Sorge vor Papstreise wegen Zorn in islamischer Welt über USA

13. September 2012 in Aktuelles


Angriffe auf US-Botschaften in mehreren Ländern wegen anti-islamischem Film eines US-Kopten - Hisbollah: Benedikt XVI. soll sich in Beirut zu Mohammed-Verunglimpfung äußern


Beirut-Tripolis-Rom (kath.net/KAP) 24 Stunden vor der mit Spannung erwarteten Ankunft Papst Benedikts XVI. in der libanesischen Hauptstadt Beirut wächst die Sorge der Kirche im Nahen Osten über die gewaltsamen anti-westlichen Demonstrationen in der islamischen Welt wegen der im Internet aufgetauchten Trailer zu dem Film "Innocence of Muslims". Beim Produzenten des anti-islamischen Films handelt es sich offenbar nicht, wie am Mittwoch von Agenturen berichtet, um einen Israeli, sondern um einen US-Kopten.

Zudem verdichten sich die Hinweise, dass die Tötung von US-Botschafter Chris Stevens und drei Mitarbeitern im libyschen Bengasi nicht eine spontane Gewalttat eines aufgebrachten Mob, sondern ein exakt vorbereiteter Terroranschlag zum Jahrestag des 11. Septembers war. Angriffe auf US-Botschaften gab es in mehreren Ländern, darunter Ägypten und Jemen.

Das alles lässt die Nervosität steigen. Vatikansprecher P. Federico Lombardi verurteilte am Mittwoch die Angriffe auf US-Vertretungen als "inakzeptable Gewalt". Zugleich nannte Lombardi die Ausschreitungen "tragische Resultate" von "ungerechtfertigten Beleidigungen und Provokationen" gegen Gefühle von Muslimen. Respekt für den Glauben, die Schriften und Persönlichkeiten der unterschiedlichen Religionen sei Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. Der Papst werde bei seiner Libanonreise zu Dialog und Respekt für alle Gläubigen der verschiedenen Religionen aufrufen, so Lombardi.

Die libanesische schiitische Hisbollah-Bewegung forderte am Mittwochabend, dass sich Benedikt XVI. in Beirut zu den Mohammed-Verunglimpfungen äußert. Auslöser der Proteste in zahlreichen Ländern war ein auf der Internet-Plattform YouTube veröffentlichter Trailer eines Films, der den Propheten Mohammed verspotten soll. Erste Medienberichte nannten einen Mann mit amerikanischer und israelischer Staatsbürgerschaft unter dem Namen Sam Bacile als Urheber des Films. In dem recht amateurhaft wirkenden Film wird Mohammed als Homosexueller dargestellt, der zwischendurch Verständnis für Sex mit Kindern äußert und verpönte Sexualpraktiken mit einer Frau praktiziert. In Kairo wurde deshalb am Dienstag die US-Botschaft angegriffen, die Ausschreitungen setzten sich in der Nacht auf Donnerstag fort.

Der radikale US-Pastor und Sektenführer Terry Jones, der durch eine Koran-Verbrennung im Früjhar 2011 blutige Unruhen in islamischen Staaten mit rund 50 Toten ausgelöst hatte, sagte, bei "Sam Bacile" handle es sich seiner Kenntnis nach um ein Pseudonym. Der Filmmacher sei um seine Sicherheit besorgt und schütze deshalb seine wahre Identität. Journalisten der Nachrichtenagentur AP stießen über die Telefonnummer von "Sam Bacile" auf einen koptischen Christen aus Ägypten namens Nakoula Basseley Nakoula. Der 55-Jährige, der bei Los Angeles lebt, erklärte, er sei als Manager für das Filmprojekt tätig gewesen. Er sei aber nicht mit "Bacile" identisch. Nakoula kam wegen diverser Straftaten mit dem Gesetz in Konflikt und saß bereits in Haft. Laut Gerichtsunterlagen benutzte Nakoula die Namen Mark Basseley Youssef, Yousseff M. Basseley und Nicola Bacily. Sie
klingen "Bacile" erstaunlich ähnlich.

Kriegsschiffe vor Libyen

In Washington heißt es, die libysche Regierung und die Sicherheitskräfte hätten sich sehr eindeutig an die Seite der USA gestellt und sich von den Extremisten in Bengasi distanziert. Die professionelle Vorbereitung spreche dafür, dass der Anschlag bewusst für den Jahrestag des 11. September 2001 geplant war. Islamistische Terroristen wollten damit unterstreichen, dass sie sich weiterhin in einem Krieg mit den Vereinigten Staaten sehen.

Zwei mit Marschflugkörpern ausgestattete US-Kriegsschiffe kreuzen inzwischen vor der libyschen Küste. Zudem sind Anti-Terror-Einheiten des Marine Corps auf dem Weg in das nordafrikanische Land. Sie sollen die Sicherheit amerikanischer Staatsbürger sichern, werden aber mutmaßlich auch bei der Jagd nach den Tätern mitwirken.

Bischof: Menschen wollen Frieden

Als tragischen Rückschlag für das libysche Volk auf seinem Weg zu mehr Demokratie und Selbstbestimmung sieht der Apostolische Vikar von Tripolis, Bischof Giovanni Innocenzo Martinelli, den blutigen Terroranschlag von Bengasi. Terror in Libyen sei wirklich "das letzte", was das libysche Volk jetzt gebrauchen kann, sagte Martinelli am Mittwochabend gegenüber Radio Vatikan: "Alle wollen hier eigentlich Frieden, aber es gibt innere Konflikte, die diesen behindern: Extremismen und Fundamentalisten, die sich Gehör verschaffen. Solche Ereignisse, die von außen kommen, erhöhen und fördern die Wut dieses Volkes, das in seiner Gemeinschaft wirklich den Frieden sucht", sagte der Bischof.

Man könne - so Martinelli - immer über politische Fragen sprechen "und sich da nicht einig sein, aber wenn man den Propheten anrührt, geht es um Sensibilität und Identifikation". Zwar wisse er nicht, worum es in dem Film gehe, "aber wenn er die Sensibilität der arabischen Welt verletzt hat und in irgendeiner Weise respektlos über Mohammed gesprochen hat, tut das sicher nicht gut".

Appelle gegen Gewalt

Die Leitung der Kairoer Al-Azhar-Universität rief zu Mäßigung auf. Reaktionen auf Verunglimpfungen des Islam müssten die Fakten klarstellen und dürften nicht Unschuldige für die Taten anderer verantwortlich machen, sagte Ahmed Al-Tayeb, Groß-Imam der im sunnitischen Islam prominenten Lehreinrichtung am Mittwoch laut Online-Ausgabe der Zeitung "Al Ahram".

Auch die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) verurteilte die Gewalt gegen US-Vertretungen in Libyen und Ägypten. Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu erklärte am Mittwoch im saudischen Jeddah, er sei "schockiert" über den Angriff von Bengasi; die Tat sei unter keinen Umständen hinnehmbar. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht von Extremisten irgendeiner Seite in Geiselhaft nehmen lassen. Die Staaten müssten die betreffenden Fragen der Religions- und der Meinungsfreiheit auf internationaler Ebene angehen, so der Generalsekretär der Organisation von 57 Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung.

"Flammen des Hasses geschürt"

Nach Auffassung der libanesischen Hisbollah sei es den Filmemachern in den USA darum gegangen, Spannungen zwischen Muslimen und Christen in Ägypten anzuheizen. Der Film ziele darauf, "Flammen des Hasses" zu schüren und die beiden Religionsgemeinschaften "in einen fluchbeladenen Konflikt zu ziehen", erklärte die schiitische Organisation am Mittwochabend laut der libanesischen Zeitung "Daily Star" (Onlineausgabe).

Die Produktion sei keine individuelle Meinungsäußerung, sondern spiegele "die wahre Haltung der zionistisch-amerikanischen Allianz gegen den Islam und Muslime" wider. Hinter dem Film stünden "extremistische koptische und jüdische Geldgeber". Zugleich beschuldigte die Hisbollah die Arabische Liga und die Vereinten Nationen, gegenüber diesem "dubiosen Werk" tatenlos zu bleiben. Die UNO müsse solche Taten ebenso wie Antisemitismus kriminalisieren.

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