Dirk Tänzler und 'das Konzil'

10. Oktober 2012 in Deutschland


BDKJ-Vorsitzender Dirk Tänzler verlangt eine ‚konsequente Umsetzung der Konzilsreformen’. Seine Forderungen lassen aber Zweifel aufkommen, ob er selbst auf dem Boden des Zweiten Vaticanums steht. Ein Kommentar von Johannes Graf.


Düsseldorf (kath.net/jg)
Dirk Tänzler, der Bundesvorsitzende des BDKJ, hat anlässlich des 50. Jahrestages der Eröffnung des Zweiten Vaticanums an die „Errungenschaften des Konzils“ erinnert. „Die Texte des Konzils prägen grundlegend, wie wir Kirche leben“, schreibt er in einer Erklärung zum Jubiläum und fordert: „Wir dürfen keinen einzigen Schritt hinter die Aussagen des Konzils zurück.“

Hierarchie

Ein besonderes Anliegen scheint ihm die „Überwindung eines Kirchenbildes, das nur von der Autorität des Klerus her denkt“ zu sein. Dieses Thema taucht erneut bei seiner Auseinandersetzung mit der „Wiedereinführung des alten Messritus“ auf. Tänzler behauptet, das mit der außerordentlichen Form des Messritus „einhergehende hierarchische Kirchenbild“ entspreche „nicht dem Willen des Konzils ..., sich der Welt zu öffnen“. Es gebe „vielfach noch starken Nachholbedarf, damit unsere Kirche als Volk Gottes, in dem Frauen und Männer, Priester und Laien vertrauensvoll zusammenwirken, sichtbar wird“, schreibt Tänzler und stellt in der Folge das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen dem Weihepriestertum gegenüber.

Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils sehen diesen Gegensatz nicht. Hier ein kurzer Auszug aus der Konstitution „Lumen gentium“:

„Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst.“ (LG 8)

Die Konstitution widmet ihr ganzes drittes Kapitel der hierarchischen Verfassung der Kirche und sieht sich ganz in der Tradition des Ersten Vatikanischen Konzils (1870/71), das wegen des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich vorzeitig abgebrochen werden musste. Die Hierarchie wird in diesem Dokument bestätigt:

„Diese Heilige Synode setzt den Weg des ersten Vatikanischen Konzils fort und lehrt und erklärt feierlich mit ihm, daß der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, daß deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor.“ (LG 18)

Ehe

Auch andere Wortmeldungen von Dirk Tänzler stellen in Frage, ob er wirklich auf dem Boden des Zweiten Vatikanischen Konzils steht. Im September forderte er die Kirche auf, unterschiedliche „Lebensentwürfe“ zu akzeptieren. Geschiedene und Wiederverheiratete sowie „homosexuelle Lebensgemeinschaften“ müssten die gleichen „Rechte“ haben wir andere Katholiken auch. Die Konstitution „Gaudium et spes“ spricht hier eine andere Sprache:

„Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden. Polygamie, um sich greifende Ehescheidung, sogenannte freie Liebe und andere Entartungen entstellen diese Würde. Darüber hinaus wird die eheliche Liebe öfters durch Egoismus, bloße Genußsucht und durch unerlaubte Praktiken gegen die Fruchtbarkeit der Ehe entweiht.“ (GS 47)

Zölibat

Immer wieder hat Tänzler den verpflichtenden Zölibat für Priester in Frage gestellt. Bei aller Wertschätzung gebe es wenig Verständnis dafür „warum Priester nicht heiraten“ dürften, behauptet Tänzler in einer Pressemeldung vom Januar 2011. Das Zweite Vatikanische Konzil hingegen spricht sich deutlich für eine Beibehaltung des Zölibates aus. Er sei „in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen“, heißt es im Dekret „Presbyterorum ordinis“. Wörtlich ist in dem Dokument zu lesen:

„Der so im Geheimnis Christi und seiner Sendung begründete Zölibat wurde zunächst den Priestern empfohlen und schließlich in der lateinischen Kirche allen, die die heilige Weihe empfangen sollten, als Gesetz auferlegt. Diese Heilige Synode billigt und bekräftigt von neuem das Gesetz für jene, die zum Priestertum ausersehen sind, wobei ihr der Geist das Vertrauen gibt, daß der Vater die Berufung zum ehelosen Leben, das ja dem neutestamentlichen Priestertum so angemessen ist, großzügig geben wird, wenn nur diejenigen, die durch das Sakrament der Weihe am Priestertum Christi teilhaben, zusammen mit der ganzen Kirche demütig und inständig darum bitten.“ (PO 16)

Es bleibt die Frage, was Tänzler konkret meint, wenn er sich im Namen der katholischen Jugendverbände „eine konsequentere Umsetzung der Konzilsreformen“ wünscht. Ebenso ist unklar, was er mit „rückwärtsgerichteten Tendenzen in unserer Kirche“ meint, die von den katholischen Jugendverbänden besorgt wahrgenommen würden. Die Beibehaltung der hierarchischen Verfassung der Kirche, das Festhalten am Zölibat für alle Priester und der kirchlichen Lehre von der Ehe kann er ja wohl nicht meinen. Denn das fordert ja „das Konzil“.

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