Bedeutender Fund: Neue Origenes-Handschrift entdeckt

13. Juni 2012 in Deutschland


Eine Handschrift mit original griechischen Predigten des frühchristlichen Theologen, die bislang nur in Übersetzung bekannt waren, wurde kürzlich in der Bayerischen Staatsbibliothek gefunden


München (kath.net) Ein für die Forschung hochinteressanter Fund wurde kürzlich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München gemacht: Bei der Katalogisierung kam eine griechische Handschrift mit Predigten des frühchristlichen Theologen Origenes von Alexandria ans Licht. Das meldet die Bibliothek in einer Aussendung.

Origenes (185 - 253/54 n. Chr.) ist einer der bedeutendsten Theologen der frühen Kirche. Die Handschriften enthalten griechische Predigten, in denen er die Psalmen auslegt. Die Entdeckung ist so bedeutsam, weil diese Predigten bisher nur bruchstückhaft und lediglich in lateinischer Übersetzung überliefert waren.

„Der Fund ist überaus bedeutend – sowohl was Alter wie auch Umfang der Texte angeht“, freut sich Generaldirektor Rolf Griebel. „Er wird in Wissenschafts- und Forscherkreisen lebhafte Diskussionen auslösen und sogar neue Erkenntnisse für den Text der griechischen Bibelfassung erlauben. Alle Kirchenväter haben Origenes gelesen und intensiv rezipiert. Die Entdeckung erlaubt es nun, sich mit bislang unbekannten Originaltexten zu befassen.“

Origenes gilt als Begründer der allegorischen Bibelauslegung. Als Philosoph, Theologe, Philologe und Prediger verfasste er zahlreiche Werke, die die Geistesgeschichte von der Spätantike bis heute geprägt haben. Da ihm aber auch lehrmäßige Irrtümer bescheinigt wurden, sind viele seiner Werke nicht mehr erhalten. Alle erhaltenen Werke sind nur in lateinischer Übersetzung überliefert.

Die unauffällig aussehende umfangreiche griechische Handschrift stammt aus dem 12. Jahrhundert. Die Philologin Marina Molin Pradel identifizierte bei der Katalogisierung dieser Handschrift, die aus der Büchersammlung Johann Jakob Fuggers stammt, zahlreiche Texte der Origenes-Predigten. Die Zuordnung zu Origenes wurde vom international anerkannten Origenes-Experten Lorenzo Perrone von der Universität Bologna mit höchster Wahrscheinlichkeit bestätigt.

Die Bayerische Staatsbibliothek besitzt mehr als 650 griechische Handschriften und damit den größten Bestand in Deutschland. Er wurde und wird von der Wissenschaft intensiv genutzt. Die wissenschaftliche Erschließung erfolgt im hauseigenen – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten – Handschriftenerschließungszentrum. Der Fund macht die Notwendigkeit und den Erkenntnisgewinn dieser detaillierten und aufwendigen Analysen augenfällig. Die Katalogisierung der griechischen Handschriften in der Bayerischen Staatsbibliothek feiert in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum, mindestens fünfzehn weitere Jahre wird es dauern, bis alle griechischen Handschriften neu beschrieben sind.

Die neu entdeckte Origenes-Handschrift wurde von der Bayerischen Staatsbibliothek bereits digitalisiert und ist für jeden im Internet abrufbar:

www.digitale-sammlungen.de (Eingabe „Homiliae in psalmos“)

Foto: (c) www.digitale-sammlungen.de



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