Ein Protest, der schon dem Wort nach 'protestantisch' klingt

13. Februar 2012 in Kommentar


Ein KATH.NET-Klartext von Bischof Andreas Laun zu den neuen Forderungen der "Pfarrerinitiative": "Protest nicht mehr gegen die Kirche, wie es alle Häretiker taten, sondern Protest gegen die Sünden und Häresien in der Kirche"


Salzburg (kath.net)
Der letzte Text der “Pfarrer – Initiative” ist überschrieben mit: „Protest für eine glaubwürdige Kirche“. Protestieren kann man eigentlich nur „gegen“ etwas nicht „für etwas“ Abgesehen von dieser Unklarheit: „Glaubwürdig“ ist letztlich nur Jesus selbst und Seine Kirche nur, insofern in ihr Seine Herrlichkeit sichtbar wird! Aber wie auch immer der Titel gemeint ist, die dann angeführten Punkte sind eigentlich längst bekannt, die Antwort ist nicht schwer.

Protest: In dem „Aufruf zum Ungehorsam“ bekennen wir uns dazu, „künftig in eigener Verantwortung Zeichen der Erneuerung unserer Kirche zu setzen.“

Antwort: „Erneuerung der Kirche geschieht immer nur in „eigener Verantwortung“, allerdings nie durch „Ungehorsam“! Das Haupt-Missverständnis der ganzen Initiative und ihrer Vorläufer (wie des „Kirchenvolks-Begehrens) ist: Eine „unsere Kirche“ gibt es nicht, nur die eine Kirche Jesu Christi! Wer aufmerksam die heilige Messe, den liturgischen Texten gehorsam, feiert oder mitfeiert, hört und bekennt mehr als einmal, dass es „Seine“ Kirche ist, nicht „unsere“!

Protest: „Wir aber setzen dem gegenwärtigen Aushungern der Gemeinden und der Seelsorge unter dem Druck des Priestermangels und der Überalterung des Klerus mehrfach ein entschiedenes NEIN entgegen.

Antwort: Wer ist mit dieser Anklage des „Aushungerns“ gemeint? Sind es die Bischöfe, die „aushungern“ und schuld am Priestermangel sind? Ja, auch die Bischöfe, aber nicht nur sie, wir alle sind schuldig am Fehlen der Berufungen! Wer von uns weiß, wie viele Priesterberufe durch seine eigene fehlende Heiligkeit, durch sein schlechtes Beispiel, durch seinen Spott über Kirche und Papst, durch seine Irrlehren verhindert wurden? Wer wagt es zu behaupten: Durch mich sicher nicht, keine einzige Berufung!

Protest: Wir sagen NEIN, wenn wir zusätzlich immer weitere Pfarren übernehmen sollen, weil uns das zu reisenden Zelebranten und Sakramenten-Spendern macht, denen die eigentliche Seelsorge entgleitet. Wir widerstehen damit dem Trend, an vielen Orten flüchtig anwesend zu sein, aber keine spirituelle und emotionale Heimat zu finden und anzubieten.

Antwort: Waren nicht, von Paulus an, unzählige Bischöfe und Priester „Reisende“ und dennoch gute Seelsorger? Wieso ist es schlecht und so schrecklich, wenn österreichische Priester einige Kilometer auf guten Straßen mit guten Autos fahren, um Eucharistie zu feiern, Sakramente zu spenden und zu predigen? War das nicht, auf Eseln und schlechten Straßen oder durch Urwälder sehr oft die Form der Seelsorge in allen Jahrhunderten, war das nicht viel „normaler“ als die heutige Sesshaftigkeit? Und waren Distanzen und Zeitabstände nicht viel, viel größer? Und überhaupt: Sollen wir klagen und jammern, ist der gesunde Priester deswegen wirklich so „überlastet“, dass er ein Recht hat, sich zu beklagen? Ist die „eigentliche Seelsorge“, von der hier die Rede ist, nur das Zusammensitzen mit den Gläubigen? Gibt es „spirituelle Heimat“ der Priester nur durch „Bleiben am Ort“ oder ist nicht gerade diese, zugegeben, auch leidvolle, „Heimatlosigkeit“ des Priesters (Hebr 11,14ff) nicht auch ein pastoral wichtiges Zeichen dafür, dass wir nur „Fremde“ und „Pilger“ auf Erden sind, wie es im Hebräerbrief heißt? Und worin besteht die „emotionale Beheimatung“ des Priesters, die es durchaus auch für Priester geben soll, aber doch so, dass das priesterliche Leben nicht allzu „bürgerlich“ wird?

Protest: „Wir sagen NEIN zu immer mehr Eucharistiefeiern am Wochenende, weil so die vielen Dienste und Predigten zu oberflächlichem Ritual und allzu routinierter Rede werden, während Begegnung, Gespräch und Seelsorge verkümmern. Kurz vor der Messe anzukommen und gleich danach weiterzufahren, macht unseren Dienst zur hohlen Routine.

Antwort: Von wie vielen Messen und Predigten ist hier die Rede? Warum sollen mehrere Feiern der Hl. Messe und die dazugehörigen Predigten zum „oberflächlichen Ritual und allzu routinierter Rede“ werden? Ja, natürlich, mehrere Messen sind auch anstrengend, aber sind sie nicht auch schön, wenn man sie mit Liebe feiert und die Freude hat, das Wort Gottes verkünden zu dürfen? Ich bin auch nicht mehr ganz jung und nicht wenige Priester sind gesundheitlich wirklich nicht mehr sehr leistungsfähig. Aber: Mehrere heilige Messen an einem Wochenende, je nach Umständen, halte ich und wohl die meisten Priester leicht aus, ich werde vielleicht müde sein, aber müde sein ist nicht schlimm, vor allem dann nicht, wenn ich Eucharistie feiern und über Gott reden durfte! Was für eine Ehre und Freude! Nein, es gibt keinen Grund, diese Dienste so abzuwerten, wie die Verfasser des Protestes es tun. Es gibt genug Priester, die ihren Dienst auch in dieser anstrengenden Form immer noch sehr gerne und mit Hingabe tun! Und überhaupt, wenn wir unsere Belastung mit der beruflichen Belastung und dem Stress vieler, vieler Menschen in der Wirtschaft, in der Welt, vergleichen, haben wir Priester und Bischöfe in Österreich keinen Grund, uns zu beklagen, zumal der Sonntags- und Feiertags-Stress, wenn man so reden darf, nicht der der ganzen Woche ist!

Und dass deswegen die anderen Elemente der Seelsorge verkümmern müssen, stimmt auch nicht: Was macht denn der Priester unter der Woche, von der hier ja gar nicht die Rede war? Die Bürokratie soll und kann er weitgehend delegieren, und dann bleibt genug Zeit, Hausbesuche zu machen, Gespräche zu führen – und sich dazwischen auch noch Erholung zu gönnen, die ihm auch wirklich gebührt! Dass nicht alle Priester gleich leistungsfähig sind, ist natürlich wahr, aber auch physisch schwächere Priester können sehr gute Priester und Pfarrer sein, die die Menschen als Seelsorger erreichen. Papst Johannes Paul II. hat es uns vorgelebt!

Protest: Wir sagen NEIN zur Zusammenlegung oder Auflösung der Pfarren, wenn sich keine Pfarrer mehr finden. Hier wird der Mangel zum Gesetzgeber erhoben, statt dem Mangel durch die Änderung unbiblischer Kirchengesetze abzuhelfen. Das Gesetz ist für den Menschen da – und nicht umgekehrt. Gerade das Kirchenrecht hat den Menschen zu dienen.

Antwort: Mit den „unbiblischen Kirchengesetzen“ meint man wohl den Zölibat, ohne den es angeblich genug Priester gäbe, um alle Pfarren zu besetzen. Dagegen steht die Beobachtung: Auch Diakone anzuwerben ist offenbar schwer, obwohl diese den Priestern viel wirkungsvoller helfen könnten als gläubige Laien, ohne damit deren kostbare Hilfe abzuwerten. Wer sich zum geistlichen Amt berufen fühlt, sollte Diakon werden und alles Andere Gott überlassen! Übrigens gehört zum Streben nach dem geistlichen Amt immer auch ein „heiliges Erschrecken“, das mit einem „Recht auf Weihe“, das man einfordern könnte, unvereinbar ist! Übrigens gibt es auch bei den Evangelischen Christen „Pastorenmangel“! Und außerdem: Der Zölibat soll „unbiblisch“ sein? Ohne das bekannte Jesus-Wort in der Bibel gäbe es ihn sicher nicht, er ist sehr wohl „biblisch“! Wahr ist freilich: Der Zölibat „müsste“ nicht sein, es gibt ihn bei den unierten-katholischen Kirchen nur in „abgeschwächter“ Form, nämlich für Bischöfe und für Witwer, die nicht mehr heiraten können.

Aber umgekehrt gedacht: Ist es nicht, gerade weil er auch ein Kreuz ist, eine Art Wunder, dass normale Männer bereit sind, sogar auf die Ursehnsucht nach Frau und Familie zu verzichten, um auf diese Weise Zeugnis für Gottes Gegenwart abzulegen? Erklärt das nicht auch, warum so fanatische Kirchenhasser wie Hitler den Zölibat abgeschafft wissen wollten? Allein dieses Faktum sollte zu denken geben! Ist das staunenswerte Festhalten der Kirche an diesem Gesetz, auch vom Konzil bestätigt, nicht doch viel mehr eine Hilfe für die Seelsorge als ein Hindernis, vorausgesetzt, dieses Kreuz wird mit Liebe getragen und nicht mit einem inneren Dauerprotest mürrisch geschleppt?

Protest: Wir sagen NEIN zur Überforderung der Pfarrer, die man in einen mehrfachen Pflichterfüllungsstress drängt, deren Zeit und Kraft für ein geistliches Leben wegadministriert wird und deren Dienste weit über das Pensionsalter hinaus beansprucht werden. So kann sogar das früher verdienstvolle Wirken durch allzu lange Beanspruchung beschädigt werden.

Antwort: Auch ein Priester braucht nicht mehr zu tun, als er leisten kann! Dass es in seinem Leben auch Stress gibt und er sich da und dort und vor allem im Alter auch „überfordert“ fühlt, hat er gemeinsam mit allen anderen Menschen! Man muss sehen, wie man im Einzelfall helfen kann und er selbst soll einfach aufhören zu tun, was er nicht mehr kann, niemand wird ihm einen Vorwurf machen! Aber dass dadurch sein „geistliches Leben“ leidet, ist absurd! Das „geistliche Leben“ kann durch nichts „verunmöglicht“ werden, auch nicht durch Krankheit, weil es ja in der Liebe besteht und diese „bekanntlich“ stärker ist als der Tod (HL 8,6)!

Damit ist nicht geleugnet, dass psychische Erkrankungen es scheinbar „auslöschen“ können! Für uns mehr oder weniger gesunde Männer im geistlichen Amt gilt: Wir haben unsere Zeit und unsre Kräfte geschenkt bekommen, um sie in den Dienst des Herrn zu stellen! Darin besteht „das geistliche Leben“ und niemand kann es „wegadministrieren! Und wenn ein Priester auch noch im Pensionsalter tut, was er noch kann, ist das kein besonderes Leiden, sondern eine Gnade, die ihn bewahrt vor dem Leiden vieler alter Menschen, die mit der Pension in ein Loch fallen und an der Leere ihres Lebens und ihrer Einsamkeit leiden.

Protest: Wir sagen NEIN, wenn das Kirchenrecht ein allzu hartes und unbarmherziges Urteil spricht: über Geschiedene, die eine neue Ehe wagen, über gleichgeschlechtlich Liebende, die in Partnerschaft leben, über Priester, die am Zölibat scheitern und deshalb eine Beziehung eingehen – und über die Vielen, die ihrem Gewissen mehr gehorchen als einem von Menschen gemachten Gesetz.

Antwort: Das Kirchenrecht fällt überhaupt keine Urteile und kann nicht „unbarmherzig“ sein, Urteile fällen und unbarmherzig sein können nur Personen! Kirchengesetze sind Menschenwerk, sie sollen dem Wort Gottes entsprechen und den Menschen keine unnötigen Lasten auferlegen! Bei den – zum wievielten Mal? - genannten „Reizthemen“ geht es nicht um „von Menschen gemachte Gesetze“, sondern allein um die Frage, was das Wort Gottes zu diesen Themen sagt! Die in diesem Absatz des Protestes suggerierte Annahme, alle Menschen, die von der Lehre und den Gesetzen der Kirche abweichen, täten dies auf Grund einer Prüfung ihres Gewissens, geht an der Wirklichkeit des Lebens vorbei!

Heiligen Ungehorsam gegenüber Menschen als Folge des Gehorsams gegenüber Gott gibt es, aber niemals in der heutigen Form der Auflehnung gegen die Gebote Gottes und gegen Seine Kirche! Wie der „heilige Protest gegen die konkrete Kirche“ ausschaut, kann man lernen z.B. bei der hl. Katarina von Siena und vielen anderen Heiligen! Die „Ungehorsams – Initiative“, „Erklärungen“ und „Begehren“ hätte sie sicher nicht unterschrieben, sondern bekämpft, liebevoll, aber mit all ihren Kräften!

Protest: Weil Schweigen als Zustimmung verstanden wird und wir unsere Verantwortung als Priester und Seelsorger wahrnehmen wollen, müssen wir diesen fünffachen Protest aussprechen. Er ist ein „Protest“ im wörtlichen Sinn: ein „Zeugnis für“ eine Kirchenreform, für die Menschen, deren Seelsorger wir sein wollen, und für unsere Kirche. Die Freudlosigkeit des heutigen Kirchenbetriebs ist kein gutes Zeugnis für die „frohe Botschaft“, die uns bewegt. Denn wir wollen „nicht über den Glauben herrschen, sondern der Freude dienen“(2 Kor 1,24).

Antwort: Die Protestierer wollen Seelsorger für die Menschen sein? Das ist gut so, aber das ist nicht ihr Markenzeichen, denn das wollen alle Priester, die ihr Amt ernst nehmen. Die Antwort kehrt zum Anfang zurück: Es ist die „Kirche Jesu“ und die Priester können nur wirklich „Seelsorger“ sein, wenn sie nach den Vorgaben Jesu, treu seiner Botschaft, treu den von Ihm gesetzten Strukturen, mit den biblischen „Mitteln“ der Seelsorge dienen!

Biblisch gesprochen: Die „Türe“ zur wahren Seelsorge geht immer nur über den Hirten und seine Vorgaben (J 10,7)! Auch ich kenne „Freudlosigkeit“ in der Kirche und auch in mir die Versuchung zu ihr! Aber eigentlich begegne ich der Freudlosigkeit immer nur dort, wo Menschen unzufrieden sind mit Papst und Kirche, wo sie „kleingläubig“ sind und an der Kirche zweifeln oder im Konflikt mit den Geboten Gottes leben und aufgehört haben, dankbar zu sein, Glieder dieser Kirche sein zu dürfen! Freude, viel Freude hingegen erlebe ich dort, wo Christen die Kirche lieben, Gott für Seine Kirche danken, ihr mit Hingabe dienen, sich mit ihren bösen Neigungen und Sünden nicht abfinden, sondern ständig bemüht sind umzukehren, aus der Eucharistie zu leben und auf das Lehramt zu hören – dort sehe ich Freude, große Freude und viel Freude!

Schlusswort: Liebe Brüder „des Protestes“, der schon dem Wort nach so „protestantisch“ klingt, das ihr so nicht reden solltet!

Ich bitte Euch um eine „Umkehr“ der „Zielgruppe“ eures „Protestes: Protest nicht mehr gegen die Kirche, wie es alle Häretiker taten, sondern Protest gegen die Sünden und Häresien in der Kirche Jesu, natürlich einschließlich des Protestes gegen Eure eigenen Sünden, gegen meine Sünden, die aller Bischöfe und der anderen Mitbrüder im geistlichen Amt!

Protest ja, aber an die richtige Adresse und natürlich eingedenk der Rede Jesu über die Splitter und Balken (Mt 7,4)!

Und zuletzt ein Gedanke, der mir beim Lesen einer Stelle von Jesaja im Brevier kam: „So spricht der Herr: Was wäre das für ein Haus, das ihr mir bauen könntet, was wäre das für ein Ort, wo ich ausruhen könnte? Denn all das hat meine Hand gemacht, es gehört mir ja schon!“ Ist es nicht so: Jesus hat „sich selbst ein Haus gebaut“, eben seine Kirche auf den Felsen Petri und auf das Fundament der Apostel! Und wir alle sollten nicht versuchen, Ihm eine andere Kirche zu bauen! Wir dürfen nicht Baumeister spielen, die ein altes Haus entkernen und umbauen in ein modernes, ganz anderes Haus.

Vielmehr müssen wir uns verhalten wie ein Architekt, der einen alten Dom renoviert, indem er die ursprünglichen Strukturen wieder freilegt und die alte Schönheit neu zur Geltung bringt. Nicht Umbau ist unser aller Aufgabe, sondern Freilegen der „Form“, die Jesus seiner Kirche gab, in diesem Sinn Reform! Und wo fangen wir, Ihr und ich und alle Bischöfe mit der Renovierung an? Ich zitiere die von uns allen verehrte Mutter Teresa, die auf die Frage, was sie in der Kirche verändert sehen möchte, antwortete: „Sie und mich!“

Also Euch, mich, alle Priester, Diakone und Bischöfe Österreichs! Ein solcher Neuanfang würde uns von aller Freudlosigkeit befreien, wir könnten wieder wirklich miteinander reden und aufeinander hören – und alle „Bewegungen“, „Initiativen“, „Begehren“ und „Memoranden“ würden in ein Fest der Freude einmünden. Jesaja (9,1ff) abwandelnd könnte man sagen: Wir, das Volk, das derzeit im Dunkel des Streites und der Spaltung lebt, würde wieder „ein helles Licht“ sehen! Dieses Licht würde uns, die wir in das „Land der Finsternis“, der Ausgrenzung, der Sprachlosigkeit geraten sind, wieder „aus der Höhe aufstrahlen“ und in der Kirche die „Stadt Gottes (Off 21,23), die vom Himmel gekommen ist“ erkennen lassen!

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