Vati, feiern die Kamele auch Karneval?

3. Jänner 2013 in Deutschland


Kardinal Meisner zeigt bei Karnevalspredigt im Kölner Dom Humor


Köln (kath.net/KNA/red) In einem Gottesdienst für Karnevalisten hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner den Menschen empfohlen, sich ein Beispiel am Kamel nehmen. Wie das Wüstentier sollten sie stets den Kopf oben halten und die Welt nicht aus den Augen verlieren, Geduld bewahren
bei allen Herausforderungen und «den freundlichen Blick des Kamels auch mit zu den Karnevalsveranstaltungen» nehmen, sagte Meisner am Donnerstagabend im Kölner Dom vor Hunderten von Karnevalisten.

In seiner hintergründig humorvollen Predigt rief der Kardinal dazu auf, besonders in der Karnevalzeit mitmenschlich, freundlich, hilfsbereit und standfest zu sein. Weiter empfahl Meisner allen Karnevalisten eine Nase wie das Kamel, das Wasser in der Wüste orten könne. Genauso solle auch das menschliche Wahrnehmungsvermögen ausgebildet sein, «dass uns nichts entgeht, nicht das Gute, das wir tun wollen, und nicht das Böse, das wir meiden sollen».

Wer einen Rücken wie ein Kamel habe, könne darüber hinaus nicht nur die eigene Last, sondern auch die des anderen tragen, betonte der Kölner Erzbischof. Und mit Beinen wie ein Kamel sei ein jeder erdnah und standfest. Christen sollten fest in der Welt stehen und dürften sich nicht auf Distanz halten. Vielmehr seien sie gesandt, «auch in die schmutzigen Verhältnisse der Erde einzusteigen, um sie zu reinigen und zu heiligen, wo es nötig ist».

Die Kölner Jecken starteten mit dem Gottesdienst in die heiße Phase der fünften Jahreszeit. An dem Pontifikalamt am Vorabend der Prinzenproklamation nahmen auch das designierte Dreigestirn und zahlreiche Mitglieder der Festkomitee-Gesellschaften teil. Seit 2007 schon demonstrieren Karneval und Kirche in Köln mit dem Gottesdienst zu Sessionsbeginn ihre Verbundenheit.

Kath.Net dokumentiert die Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zum Pontifikalamt mit den Karnevalisten im Hohen Dom zu Köln:

Liebe Karnevalisten, liebe Schwestern, liebe Brüder!

Nach guter und segensreicher Tradition geht das Dreigestirn jedes Jahr mit einer großen Kerze zur Muttergottes in der Kupfergasse, damit sie besonders in der Endphase des Karnevals ihre schützende Hand über den Kölner Karneval hält. Hoffentlich steht dann auch noch die Krippe in der Kirche! Wir Kölner haben eine ganz reiche Krippenkultur, nicht nur in den Kirchen, sondern auch in öffentlichen Gebäuden und auf den Plätzen stehen große und kleine Krippen. Natürlich ist die Krippe erst dann vollständig, wenn die Heiligen Drei Könige da waren.

Und bei den Heiligen Drei Königen war und ist für mich das Kamel immer besonders wichtig und eindrucksvoll, mit dem einer der Drei die weite Reise nach Bethlehem oder Köln zurückgelegt hat. Das größte und schönste Kamel in Köln steht an der Krippe in der Kupfergasse. Das ist ein schönes Bild auch für uns als Karnevalisten. Ich habe mir erzählen lassen, dass ein Vater in der Karnevalszeit mit seinem Sohn im Kölner Zoo war. Und als sie bei den Kamelen vorbeigingen, sagte der Kleine zum Vater: „Vati, feiern die Kamele auch Karneval?“. Darauf der Vater: „Auch? Nur!“ Und vielleicht ist das gar nicht so verkehrt, denn das Kamel hat wundervolle Eigenschaften, die wir gut für unseren Dienst an der Stadt in der Karnevalszeit zu einem segensvollen Einsatz brauchen“. Fangen wir einmal bei dem Kamel von oben an.

1. Der Kopf

Das Kamel trägt immer den Kopf oben, und es schaut eigentlich auch immer freundlich in die Welt hinein. Es zieht nicht den Kopf ein und nimmt auch nicht Deckung, sondern hat den Mut, zu zeigen, wer es ist. Aber ist das Kamel nicht hochnäsig? Es weiß und sieht, was auf der Erde vorgeht. Anders wäre das schon bei der Giraffe. Sie hält ihren Kopf mit dem überlangen Hals so weit in den Wolken, dass sie oft gar nicht mehr sieht, was unten passiert.

Also halten wir es mit den Kamelen: den Kopf oben und verlieren wir dabei nicht die Welt aus den Augen! Bewahren wir die Geduld und die Nerven bei allen Herausforderungen, und nehmen wir den freundlichen Blick des Kamels auch mit zu den Karnevalsveranstaltungen! Den guten Blick zu verschenken, kostet uns kein Geld und kann die Menschen froh und reich machen.
Wenn man mit der U-Bahn oder mit der Straßenbahn fährt, kennt man keinen Menschen darin. Und plötzlich nickt jemand einem freundlich zu, dann ist man sofort aus der Anonymität herausgeholt und ist als Mitmensch, als Mitchrist, als Mitbürger erkannt, gegrüßt und akzeptiert. Achten wir auf unser Gesicht! Es ist das Schaufenster des Herzens. Unser Gesicht gehört gar nicht uns selbst. Wir haben es ja noch nie im Original gesehen, wir sehen es ja immer nur im Spiegelbild. Das Original müssen die täglich zur Kenntnis nehmen, mit denen wir zusammenleben und zusammenarbeiten. Also, achten wir bei der Morgentoilette nicht nur auf unseren Kopf, sondern auch auf unser Gesicht! Und das Gesicht ist immer in Ordnung, wenn Gott in unserem Herzen lebt und unser Tun und Lassen bestimmt. Von Jesus berichten uns die Evangelien, dass er mit seinem guten Blick die Menschen ermutigte, stärkte und froh machte.

2. Die gute Nase

Das Kamel ist ausgestattet mit einer guten Nase. Ein Kamel kann eine ganze Woche lang schwerste Lasten durch die Wüste tragen, ohne einen Tropfen Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Aber dann hat es auch eine sehr gute Nase für die Oasen in der Wüste. Und wenn es diese mit seiner Nase geortet hat und an der Oase angelangt ist, dann kann es sich so volllaufen lassen, dass es wiederum für eine ganze Woche schwerster Arbeit reicht, ohne dabei das köstliche Wasser zu trinken. Wir sprechen ja ebenfalls auch von manchem Menschen, dass er einen guten Riecher hat. Er weiß, wo das Positive verborgen ist, aber auch wo irgendein Mensch ist, der meinen Beistand und meine Hilfe braucht. Stumpfsinn gehört nicht zu einem Menschen als Kind Gottes, sondern die innere Wachheit, auf dass unser Wahrnehmungsvermögen so lebendig ist, dass uns nichts entgeht, nicht das Gute, das wir tun sollen, und nicht das Böse, das wir meiden sollen. Die gute Nase, die dem Kamel in der Wüste das Überleben garantiert, ist eine Auszeichnung für einen lebendigen und hilfsbereiten Menschen und für einen ideenreichen und zuverlässigen Karnevalisten.

Die Nase erfährt ja auch im Karneval eine besondere Auszeichnung, indem man ihr eine rote Pappe überstülpt. Sie will aber nicht wie das rote Licht bei der Verkehrsampel sagen: „Stopp, aufgepasst! Diese Nasenfrau oder dieser Nasenmann ist gefährlich!“, sondern sie soll eine Einladung sein: „Wir passen zusammen, wir haben die gleiche Nasenfärbung“.
In unserer Gesellschaft gibt es so viele positive Wasseradern. Aber sie sind verborgen. Darum trampeln die Leute darüber hinweg. Es ist gut, dass wir das Positive in der Gesellschaft aufspüren und dass wir es dann bekannt machen. Wer dauernd nur das Negative weitersagt und weiterschreibt, der vermehrt nur noch das Elend in der Welt. Und das viele Gute bleibt verborgen. Leider ist das positive meist verborgen. Das sollten wir ans Licht bringen! Das sollten wir weitersagen! Die Welt ist nicht so schlecht, wie sie oft gemacht wird. Jesus spricht von einem Schatz, der im Acker der Welt verborgen ist. Schätze liegen nicht auf der Straße, sie sind im Leben verborgen. sie zu heben und sie den Menschen zu geben, ist die Berufung der Karnevalisten.

3. Der Rücken

Das Kamel hat eigentlich nicht nur einen Rücken, sondern zwei. Es kann wohl doppelt so viel tragen wie etwa das Dromedar. Der Apostel Paulus ermahnt uns: „Einer trage des anderen Last, dann werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2). Er sagt nicht: „Einer werde des anderen Last“, sondern „Einer trage des an-deren Last“. Wir brauchen gleichsam einen Überschuss an Tragfähigkeit, damit wir nicht nur uns selbst mit unseren Lasten ertragen, sondern so viel wie möglich Leute mittragen können, die Glaube, Hoffnung und Liebe verloren haben. Die Giraffe ist gleichsam das Anti-Kamel. Die Giraffe hat überhaupt keinen Rücken, sondern nur eine schiefe Ebene. Die Giraffe kann nichts tragen. Es rutscht alles herunter. Darum ist das Ka-mel ein so sympathisches Tier. Es wird ja deswegen oft als „Wüstenschiff“ bezeichnet. Das Kamel ist tragfähig und belastungsfähig. Der Karneval wird nur gelingen, wenn sich jeder für die vielen Aufgaben zur Verfügung stellt. Nicht das „Ohne mich!“, sondern das „Mit mir!“ ist wichtig. Nicht der Slogan: „Du musst sehen, wie du mit deinem Rücken an die Wand kommst!“, sondern „Du musst sehen, wie du mit deinem Rücken unter die Aufgaben, unter die Herausforderungen, unter die Leute kommst, die aufgehoben und getragen werden müssen!“.

In unseren Kirchen gibt es an den Wänden die 14 Kreuzwegstationen, wodurch die Christen eingeladen werden, Jesus, der sein Kreuz von der Stadt Jerusalem nach Golgotha hochträgt, zu begleiten. Der beliebte Schutzpatron für die Autofahrer, der hl. Christophorus, trägt Christus auf den Schultern in die Welt hinein. Man kann die große Christophorus-Figur links von der Domkanzel betrachten. Und es lohnt sich, in die Figur des hl. Christophorus hineinzuschlüpfen. Das macht einen ganz guten Karnevalisten aus.

4. Die Beine des Kamels

Das Kamel als das „Wüstenschiff“ wird getragen von vier kräftigen, starken und kurzen Säulen, wie wir seine Beine nennen. Sie halten seinen Körper in großer Erdnähe. Im Gegensatz dazu ist hier wieder die Giraffe zu nennen, wo durch die vier langen, dünnen Beine ihr Körper auf äußerste Distanz zu unserer armen, blutgetränkten Erde gehalten wird. Das Kamel ist erdnah und standfest. Darin ist es ein wirklich standfestes, beispielgebendes Lebewesen für uns Menschen und namentlich für uns Christen ein Vorbild. Wir haben fest in unserer Welt zu stehen und dürfen sie nicht auf Distanz von uns halten, sondern wir sind gesandt, in die Verhältnisse, auch in die schmutzigen Verhältnisse der Erde einzusteigen, um sie zu reinigen und zu heiligen, wo es nötig ist. Das Kamel steht fest.
Der selige Papst Johannes XXIII. sagte: „Wer an Christus glaubt, der wackelt nicht, der steht fest“. Wan-kelmütige Zeitgenossen gibt es genügend, aber Frauen und Männer, die eine feste Überzeugung haben, die zu ihr stehen und die nicht wackeln und wanken, die sind selten geworden, aber sie tragen weitgehend unse-re menschliche Gesellschaft.

In meiner Jugendzeit beteten wir zu Christus:
„Herr, lass mich stehen, wo die Stürme wehen
und schone mich nicht.
Das Kind muss vergehen, der Mann und die Frau muss erstehen,
fürchte dich nicht“.
Unser alltägliches Leben in Kirche und Gesellschaft braucht solche zuverlässige und standfeste Zeitgenossen, die tragen und wagen, denen man sich anvertrauen kann, die nicht wackeln und nicht wanken.

Der Junge fragte seinen Vater im Kölner Zoo vor den Kamelen: „Papa, gehen Kamele auch zum Karneval?“. Die Antwort des Vaters: „Auch? Nur!“. Also, liebe Freunde, das Kamel behält immer den Kopf oben, es hat eine gute Nase, es hat einen breiten Rücken, ja zwei Rücken, und es hat feste, standfeste Beine. In diese gute Gesellschaft sind wir alle als Karnevalisten und Kinder Gottes eingeladen!

+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln

Die Predigt als VIDEO




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