Freie Wahl und Vertrauen in die Gläubigen

26. August 2012 in Schweiz


Nur drei Prozent der Katholiken weltweit zahlen Kirchensteuer. Ein Kommentar von Giuseppe Gracia.


Chur (kath.net) Ich zahle Kirchensteuer, das ist meine Entscheidung. Aber im Kirchenrecht gibt es keine Grundlage, Menschen auszuschliessen, die sich anders entscheiden. Denn das kirchliche Recht kennt keine Steuerpflicht.

Es gibt nur die Pflicht zur materiellen Solidarität, ganz allgemein. Jedoch gibt es keine Strafbestimmung für den, der sich drückt. Letztlich ist also jeder frei, vor dem eigenen Gewissen zu entscheiden.

Die Bistümer können die Kirchensteuer mehr oder weniger empfehlen. Aber sie müssen - ob gern oder ungern - die Freiheit der Gläubigen anerkennen, wie sie die Kirche unterstützen.

Das war immer so. Was jetzt geschieht, ist nur, dass es bei uns in der Schweiz öffentlich bekannt wird, Bundesgericht sei Dank.

Nur drei Prozent der Katholiken weltweit zahlen Kirchensteuer. Dass es bei den anderen 97 Prozent auch eine lebendige Kirche gibt, wird niemand bestreiten. Denn in der Kirche geht es um den Glauben, nicht ums Geld. Deshalb schliesst sie niemanden wegen des Geldes aus, schon gar nicht von der Taufe, Heirat, Messe oder Beerdigung.

Der Heilige Geist ist im besten Sinn für alle gratis. In der Kirche war es immer verpönt, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Zugang zum Heiligen und dem Geld (Stichwort Luther, Ablasshandel).

Sicher, auch ich mag schön renovierte Kirchen und eine gut ausgebaute Seelsorge vor Ort. Aber diese Kirchen sind vor dem Steuersystem gebaut worden. Auch bedarf die Bereitstellung der besten Infrastruktur keines Zwangs, wie die Kirche weltweit beweist.

Abgesehen davon ist es ein Misstrauensvotum, wenn man so tut, als würde die Kirche eingehen, weil das Steuersystem an Boden verliert. Wo bleibt das Vertrauen in die Gläubigen? Wieso darf es in der Kirche keine Vielfalt an Solidaritätsformen geben? Das ist kein Angriff auf die Kirchensteuer, sondern ein Ausdruck von Vertrauen in die Gläubigen.

Letztlich ist es deren Glaube, der sie in und für die Kirche bewegt, auch im Materiellen. Dieser Glaube muss im Mittelpunkt stehen, dann kommt die Kirche über die Runden. Sie beweist es weltweit, seit 2000 Jahren.

Giuseppe Gracia ist Sprecher von Bischof Vitus Huonder, Bistum Chur


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