Das Weltgericht Gottes – eine Frohbotschaft?

21. August 2012 in Spirituelles


In jedem Sonntagsgottesdienst behaupten alle Anwesenden zu glauben, Jesus werde kommen „zu richten die Lebenden und die Toten“, doch danach kritisieren oder leugnen sie die Lehre vom Gericht Gottes. Ein KATH.NET-Klartext von Bischof Andreas Laun


Salzburg (kath.net) „Wir können uns freuen, dass einmal diejenigen, die uns in diesem Leben Schaden zugefügt haben, in der Hölle schmoren werden.“ Die Schreiberin dieser Zeilen meint, dies in einem katholischen Sender gehört zu haben, fügt aber hinzu: „Habe ich das vielleicht falsch verstanden?“

Natürlich hat sie falsch verstanden, einen Priester oder gar Bischof der so etwas Verrücktes sagen würde, gibt es hoffentlich wirklich nicht, und auf die kirchliche Lehre“ könnte er sich absolut nicht berufen! Aber offenbar meint die Schreiberin, unmöglich wäre es nicht, dass der, den sie gehört hatte, das gesagt hätte!

In die „andere Richtung“ gibt es auch Beispiele: Von einem Pfarrer war neulich zu lesen, er wisse nicht, wie er über das Gericht Gottes reden oder gar schreiben solle. Und eine Religionslehrerin: „Über Eschatologie und alles, was da dazugehört, rede sie nie, weil darüber doch niemand etwas wirklich wissen könne.“

Zuzugeben ist: Es hat Zeiten gegeben, in denen die Botschaft vom Gericht im Sinne von „Qual“ und „Feuer“ erstens entstellt und zweitens in der Katechese und Predigt zu sehr in den Vordergrund gerückt wurde! Heute hingegen entstellt und verkürzt man die christliche Lehre in die andere Richtung, indem man sie einerseits verschweigt und andererseits als „Drohbotschaft“ verunglimpft. In jedem Sonntagsgottesdienst behaupten zwar alle Anwesenden zu glauben, Jesus werde kommen „zu richten die Lebenden und die Toten“. Aber außerhalb der Kirche kritisieren, leugnen oder verlachen dieselben Leute die Lehre vom Gericht Gottes und behaupten, da gäbe es nichts zu befürchten. Dabei berufen sie sich gerne auf „ihr persönliches Gottesbild“, demgemäß Gott nur Liebe sei und dies, lautet die triumphierende Folgerung, sei mit dem Gedanken an ein Gericht Gottes unvereinbar! Die vielen, vielen anderslautenden Bibeltexte scheinen sie nicht zu verunsichern. Man fragt sich beklommen: Haben sie aus dem biblischen Gott einen privaten Götzen gemacht?

Ein Grund für diese Situation einer „vergessenen Wahrheit“ (Karl Rahner) ist wohl der Umstand, dass die Priester und Religionslehrer die Lehre von Gericht kaum mehr ansprechen und nicht erklären.

Eine erste Antwort lautet: Freunde warnt man, Feinden droht man! Und die Gerichtsreden der Bibel sind immer als Warnung gemeint. Bis zu unserem Lebensende warnt uns Gott in der Hoffnung, dass wir umkehren. Vor Gericht und Strafe fürchten muss sich nur derjenige, der Böses tut. Angst vor einer wirklich bestehenden Gefahr ist nicht nur nicht schlecht, sondern lebenserhaltend oder kostensparend. Was denjenigen betrifft, der angesichts seines Lebens wirklich „allen Grund hat“, sich vor Gottes Gericht zu „fürchten“, darf und soll man an die verzeihende Liebe Gottes erinnern oder einfach an den rechten Schächer, dem Jesus den Himmel „noch heute“ verspricht!

Die zweite Antwort geht viel tiefer: Wer das Gericht aus dem Glauben der Kirche streicht, sollte bedenken: Jesus spricht in einem dramatische Bild vom Gericht, und es wäre fahrlässig, nur einen Teil und nicht das ganze Bild anzuschauen!

Dabei gilt: Auch diese Bildrede kann und sollte man lesen mit den Augen des Psalmisten, denn dieser stellt das Gericht für die Gläubigen und Gerechten immer nur als frohe Botschaft dar, und das ist sie tatsächlich, so überraschend das klingen mag. Das Hauptargument der Atheisten aller Zeiten ist die Frage: Wie kann Gott „Auschwitz“ und die vielen, vielen anderen großen und kleineren Verbrechen zulassen?

Man stelle sich vor, in der Ewigkeit würde Gott, von den Opfern „nach Auschwitz gefragt“, sagen: „Na ja, das weiß ich nicht mehr so genau, tut mir leid, es war eben so, aber jetzt wollen wir es vergessen, seid wieder nett miteinander, vertragt euch und streitet nicht!“ Könnte man an einen solchermaßen senilen, harmlosen, einen wie an Alzheimer leidenden Gott noch glauben? Könnte man einen solchen Gott „gerecht“ nennen? Könnte man sich vorstellen, dass der „Heilige Israels“, der Gott des Alten und Neuen Testamentes, so spricht?

Ist es demgegenüber nicht erlösend, wenn die Psalmen uns und die ganze Schöpfung (96,12-13) einladen, uns zu freuen und jubeln (Ps 98, 7), wenn Gott kommt, um zu richten? Sinngemäß: Endlich, endlich kommt Gott, Er richtet und bringt die von uns so ersehnte Gerechtigkeit?

Natürlich, wir wissen nicht, „wie“ Gott Gerechtigkeit schaffen kann, weil uns scheint: „Geschehen ist geschehen, und kein Gericht kann da noch etwas ändern“! Ein menschliches Gericht nicht, aber Gott schon! Der Glaube an das Gericht Gottes sagt: „Gott kann Gerechtigkeit schaffen, und Er tut es auch!“ Das ist eine Frohbotschaft für jeden, der unter dem Skandal des Bösen leidet! Nur darum gilt auch: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden“ (Mt 5,6).

Gericht heißt, dass das Gebet der Heiligen erhört wird (Off 6,9): „Als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten. Sie riefen mit lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen?“

Übrigens kann man das Thema „Gericht“ auch in der Enzyklika () über die Hoffnung von Papst Benedikt XVI. nachlesen und liest dort zum Beispiel (Nr. 47): Das Gericht Gottes ist Hoffnung, sowohl weil es Gerechtigkeit wiewohl weil es Gnade ist. Wäre es bloß Gnade, die alles Irdische vergleichgültigt, würde uns Gott die Frage nach der Gerechtigkeit schuldig bleiben – die für uns entscheidende Frage an die Geschichte und an Gott selbst. Wäre es bloße Gerechtigkeit, würde es für uns alle am Ende nur Furcht sein können.

Die Menschwerdung Gottes in Christus hat beides – Gericht und Gnade – so ineinandergefügt, daß Gerechtigkeit hergestellt wird.


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