Verfassungsbeschwerde wegen Konkordatslehrstühlen

18. April 2012 in Deutschland


Die Philosophin Ulla Wessels, Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung, hat Verfassungsbeschwerde eingelegt, da sie bei einem Konkordatslehrstuhl nicht zum Zug kam


Nürnberg (kath.net/KNA/red) Das Bundesverfassungsgericht muss sich erstmals in seiner Geschichte mit den so genannten Konkordatslehrstühlen befassen. Die Saarbrücker Philosophin Ulla Wessels hat in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingelegt, wie ihr Rechtsanwalt am Mittwoch in Nürnberg bestätigte. Sie glaubt, dass sie bei einem von der Universität Erlangen-Nürnberg ausgeschriebenen Lehrstuhl für praktische Philosophie allein deshalb nicht zum Zuge kam, weil sie nicht katholisch ist. Die Uni bestreitet das.

Bei einem mehrjährigen Rechtsstreit vor bayerischen Verwaltungsgerichten war die Klägerin Ende Februar in letzter Instanz unterlegen. Die Wissenschaftlerin ist Mitglied der kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung.

Die Giordano-Bruno-Stiftung vertritt nach eigenen Angaben einen „evolutionären Humanismus“, der den Menschen „nicht mehr als ‚Krone der Schöpfung’, sondern als unbeabsichtigtes (!) Produkt der natürlichen Evolution“ versteht. Der geistige Vater der Stiftung, Julian Huxley, sagte etwa: „Der evolutionär denkende Mensch kann nicht mehr Schutz vor der Einsamkeit suchen, indem er sich in die Arme einer zum Gott erhobenen – von ihm selbst geschaffenen – Vatergestalt flüchtet…“

Bei Konkordatslehrstühlen hat die katholische Kirche ein Vetorecht. Das heißt, der zuständige Diözesanbischof kann die Berufung eines Universitätsprofessors durch Einspruch verhindern, wenn er Bedenken hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes hat.

Dieses und andere Rechte, die das Verhältnis von Staat und Kirche berühren, sind im bayerischen Konkordat von 1924 geregelt. Der völkerrechtliche Vertrag zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl wurde seither mehrfach fortgeschrieben. Er kann nicht einseitig gekündigt werden.

Allein in Bayern gibt es jenseits der theologischen Fakultäten 21 Konkordatslehrstühle für Pädagogik, Philosophie und Sozialwissenschaften, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Das hat historische Gründe, die mit dem Kulturkampf im 19. Jahrhundert und dem Ende der Bekenntnisschulen im Freistaat vor knapp 40 Jahren zusammenhängen. Ob die Lehrstühle noch zeitgemäß sind, wird inzwischen auch innerkirchlich diskutiert.

Wessels argumentiert mit Artikel 33 Grundgesetz. Demnach darf niemand bei der Besetzung öffentlicher Ämter wegen seines Bekenntnisses oder seiner Weltanschauung benachteiligt werden.

In ihrer Verfassungsbeschwerde greift sie außerdem an, dass ein Veto des Bischofs bei der Besetzung eines Konkordatslehrstuhls nicht von einem staatlichen Gericht überprüft werden kann. Dieser mangelnde Rechtsschutz verstoße gegen Artikel 19 der deutschen Verfassung, so ihr Anwalt Rainer Roth. Abgelehnte Bewerber müssten den Einspruch eines Bischofs praktisch wie ein «Gottesurteil» hinnehmen, sagt der Anwalt.

Der Erlanger Lehrstuhl ist seit fünf Jahren vakant. Nachdem das erste Besetzungsverfahren an der Absage der beiden Bestplatzierten und an dem Verwaltungsrechtsstreit gescheitert war, wurde die Professur erneut ausgeschrieben. Wessels hat sich nach Auskunft ihres Anwalts abermals beworben. Ein anderer Bewerber hat eine neue Verwaltungsklage eingereicht. Der Hinweis in der Ausschreibung auf das Konkordat verstößt seiner Ansicht nach gegen das Diskriminierungsverbot.

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