Gabriele Kuby über die Beichte, die 'Werkstatt der Verwandlung'

26. November 2011 in Buchtipp


In der Beichte sitze nicht mehr in meinem Unschuldswahn auf einem hohen Ross und klage andere an. - Leseprobe Teil 3 aus dem Buch von Gabriele Kuby, jeden Samstag im November


Kisslegg (kath.net) Leseprobe aus dem Buch „Selbsterkenntnis. Der Weg zum Herzen Jesu“ von Gabriele Kuby. Teil 1: Gabriele Kuby über 'Selbsterkenntnis'; Teil 2: Gabriele Kuby über die 'Erste Bekehrung', Teil 3: Gabriele Kuby über die Zweite Bekehrung'


Die Entdeckung

Herausgefordert von einer konkreten Situation, in der eine Eigenschaft sichtbar wurde, die ich gerne verborgen halte, erlebte ich zunächst den Sturz auf der Treppe nach oben: Scham vor dem Zeugen, innere Entzweiung unter dem Einfluss des Anklägers: Wie kannst du nur! Immer noch! Du bist unglaubwürdig! Schnell schnell zur Beichte, damit die Weste wieder rein ist.

Dann, ich weiß nicht wie, es muss mich wohl ein Engel auf die Stufen der Treppe nach unten gestellt haben, die Einsicht: Ja, so bin ich. Jesus liebt mich so, wie ich bin. Auch jetzt in diesem Augenblick. Freut er sich nicht über einen Sünder, der umkehrt, mehr als über neunundneunzig Gerechte? Ich muss mich nicht mit mir selbst entzweien, ich gehe einfach, wenn es passiert, so schnell wie möglich zu Jesus. Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir. Er hört meine Stimme, er wendet sein Ohr mir zu, er achtet auf mein lautes Flehen (Psalm 130). Das ist die Erfahrung der Liebe Jesu, der meine Sünden trägt und durch sein Blut bezahlt hat. Das ist die Frohe Botschaft.

Nicht die Sünde ist das Hindernis, das einzige Hindernis zur Liebe Gottes ist die Verblendung, die Leugnung, die Rechtfertigung der Sünde. Erlösung bedeutet nicht, es doch irgendwann auf der Treppe nach oben bis zur Heiligkeit geschafft zu haben, sondern auf der Treppe nach unten in der Wahrheit der eigenen Person Christus zu begegnen, an die Liebe und das Erbarmen Gottes zu glauben und ihn aufrichtig in Anspruch zu nehmen. Das meint Jesus, wenn er sagt: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen (Mt 11, 28). Die schwerste Last, die Menschen tragen, ist Schuld, ob sie es wissen oder nicht. Hier in der Tiefe öffnet sich der Weg zur Heiligkeit an der Hand Jesu und Mariens, von dem gar nicht mehr zu sagen ist, ob er eigentlich nach oben oder nach unten führt. Ja, es gibt Fortschritte, aber diese Fortschritte erkenne ich dann als ein Werk der Gnade, für die ich durch redliche innere Arbeit bereit werde.

Die Beichte

Im Sakrament der Beichte wird uns diese Begegnung mit Jesus in der Wahrheit geschenkt. Hier nehmen wir die Früchte des Opfers in Anspruch, das in jeder Heiligen Messe neu vollzogen wird: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. In der Beichte sitzt mir an Jesu statt ein Mensch gegenüber. Der Priester spricht mir hörbar die Vergebung zu: Ego te absolvo, ich spreche dich los. So mache ich nicht nur die geistliche, sondern auch die menschliche Erfahrung, trotz meiner Sünden angenommen zu sein. Hier ist die Werkstatt der Verwandlung von Verblendung in Erkenntnis, von Hochmut in Demut, von Stolz in Armut, von Ärger in Mitgefühl, vom Herz aus Stein in ein Herz aus Fleisch. Ich sitze nicht mehr in meinem Unschuldswahn auf einem hohen Ross und klage andere an. Ich bin heruntergestiegen, vielleicht heruntergefallen, und entdecke mich als Sünder unter Sündern. Jetzt erst wird Frieden möglich, denn Frieden gibt es nur zwischen Sündern.

Hier unten, bei Jesus, begegnen mir nun die Personen, die mir Unrecht getan haben, die mich verletzt haben, die in meinen Augen Böses tun, kurz meine „Feinde“. Bisher war mein negatives Urteil über sie die schlagende Rechtfertigung für böses Denken, Fühlen und Tun auf meiner Seite. Durch den Abstieg zur vergebenden Liebe Jesu habe ich diese scheinbar zwingende Kausalität durchtrennt: Ich nehme meinen Anteil am Bösen in Besitz, es kommt nicht von außen, sondern aus meinem eigenen Herzen: Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht (M 15,11.19-20). Ich muss nun nicht mehr wütend im anderen verurteilen, was ich selbst an mir hasse. Wenn ich wirklich erlebe, dass Jesus mir meine Schuld vergibt, dann werde ich fähig, auch den anderen zu ertragen, ihn zu erleiden, mich seiner zu erbarmen, ihm mit Barmherzigkeit zu begegnen. Wir werden fähig zu verzeihen und um Verzeihung zu bitten. Wenn wir irgendwann so weit sind, über uns lachen zu und mit Johannes dem XXIII. zu sagen, „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig“, dann sind wir wirklich auf dem Weg der Heiligkeit.

Christliche Communio

Alle sehnen wir uns nach communio, nach einer Gemeinschaft, die von Liebe getragen ist, nicht von Macht, in der wir mit unseren Schwächen, Fehlern und Sünden sichtbar werden dürfen, ohne ausgegrenzt zu werden, in der wir einander, wenn nötig, auch die Wahrheit sagen können, weil wir bereit sind, zu vergeben und um Vergebung zu bitten.

Familien, Klöster, geistliche Gemeinschaften und Gemeinden, die Kirche insgesamt, sind in besonderer Weise auf Liebe angelegt. Sie kann nur aufblühen, wenn es die Bereitschaft gibt, die eigenen Sünden zu erkennen und die der anderen zu ertragen und zu vergeben. Den anderen wissen zu lassen, dass ich mir meines Fehlverhaltens bewusst bin, ist der wichtigste und schwerste Schritt. Dann leben beide wieder in derselben Realität, beide nennen schwarz schwarz und weiß weiß, sie müssen sich nicht mehr im Streit um die Wahrnehmung der Realität entzweien.

In Gemeinschaften, in denen diese Arbeit an der eigenen Persönlichkeit tatsächlich stattfindet, kann die Liebe wachsen und schließlich leuchten: „Seht, wie sie einander lieben” – mit diesen Worten beschreibt der antike Schriftsteller Tertullian staunend die Gemeinschaften der ersten Christen. Sie konnten lieben, weil sie in der Gegenwart des Herrn lebten, der Quelle aller Liebe. Er trägt seinen Jüngern auf: Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr ei-nander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt (Joh 13,34-35).

Lebendige Kirche

Umkehr ist das Lebensblut der Kirche. Hier wird ein Mensch neu, hier wird „die Welt“ neu, indem die Erlösungstat Jesu Christi angenommen wird. Es muss in der Kirche eine kritische Menge von Gläubigen geben, welche diese Arbeit tatsächlich tun, sonst wird das christliche Salz schal und taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten (Mt 5,13). Die Welt tut alles, um uns daran zu hindern, auf diesem schmalen Weg zu gehen, und sie wirft schadenfroh mit Steinen, wenn Christen fallen.

Erneuerung geschieht nur dort, wo Menschen von der Liebe Jesu getroffen werden und mit ihm den Abstieg in die Wahrheit wagen. Nur der Mensch ist zur Selbsterkenntnis fähig. Wie groß ist es, ein Mensch zu sein, und wie schwer, einer zu werden. Jubeln Sie, lieber Leser, wenn Sie das nächste Mal eine Eigenschaft oder ein Verhalten in sich wahrnehmen, das Sie beschämt. Denn Jesus sagt uns: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren (Lk 15, 7).

kath.net-Buchtipp:
Gabriele Kuby:
Selbsterkenntnis. Der Weg zum Herzen Jesu
fe-medienverlag
Kisslegg 2010
ISBN 978-3-939684-83-1
Hardcover, 48 Seiten
Preis: 5,50 €

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KATH.NET-Interview mit Gabriele Kuby über den Zölibat





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