gehört uns“.

Natürlich könne ein falscher Optimismus und ein falscher Pessimismus festgestellt werden: „ein falscher Pessimismus, der sagt: die Kirche ist am Ende. – Nein! Sie beginnt neu!“. Der falsche Optimismus „war jener nach dem Konzil, als die Klöster zumachten, die Seminare schlossen, und gesagt wurde: macht nichts, alles ist in Ordnung. Nein! Es ist nicht alles in Ordnung!“. Mit einem gesunden Realismus müsse anerkannt werden, „dass es so nicht geht, dass es dort nicht geht, wo Falsches getan wird“.

Gleichzeitig müsse man sicher sein, dass die Kirche – auch wenn sie ob der Sünden ihrer Glieder und ihres Unglaubens da und dort sterbe – immer neu geboren werde: „Die Kirche ist der Baum Gottes, der in Ewigkeit lebt und in sich die Ewigkeit trägt und das wahre Erbe: das ewige Leben“. Abschließend rief Benedikt XVI. zu einem wachsamen Glauben auf, der die Unversehrtheit meines Seins und meines Erbes bewahrt.


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