Ägypten: Ein Christ als Vizepräsident?

29. Juni 2012 in Weltkirche


Künftiger Präsident Mursi traf Delegationen von Kopten und Katholiken


Kairo (kath.net/idea) Der künftige ägyptische Präsident, der Islamist Mohammed Mursi, versucht, das Vertrauen der christlichen Minderheit zu gewinnen. Mursis politischer Berater Ahmed Deif kündigte an, dass ein Christ und eine Frau zu Vizepräsidenten ernannt werden sollen. „Sie werden nicht bloß eine Agenda oder eine Religionsgemeinschaft vertreten, sondern Macht und Befugnisse haben“, sagte er gegenüber dem US-Fernsehsender CNN. Nach Medienberichten empfing Mursi, der sein Amt am 30. Juni offiziell antritt, am 26. Juni in Kairo eine Delegation der koptisch-orthodoxen Kirche und am 27. Juni Vertreter der katholischen Kirche.

Der Sprecher der katholischen Bischöfe, Pater Antoine Rafic Greiche, sprach nach der Begegnung laut dem Pressedienst „Asianews“ von einem zunächst „guten Zeichen für die Zukunft der Christen in Ägypten“. Laut Greiche bestätigte Mursi Überlegungen, einen Kopten und eine Frau zu Vizepräsidenten zu ernennen. Dem Sprecher zufolge ist dies aber nur sinnvoll, wenn die Vizepräsidenten mit politischer Macht ausgestattet würden. Sonst sei ein solcher Schritt nur Schönfärberei. Mursi hatte sich in der Stichwahl für das Präsidentenamt Mitte Juni als Kandidat der religiös-konservativen Muslimbruderschaft mit knapp 52 Prozent gegen den letzten Ministerpräsidenten unter Husni Mubarak, Ahmed Schafik, durchgesetzt. Bereits in seiner ersten Ansprache hatte Mursi betont, Präsident aller Ägypter sein zu wollen.

Christen wollen nicht Bürger zweiter Klasse sein

Die dortigen Christen bleiben aber skeptisch. Nach Angaben des Studioleiters des christlichen Fernsehsenders Sat-7 in Kairo, Farid Samir, befürchten viele Christen, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden. Noch im Mai habe Mursi in einer Rede an der Kairoer Universität erklärt: „Der Koran ist unsere Verfassung, der Prophet ist unser Führer, der Dschihad ist unser Weg und der Tod im Namen Allahs ist unser Ziel.“ Zusätzlich verunsichert haben Christen Äußerungen Mursis unmittelbar nach seiner Wahl, er wolle die Beziehungen zur Islamischen Republik Iran ausweiten, um ein strategisches Gleichgewicht in der Region zu schaffen. Nach Einschätzung Samirs könnten Christen unter Präsident Mursi zahlreiche Rechte verlieren. Die koptisch-orthodoxe Kirche hat rund acht Millionen Mitglieder. Daneben gibt es etwa 200.000 katholisch-koptische Christen und kleinere evangelische Kirchen. 90 Prozent der rund 83 Millionen Einwohner sind Muslime.


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