Theologe: Heute richtiger Zeitpunkt für Dogma 'Maria Miterlöserin'

28. Oktober 2002 in Aktuelles


Je mehr wir die Rolle Mariens beachten, um so mehr können wir dadurch bereichert werden, meint der Mariologe Msgr. Arthur B. Calkins im KATH.NET-Interview.


Vatikan (www.kath.net)
Warum heute der richtige Zeitpunkt für das Dogma von "Maria Miterlöserin"ist: Ein Interview mit Monsignore Arthur B. Calkins, der seit 1985 Mitglied der"Päpstlichen Marianische Akademie" sowie seit 1995 Mitglied der "Päpstlichen TheologischeAkademie" ist. Seit 1991 ist er in der "EcclesiaDei"-Kommission.

kath.net: Kürzlich sprach sich P. Stefano De Fiores in einem Interview gegendie Vorteilhaftigkeit eines Dogmas "Maria Miterlöserin" aus und vertrat dieAnsicht, "unsere getrennten Brüder" sollten für eine solche Definitionbefragt werden. Eine Art Konsens sei für die Verkündigung dieses DogmasVoraussetzung. Wie ist Ihre Sicht der Dinge?

Msgr. Arthur B. Calkins: Zu allererst denke ich, dass authentischekatholische Ökumene niemals einfach als Konsens oder Kompromiss gesehenwerden sollte, auch wenn heute oft dieser Eindruck vermittelt wird. Wenn wiralsKatholiken den getrennten Brüdern gegenüberLiebe aufbringen sollen und Respekt gegenüber ihren Positionen, so dürfenwir nicht mit minderer Liebe oder Respekt "dem katholischen Glauben, denwir von den Aposteln empfangen haben" begegnen. Darum glaube ich nicht, dassunsere getrennten Brüder oder "political correctness" die katholische Lehreoderderen Verkündigung diktieren dürfen.

kath.net: Aber scheint es nicht überflüssig oder gar kontraproduktiv, dasDogma von "Maria Miterlöserin" anzustreben, wenn dieser Frage in- undaußerhalb der Kirche mit Einwänden begegnet wird und so viele andereThemen um vieles wichtiger scheinen?

Msgr. Calkins: Wenn Marias Rolle als Coredemtrix (Miterlöserin, Anm. derRed.) auf Widerspruch innerhalb der Kirche stößt, so denke ich, ist dies aufeine moderne Tendenz unter Katholiken zurückzuführen, das grundlegendelutherische Dogma von Christussolus anzunehmen. Dabei wird nicht erkannt, dass die katholische Lehre immerander absoluten Zentralität Christi festgehalten hat, ohne die Notwendigkeitmenschlicher Kooperation im Erlösungswerk zu leugnen. Weiters hat diekatholische Lehre seit der Zeit der post-apostolischen Väter daran festgehalten,dass niemand so vollkommen am Erlösungswerk mitgewirkt hat wie Maria, die neueEva. Es ist dies eine "rettende Wahrheit," die viel über Marias Rolle imHeilswerk und unserem Leben aussagt, über uns, die Natur der Erlösung und denWert des heilbringenden Leidens. Wenn andere Fragen dringlicher erscheinen alsdiese, fürchte ich, dass wir unseren philosophischen und theologischenGrundstock verloren haben und "politische" Pragmatikergeworden sind.

kath.net: P. De Fiores ist der Ansicht, dass "der Titel Coredemptrix seitPius XII von keinem seiner Nachfolger mehr verwendet wurde, umMissverständnisse mitProtestanten zu vermeiden". Wie antworten Sie darauf?

Msgr. Calkins: Der erste Entwurf des Dokumentes, das schließlich Kapitel 8von Lumen Gentium werden sollte, betonte ausdrücklich die Legitimität derBezeichnung "Coredemptrix" in Bezug auf Maria, benutzte ihn jedoch nicht, umSchwierigkeiten mit unseren protestantischen Brüdern und Schwestern zu vermeiden.Ich denke, es steht uns frei, die Weisheit dieser Entscheidung zudiskutieren. Tatsacheist, dass Kapitel 8 von Lumen Gentium (besonders Absätze 57-58 und 60-62)mehr Aufmerksamkeit Marias einzigartiger Mitwirkung am Heilsgeschehen zukommenlässt als alle anderen ökumenischen Konzile zusammen, auch wenn das Wort"Coredemptrix" nicht verwendet wurde. Aber es bedarf auch einer weiterenKlarstellung: Johannes Paul II hat mindestens sechs Mal von Maria als Coredemptrixoder ihrer Miterlöserrolle gesprochen. Ich habe diese Stellen erst kürzlich inmeinem Essay "DasMysterium Maria Miterlöserin im päpstlichen Lehramt" dokumentiert, der inMark Miravalles (Hgr.) Mary Co-redemptrix: Doctrinal Issues Today (Goleta,CA: Queenship Publishing, 2002) erschienen ist. Den gewichtigsten der Texte,die Ansprache des Papstes inEcuador vom 31 Jänner 1985, habe ich in meiner Arbeit "Pope John Paul II'sOrdinary Magisterium on Marian Coredemption: Consistent Teaching and MoreRecentPerspectives" (New Bedford, MA: Academy of the Immaculate, 2002) analysiert. Auch wenn manche Mariologen diese Textstellen als marginal werten, möchteich hier widersprechen. Ich finde ihr Urteil nicht im Einklang mit LumenGentium 25 über das ordentliche Lehramt des Papstes.

kath.net: Warum sind Sie für ein Dogma "Maria Miterlöserin"?

Msgr. Calkins: Ich bin für eine Definition, weil ich glaube, dass dies eine"rettende Wahrheit" darstellt, welche die Kirche besonders in heutiger Zeithören und sich aneignen sollte. Es ist keine neue Wahrheit, sondern wurde imvergangenen Jahrtausend durch den Heiligen Geist immer klarer vorgestellt(vgl. Johannes Paul II, Generalaudienz vom 25. Oktober 1995 und 9. April 1997).Es war offensichtlich auch ein Thema beim 2. Vatikanum, und wie es der Fallmit vielen anderen Konzilsthemen ist, beginnen wir erst jetzt ihren Reichtumzu erkennen, besonders durch die Hilfe Johannes Pauls II. Natürlich muss derBoden für eine solche Definition bereitet werden, und in den vergangenenJahren wurdenausgezeichnete Studien zu diesem Thema herausgegeben, besonders auf Englischund Italienisch. Dr. Mark Miravalle hat bereits vier Bände von Studienveröffentlicht(www.queenship.org), sowie auch ein Franziskaner der Immaculata aus Frigentomit einer Reihe von Monographen. In Amerika haben die Brüder der Immaculatazwei Bände mit wissenschaftlichen Studien herausgegeben(www.marymediatrix.com), und ein dritter wird bald erscheinen. Studien zur Rolle Mariens in derHeilsgeschichte werden auch an anderen Orten, etwa der Theologischen Fakultätvon Lugano, durchgeführt.

kath.net: Worin sehen Sie die Vorteile einer solchen Definition?

Msgr. Calkins: Wenn es stimmt, dass Gott Maria eine einzigartige Rolle inder Erlösung zugedacht hat, müssen wir diese erkennen, feiern und davon Nutzenziehen. Dieersten vier marianischen Dogmen (Gottesmutterscchaft, immerwährendeJungfrauenschaft, Unbefleckte Empfängnis, Himmelfahrt) haben mit ihrer Person zu tun.Nun, denke ich, ist es an der Zeit, ihre Rolle als menschlicher Mitwirkungzu unterstreichen, ihre Rolle als Mediatrix, deren einzigartige Mittlerschaftganz von Seiner kommt (vgl.Lumen Gentium, 60), ihre Rolle als Beistand (nach Christus und dem Hl.Geist), die niemals aufhört, für ihre Kinder einzutreten, bis das letzte in denHimmel eingegangen ist(vgl. Lumen Gentium, 62). Je mehr wir ihre Rolle beachten, um so mehr könnenwir dadurch bereichert werden. Ich glaube, die Vorteile im Hinblick auf eineKlärung katholischer Lehre allein wären schon unzählbar.

KATH.NET-Forum - Maria Miterlöserin

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