Die Priesterbruderschaft St. Pius X. und die Verhandlungen mit Rom

13. Dezember 2011 in Aktuelles


Die Verhandlungen gestalten sich sehr schwierig. ‚Non possumus’ und die Bedingungen zur Vermeidung eines endgültigen Bruchs. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) In seiner Predigt am 8. Dezember zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens hat sich der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X., Bischof Bernard Fellay, zur augenblicklichen Lage der Gespräche mit Rom geäußert. In den kommenden Tagen wird die Antwort der Priesterbruderschaft auf den Vorschlag des Heiligen Stuhles erwartet, der die Grundlage einer künftigen vollen Einheit mit Rom darstellt und nach dem Ende der Lehrgespräche in einer doktrinellen Präambel zusammengefasst worden war.

Verschiedenste Gerüchte nach dem Treffen der Oberen der Seminare und Distrikte der Priesterbruderschaft St. Pius X. am 7. Oktober 2011 hatten diese zu der Erklärung veranlasst, dass allein das Generalhaus von Ecône berechtigt sei, ein offizielles Kommuniqué oder einen autorisierten Kommentar bezüglich dieser Thematik zu veröffentlichen. Insofern ist die Wortmeldung von Bischof Fellay am 8. Dezember von großer Bedeutung. Sie lässt darauf schließen, dass die unmittelbar bevorstehende Antwort negativ ausfallen und in einem „non possumus“ zu den Vorschlägen des Heiligen Stuhles in der vorliegenden Form bestehen wird.

Das von Fellay benannte Hauptproblem besteht im Verständnis der „Tradition“, das sich nach dem II. Vatikanischen Konzil von einem objektiven Begriff des Weitergegebenen zu einem subjektiven Begriff des Vorgangs der Weitergabe gewandelt habe, was der in diesem Zusammenhang zitierten „lebendigen Tradition“ entspreche. Fellay erklärt, dass sich auf diese Weise „alles verändere“, auch die Tradition.

Für Fellay steht fest, dass die Kirche zwar diesen Traditionsbegriff erwogen habe, jedoch auf zweitrangige Weise. Die Kirche habe bis zum II. Vatikanischen Konzil mit der „Tradition“ das „depositum fidei“ gemeint, das heißt: „die Gesamtheit dessen, was Gott der Kirche anvertraut hat, damit die Kirche es von Generation zu Generation weitergibt, damit die Seelen gerettet werden“. Da es um den „Inhalt“ objektiver Natur gehe, sei es nicht möglich, dass das Lehramt etwas Neues lehren könne: „Der Heilige Geist wurde versprochen, damit durch Seine Hilfe der heilige Petrus und die Päpste genau das bewahren, und zwar heilig und getreu bewahren, was sich eben nicht ändert: das offenbarte Glaubensgut“.

Den in der doktrinellen Präambel enthaltenen Vorschlag Roms bezeichnete Fellay als „überraschend“, da das Ergebnis der Lehrgespräche zwischen der Priesterbruderschaft und dem Heiligen Stuhl deutlich gemacht habe, dass man sich nicht einig sei. Nun verlange Rom, die Präambel dennoch zu akzeptieren. Die Antwort der Priesterbruderschaft auf dieses Ansinnen sei: „Das können wir nicht“, während keine Hoffnung darauf bestehe, dass Rom bereit sei zu erkennen, dass nicht die Priesterbruderschaft „das Problem“ sei, sondern dass es tatsächlich ein Problem der Kirche gebe, das angegangen werden müsse.

Wie bekannt ist, gehört zur doktrinellen Präambel die Aufforderung, der Professio fidei aus dem Jahr 1988 zuzustimmen, welche von der Kongregation für die Glaubenslehre am 9. Januar 1989 veröffentlicht wurde (AAS 81 [1989] 104–106). Dieses Glaubensbekenntnis ist von all denen abzulegen, die ein kirchliches Amt übernehmen. Die „Professio fidei“ besteht aus drei Graden des Bekenntnisses und unterscheidet zwischen offenbarten Wahrheiten, dogmatischen Erklärungen und dem Lehramt.

Als erstes muss geglaubt werden, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und was die Kirche als von Gott offenbart zu glauben vorlegt. Zum zweiten muss der Katholik die ganze Lehre des Glaubens und der Sitten annehmen, so wie sie von der Kirche bis heute und endgültig vorgelegt wurde.

Der problematische Punkt liegt im dritten Absatz, in dem religiöser Gehorsam des Willens und des Verstandes gegenüber den Lehren eingefordert wird, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, „wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden“. In diesen Bereich des Gehorsams fallen das ordentliche Lehramt des Papstes, die Enzykliken, Apostolischen Schreiben, Ansprachen, Katechesen usw. In diesen Bereich fallen auch wichtige Texte des II. Vatikanischen Konzils, denen, wie Benedikt XVI. bekräftigt hatte, nicht im Rahmen einer „Hermeneutik des Bruchs“ begegnet werden darf.

Den Worten von Bischof Fellay ist zu entnehmen, dass aufgrund der von ihm genannten Schwierigkeiten mit einem veränderten Traditionsbegriff gerade letzter Absatz nicht in der Form akzeptierbar ist, wie dies der Heilige Stuhl vorgeschlagen hat. Dies nämlich würde auch eine uneingeschränkte Zustimmung zu dem bedeuten, worin für die Priesterbruderschaft St. Pius X. wesentliche Kernprobleme bestehen. Dazu gehören die Thematiken der Definition der Religionsfreiheit, des Verhältnisses zu den anderen Religionen, des Ökumenismus und des Begriffs der Kollegialität.

Andererseits hatte der Heilige Stuhl zu erkennen gegeben, dass eine Zustimmung zur Präambel zwar eine Anerkennung des II. Vatikanischen Konzils bedeute, die für eine kanonische Anerkennung der Priesterbruderschaft notwendig ist, dies aber eine weitere Auseinandersetzung hinsichtlich der Hermeneutik des Konzils nicht ausschließe.

Der Weg zur vollen Einheit ist jedoch schwer, insofern Bischof Fellay am 8. Dezember erklärte, dass das „Problem“ nicht die Priesterbruderschaft sei. Vielmehr habe der „Geist der Welt“ in die Kirche Eingang gefunden. Dies habe zur Folge, dass man nicht nur mit äußeren Feinden im Kampf stehe, sondern dass ein „nichtkatholischer Geist“ in die Kirche eingedrungen sei. Dazu sei es seit dem II. Vatikanischen Konzil gekommen.

Fellay sprach vom Bösen und dem „Rauch Satans“, der in die Kirche eingesickert sei: „Das ist ein großes Geheimnis, es ist, als hätte der Teufel ein Heiligtum betreten. Das ist etwas, das einen erzittern lässt“. Es sei, als habe eine Krankheit einen Körper durchdrungen. „Die Kirche liegt im Sterben!“, so Fellay, „sie verschwindet. Das muss doch aufrütteln! Man denkt, man hofft, dass der eine oder andere beginnt, nachzudenken. Aber man hat den Eindruck, dass das nicht genügt. Ja, sicherlich: es braucht auch eine Gnade, es braucht das Gebet, Gebet und nochmals Gebet, damit der liebe Gott die Kirche befreit, damit die Mutter Gottes etwas tut. Sie hat versprochen, dass ihr Herz triumphieren wird, um die Kirche aus diesem Zusammenbruch herauszuführen“.

Angesichts dieser Diagnosen kann die Antwort der Priesterbruderschaft St. Pius X. auf den Vorschlag des Heiligen Stuhls zu einer Einigung nur mit Spannung erwartet werden. Was wird für die Bruderschaft an erster Stelle stehen? Die Sehnsucht nach Einheit, um ihren „Kampf“ bei aller auch kritischen Dialektik in Gemeinschaft mit dem Papst und dem Lehramt fortzusetzen, oder das radikale und absolute „non possumus“, wenn es um das II. Vatikanische Konzil und die Lehre der Päpste nach dem Konzil geht?


Die Übersetzung der letzten zehn Minuten der französischsprachigen Audiodatei der Predigt Bischof Fellays wurde von "pius.info" zur Verfügung gestellt. Darin nicht enthalten ist der Abschnitt über den „Geist der Welt“, der in die Kirche Eingang gefunden habe. Dieser findet sich im französischen Original unter "www.dici.org"


© 2011 www.kath.net