Pyrrhussieg für Freiburg oder Erfolg für Kirchenrechtler Zapp?

26. September 2012 in Deutschland


Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig im Rechtstreit zwischen dem Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp und der Erzdiözese Freiburg: Kein teilweiser Kirchenaustritt möglich. Zapp zufrieden: Austrittserklärung gültig


Leipzig (kath.net/KNA/red) Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat einem «teilweisen» Austritt aus der Kirche eine Absage erteilt. Wer aus einer Religionsgemeinschaft aufgrund staatlicher Vorschriften austrete, könne seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts beschränken und Mitglied der Religionsgemeinschaft bleiben wollen, sagte der Vorsitzende Richter Werner Neumann in der mündlichen Urteilsbegründung am Mittwoch.

Dem Staat gehe es bei den rechtlichen Regelungen für einen Kirchenaustritt vor allem auch um die Wahrung der negativen Religionsfreiheit. Diese müsse geschützt werden. Deswegen regele der Staat die Möglichkeit eines Austritts, damit niemand gegen seinen Willen Mitglied einer Kirche bleibe. Der Staat habe aber nicht die Aufgabe, innerkirchliche und theologische Fragen über die Qualität einer Mitgliedschaft zu treffen. «Wir spielen da den Ball zurück ins Feld innerkirchenrechtlicher Auseinandersetzungen», so der Vorsitzende Richter.

Neumann verwies dabei explizit auf das neue Dekret der Bischofskonferenz, welches diese Fälle regelt. Kern des 2007 begonnenen Streits zwischen dem emeritierten Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp und dem Erzbistum Freiburg war die Frage, ob ein Katholik auf dem Standesamt seinen teilweisen Kirchenaustritt erklären kann - damit auch keine Kirchensteuer mehr zahlt -, aber dennoch gläubiger und aktiver Teilnehmer am kirchlichen Leben bleiben kann.

Dies hatte Zapp für sich in Anspruch genommen und seiner Austrittserklärung den Zusatz «Körperschaft des öffentlichen Rechts» hinzugefügt. Dagegen hatte das Erzbistum geklagt und laut KNA-Behauptung in zweiter Instanz Recht bekommen. Der Austritt sei mit einem Zusatz ungültig. Dem widersprach nun das Bundesverwaltungsgericht. Der Zusatz sei zwar zulässig, aber irrelevant. Der «objektive Gehalt» der Erklärung Zapps sei der Austritt aus der Kirche, der damit rechtskräftig sei.

Das Erzbistum Freiburg äußerte sich zufrieden mit dem Urteil. «Es geht hier um Solidarität. Wer zur katholischen Kirche gehört und durch ein Einkommen dazu in der Lage ist, leistet auch einen finanziellen Beitrag. Wer unsolidarisch ist, verabschiedet sich aus der Gemeinschaft der Glaubenden - nicht nur aus einer Körperschaft öffentlichen Rechts», teilte das Bistum in einer Presseerklärung mit. Mit seiner Entscheidung habe das Bundesverwaltungsgericht «einmal mehr» klargestellt, dass die Kirche kein zweigliedriges Gebilde sei - bestehend aus einer Körperschaft und einer Glaubensgemeinschaft. «Wir sind eine Organisation, die mit ihren Aktivitäten von der Solidarität der Glaubenden lebt.»

Auch Zapp äußerte sich zufrieden. Denn formal habe das Gericht seinem Revisionsantrag Recht gegeben und das vorinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim abgeändert. Damit sei seine Austrittserklärung samt Zusatz grundsätzlich gültig - auch wenn das Gericht ihn als irrelevant bewerte.

In deutschen Medien wird weiterhin Kritik an der der "Kirchensteuerpolitik" der Deutschen Bischofskonferenz geübt. So schreibt Alexander Görlich in "The European" wie folgt: "Die „Tagesschau“ hat den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den Erzbischof von Freiburg Robert Zollitsch, in einem O-Ton gebracht, in dem er sinngemäß sagte: Man kann den Ausgetretenen alle Rechte in der Kirche bis zum Zeitpunkt ihres Wiedereintritts nehmen. Um kirchlich beerdigt zu werden, brauche es zumindest ein Zeichen der Reue. Das Einzige, was man nicht nehmen kann, ist die Gnade der Taufe. Es war so geschnitten, dass es danach klingen sollte, als ärgere Zollitsch dieser Umstand. Das hat er sicher so nicht gemeint. Aber die Taufe macht den Menschen zum Christen, nicht die monatliche Überweisung. Der Glaube ist entscheidend, nicht das Geld. Für diese Überzeugung ist Christus am Kreuz gestorben. Das ist der Glaube der Kirche. Den muss sie hier in Deutschland selber als Erste ernst nehme." (Aus: http://www.theeuropean.de/alexander-goerlach/)

kath.net dokumentiert die Erklärung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig: „Staatskirchenrechtlich kein isolierter Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts“ im Wortlaut

Wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, kann seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Beigeladene, ein emeritierter Universitätsprofessor für katholisches Kirchenrecht, erklärte gegenüber dem Standesamt seines Wohnorts seinen Austritt aus der Religionsgemeinschaft, die er dabei mit den Worten bezeichnete "römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts". Das Erzbistum Freiburg sah in den Worten "Körperschaft des öffentlichen Rechts" einen Zusatz, der zum Ausdruck bringen solle, dass der Beigeladene nur aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht aber aus der römisch-katholischen Kirche austreten wolle. Weil das Erzbistum einen solchen Zusatz nach der einschlägigen Bestimmung des Kirchensteuergesetzes Baden-Württemberg für unzulässig hielt, hat es beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage gegen die Bescheinigung erhoben, durch die das Standesamt dem Beigeladenen den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft bestätigt hat. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Erzbistums hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim der Klage stattgegeben und die Bescheinigung aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beigeladenen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt.

Mit der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie der römisch-katholischen Kirche, sind über die Wirkungen im Bereich der Religionsgemeinschaft hinaus auch Rechtsfolgen im staatlichen Bereich verbunden, beispielsweise die Kirchensteuerpflicht. Die im Grundgesetz garantierte Glaubensfreiheit umfasst auch die Freiheit, keinen Glauben zu haben und einer Religionsgemeinschaft fernzubleiben. Deshalb darf der Staat mit solchen Rechtsfolgen nur an eine Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft anknüpfen, die freiwillig begründet wurde und noch freiwillig fortbesteht. Staatliche Vorschriften über den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft sichern diesen Aspekt der Glaubensfreiheit. Die Auslegung solcher Vorschriften muss einerseits gewährleisten, dass jemand durch Abgabe einer entsprechend eindeutigen Erklärung seine Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft aufgeben kann und dieser Austritt die Wirkungen beseitigt, die nach staatlichem Recht mit der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft verknüpft sind. Die Auslegung dieser Austrittsvorschriften muss andererseits sicherstellen, dass die ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Körperschaftsrechte der Religionsgemeinschaft, die an die Mitgliedschaft in ihr anknüpfen, nicht stärker beschränkt werden, als es zur Gewährleistung der (negativen) Glaubensfreiheit des Einzelnen erforderlich ist. Danach muss sich die Erklärung des Austrittswilligen auf seine Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft beziehen und die Aufgabe der Zugehörigkeit zu ihr zum Gegenstand haben. Unzulässig ist eine Erklärung, die selbst oder durch Zusätze den Willen zum Ausdruck bringt, nur die mit der Mitgliedschaft verbundenen Wirkungen im staatlichen Bereich zu beseitigen, also aus der Religionsgemeinschaft in ihrer rechtlichen Gestalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auszutreten, in der Glaubensgemeinschaft selbst aber zu verbleiben. Soll die Mitgliedschaft nach der abgegebenen Erklärung freiwillig fortdauern, wird von der negativen Glaubensfreiheit nicht Gebrauch gemacht. Deshalb kann dort der Schutz des Staates nicht eingreifen und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft nicht beschränken.

Abweichend von der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht aber entschieden, dass es in dem formalisierten staatlichen Austrittsverfahren nur auf die Erklärung ankommt, die der Austrittswillige vor der zuständigen staatlichen Stelle, in Baden-Württemberg dem Standesbeamten, abgegeben hat. Hingegen dürfen nicht weitere äußere, sie begleitende Umstände herangezogen werden, namentlich nicht andere Äußerungen, die der Austrittswillige im zeitlichen Umfeld seines Austritts gegenüber Dritten, der Öffentlichkeit oder seiner Religionsgemeinschaft über die Motive und Vorstellungen gemacht hat, die er mit seiner Erklärung verbindet.

Hiervon ausgehend ist das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass der Beigeladene mit seiner Erklärung gegenüber dem Standesbeamten seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt und sich auf diese Erklärung beschränkt hat. Die Worte "Körperschaft des öffentlichen Rechts" in der Erklärung des Beigeladenen sind ein zwar nicht notwendiger, aber auch nicht schädlicher Teil der Bezeichnung für die Religionsgemeinschaft, aus der der Beigeladene ausgetreten ist. Die Erklärung bezieht sich nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nicht auf eine von der Glaubensgemeinschaft getrennte Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auf die Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche in der Form, wie sie im Geltungsbereich des Kirchensteuergesetzes besteht.
(BVerwG 6 C 7.12 - Urteil vom 26. September 2012
Vorinstanzen:
VGH Mannheim 1 S 1953/09 - Urteil vom 4. Mai 2010 -
VG Freiburg 2 K 1746 - Urteil vom 15. Juli 2009 -)


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