Deutschland: Gesetzesentwurf zur Beschneidung liegt vor

27. September 2012 in Deutschland


Beschneidung minderjähriger Buben soll erlaubt sein, wenn Einwilligung der Eltern vorliegt und Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt - Zentralrat der Juden vorerst zufrieden


Berlin(kath.net/KAP) Die Beschneidung von minderjährigen Knaben soll in Deutschland straffrei bleiben. Das geht aus einem Eckpunktepapier für einen Gesetzesentwurf des Justizministeriums hervor, das zur Beratung an Bundesländer und Verbände geschickt wurde, wie ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin bestätigte. Demnach haben Eltern "das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll". Dies gelte nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

Die Beschneidung gilt zwar weiter als Körperverletzung, jedoch nicht als rechtswidrig. Im Einzelfall müsse die "gebotene und wirkungsvolle Schmerzbehandlung" sichergestellt sein. Die neuen Regeln sollen den Paragrafen zur Personensorge im Kindschaftsrecht des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches angehängt werden.

Das geplante Gesetz bezieht sich ausdrücklich nicht auf eine religiöse Motivation der Eltern. "Die Rechtspraxis sähe sich sonst vor die schwierige Aufgabe gestellt, den Inhalt religiöser Überzeugungen ermitteln zu müssen", heißt es in dem Papier. Eltern könnten im Übrigen die weltweit stark verbreitete, auch nicht medizinisch indizierte Beschneidung ihres Sohnes aus unterschiedlichen Gründen für kindeswohldienlich halten. Eine Regelung allein für eine religiös motivierte Beschneidung würde daher den unterschiedlichen Zielsetzungen nicht gerecht.

Laut Eckpunktepapier dürfen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes "auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen (...) durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind". Der Sprecher des Justizministeriums betonte, die Beschneider müssten den Eingriff "genausogut wie ein Arzt beherrschen". Hier sehen Beobachter möglichen Konfliktstoff. Der Beschneidung müsse außerdem eine umfassende Aufklärung vorausgehen und Eltern müssten den Kinderwillen miteinbeziehen.

Das Kölner Landgericht hatte in einem rechtskräftigen Urteil vom 7. Mai die Beschneidung von Jungen ohne medizinische Notwendigkeit als strafbare Körperverletzung gewertet. Dies hatte in Deutschland wie international heftige Proteste von Juden und Muslimen ausgelöst, für die das Beschneiden von Buben kurz nach der Geburt - bei Muslimen auch noch später - ein wesentliches Glaubensgut darstellt.

Das Papier sei eine "vernünftige und gute Arbeitsgrundlage" sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stefan Kramer, der "Berliner Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe). Der Gesetzentwurf beende allerdings nicht die Debatte um die Beschneidung. Es sei jedoch ein richtiges Signal für die Juden in Deutschland, dass diese für sie so wichtige Frage nicht im Strafrecht, sondern im Familienrecht geregelt werde.

Von muslimischer Seite kam bisher noch keine Bewertung des Papiers. Der Dialogbeauftragte des türkisch-islamischen Verbands DITIB sagte auf Anfrage, aus Sicht seines Verbands sei vor einer Stellungnahme erst eine intensive Beratung erforderlich. Dies werde er auch dem derzeitigen Sprecher des Koordinationsrates der Muslime, Ali Kizilkaya, nahelegen.

Das Berliner Justizministerium hat Verbände und Fachleute um eine Stellungnahme zu dem Entwurf bis zum 1. Oktober gebeten.

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