Kirchenberichterstattungsleiter einflussreicher als mancher Bischof

9. November 2011 in Deutschland


Die „Gesellschaft Katholischer Publizisten“ traf sich zum Thema „Kirchenbilder – Medienbilder. Diskurs und Inszenierung der Kirche in der Welt von heute“. Von Andreas Püttmann.


Bonn (kath.net) „Welche Journalisten ein Volk hervorbringt, ist heute ein wesentliches Moment seines Schicksals“, meinte Karl Jaspers in den sechziger Jahren. Das wird man heute wohl auch auf die Kirche übertragen dürfen.

Einerseits, weil sie große Teile der Gesellschaft nicht mehr in direkter Ansprache durch kirchliche Amtsträger erreicht, sondern nur noch als medienvermittelte „Kirche aus zweiter Hand“, andererseits weil Kirchenjournalisten auch die innerkirchliche Kommunikation wesentlich strukturieren und prägen.

Insofern kommt dem Kirchenbild und Selbstverständnis katholischer Journalisten in säkularen wie kircheneigenen Medien eine Schlüsselrolle für christlichen Glauben und kirchliches Leben zu.

Wer bei einem großen Sender oder Printmedium die Kirchenberichterstattung leitet, dürfte mehr Einfluss in der Kirche ausüben als mancher Bischof. Grund genug für Bischofskonferenz und Bistumsleitungen, die Medienarbeit als einen „Augapfel“ zu begreifen, wozu insbesondere ihre Journalistenausbildung, ihre Repräsentanz in den großen Rundfunkanstalten sowie ihre eigenen Redaktionen und Presseabteilungen gehören.

Das diesjährige Symposium der „Gesellschaft Katholischer Publizisten“ (GKP) in Kooperation mit der Thomas Morus-Akademie (Bensberg) am Reformationstag in Bonn zielte nach Piusbrüder- und Missbrauchsskandal, Dialogprozessauftakt und Papstbesuch auf diesen sensiblen Zusammenhang.

Das Thema: „Kirchenbilder – Medienbilder. Diskurs und Inszenierung der Kirche in der Welt von heute“. Eine Analyse der Medienberichterstattung über diese jüngsten großen Kirchenereignisse gab es dabei allerdings nicht.

Zunächst interviewte Vorstandsmitglied Michaela Pilters (ZDF) unter dem Titel „Zwischen Spaltung und Dialog. Kirchenbilder in Köpfen und Medien“ drei Kollegen: Den Kulturjournalisten und Buchautor Dr. Alexander Kissler (u.a. Focus), WDR-Fernsehredakteurin Johanna Holzhauer (tag7) und Joachim Frank, den Chefkorrespondenten der Frankfurter Rundschau. Zum erwarteten Schlagabtausch der kirchenpolitischen Antipoden kam es dabei nur in Ansätzen.

Kissler, obwohl wie gewohnt eloquent und geistreich, konnte sich im Fragenraster des Interviews nicht so recht analytisch entfalten; vielleicht wollte er auch nicht allzu beflissen das Klischee des konservativen Außenseiters von der Abteilung Attacke bedienen.

Er wünschte sich einen „Agora“-Charakter der Medien zum freien Austausch und Ringen der Argumente und bedauerte, dass Medienverantwortliche allzu oft der Prämisse folgten: „Der Leser will Affirmation“.

Freimütig sprach er die Ängstlichkeit vieler Bischöfe an, sich in den Medien zu exponieren.

Vom Schwinden des Glaubenswissens als Ausfluss der allgemeinen Bildungskatastrophe sah er die Redaktionen nicht unberührt. Das habe zuletzt der Papstbesuch mit einigen unfreiwillig komischen, kenntnisarmen Kommentierungen gezeigt. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf etwa machte den Katholiken Wolfgang Thierse flugs zum protestantischen Pfarrer und schwafelte beim Händedruck des Papstes mit dem Bundestagsvizepräsidenten (der auch ZdK-Mitglied ist) von einer „ökumenischen Begegnung“.

Kissler, der schon ZDF-Chefredakteur und ZdK-Mitglied Peter Frey vorgehalten hatte, statt von „Eucharistie“ immer von „Abendmahl“ zu reden, scheute sich auch nicht, einen anwesenden Kollegen direkt mit dessen Rede vom „geweihten Brot“ für den eucharistischen Herrn zu konfrontieren – woran der sich allerdings nur zögerlich zu erinnern vermochte.

Von Johanna Holzhauer erfuhren die rund 40 anwesenden Journalisten, dass die Einschaltquoten bei diesem Papstbesuch „etwas geringer“ als früher gewesen seien. Sie kritisierte, dass die katholische Sexualmoral bestimmten Personengruppen, vor allem Homosexuellen, suggeriere: „Du bist nicht in Ordnung“ und Menschen danach einteile, ob sie „kirchengerecht“ lebten.

Hier schon begann eine Sprach- und Gedankenverwirrung, denn erstens sind aus katholischer Sicht immer nur bestimmte Handlungen oder Neigungen, nie aber die ganze Person „nicht in Ordnung“, und zweitens ist der Maßstab christlicher Moral nicht „Kirchengerechtigkeit“, sondern der Dekalog sowie die Weisungen Jesu und der Apostelbriefe.

Mag ja sein, dass man kirchliche Auslegungen bestimmter Gebote für fehlerhaft hält; das ändert aber prinzipiell nichts daran, dass christliche Moral kategorial aus dem schriftgemäßen Glauben und nicht aus kirchlicher Willkür erwächst.

Etwas mehr Bibelfestigkeit hätte Frau Holzhauer auch davor bewahrt, sich in der Diskussion mit dem Vorwurf aus dem Fenster zu lehnen, die Kritik des Papstes an „lauen Christen“ sei ungehörig. Die Offenbarung des Johannes (3,15-16) wählt jedenfalls die gleiche Diktion. Von den Polemiken Jesu gegen „getünchte Gräber“, „Heuchler“ oder „Schlangenbrut“ ganz zu schweigen.

Nein, Betulichkeit gegenüber allem und jedem fordert das Christentum nicht. Hinzu kommt, dass Frau Holzhauer selbst munter austeilt: In der Debatte zur Schwangerenkonfliktberatung hatte sie in einem Bericht (nicht Kommentar!) der Tagesthemen vom „fundamentalistischen Kardinal Josef Ratzinger“ gefaselt, jetzt beim Symposium übte sie Kollegenschelte am abwesenden Matthias Matussek, der ihr als Beispiel für „hasserfüllte“ und „denunziatorische“ Reden gilt, ohne dass sie den schwerwiegenden Vorwurf konkret belegte.

Durch eine eindimensionale Sicht tat sich Holzhauer auch hervor, als sie behauptete, Gemeinden würden ja nur zusammengelegt, „weil es so wenige Priester gibt“. In vielen Fällen mag diese Ursachenzuschreibung stimmen, in anderen aber nicht.

Der gastgebende Bonner Stadtdechant Wilfried Schumacher hätte zum Beispiel – was er tunlichst vermied – davon erzählen können, dass es bei seinem Amtsantritt 1998 in der Bonner Münsterpfarrei noch sieben Sonntagsmessen gab, während man heute selbst in den verbliebenen drei kaum noch eine volle Kirche erlebt. Zumindest hier hat der Gläubigenmangel den Priestermangel überholt.

Ein Theologieprofessor weiß sogar zu berichten, dass es für einen Priester in Bonn gar nicht selbstverständlich sei, Sonntags noch eine Zelebrationsgelegenheit in einer Bonner Gemeinde zu finden. Zu viele Priester für zu wenige Messen, da zu wenig Gottesdienstbesucher.

Joachim Frank, ehemals selbst Priester des Bistums Münster, berichtete vom antikirchlichen Affekt in säkularen Redaktionen, denen er, obwohl selbst kritischer Katholik, noch als „Kirchenfuzzi, der den Papst verteidigt“ gelte.

Ebenso erschreckend seien „hasserfüllte“ Beiträge in Internetforen, die qua Anonymität offensichtlich einer „Unterschreitung der Umgangsformen“ Vorschub leisteten. Hier fiel sehr zu Recht der Begriff der „Kloake“, übrigens auch in Bezug auf manche Online-Kommentare, deren Schreiber sich selbst „katholisch“ nennen, aber mit ihrem menschenverachtenden Jargon eher, so Frank, in die Rubrik „Faschismus“ gehörten.

Differenziert nahm Frank zum Thema Priesteramt Stellung, indem der die nachkonziliare Idee von der „selbstsorgenden Gemeinde ohne Priesterfixierung“ als illusionär verwarf: Der Priester sei als zentrale Bezugsperson in den Gemeinden unersetzlich, insbesondere als ausgleichender Gegenpol, wenn Gruppen mit Sonderspiritualitäten zu dominant in der Gemeinde würden.

Das Konzilsdokument zu den Massenmedien nannte Frank ohne nähere Begründung „unterkomplex“ und „unsäglich“, die öffentliche Diskussion über Kirche in weiten Teilen ignorant: „Es gibt zwei Themen, wo jeder meint mitreden zu können: Fußball und Kirche“.

Mit dem Themenaspekt „Medienbilder“ hatte der dann folgende Vortrag mit dem diffusen Thema: „Aktuelle Trends ... und worüber einmal zu reden wäre“ nichts mehr zu tun. Johannes Röser, Chefredakteur von „Christ in der Gegenwart“, durfte mit weit mehr Redezeit als alle Kollegen sein persönliches Kirchenbild ausbreiten. Es war ein denkwürdiger Moment in der Geschichte der GKP, denn eine so radikale Dekonstruktion des Christentums hat man wohl selten in kirchlichen Räumen gehört.

Laut und hämmernd wie in einer Art akustischem Thesenanschlag wischte Röser zunächst den in anderen Weltregionen blühenden Katholizismus und die „überschätzten“ neuen geistlichen Bewegungen als Hoffnung der Kirche arrogant vom Tisch: „Numerisches“ Wachstum sei nicht „geistliches Wachstum“ – wobei unausgesprochen mitklang: „Und was geistliches Wachstum ist, bestimme ich“.

Sodann erfand Röser eine „Kirchenspaltung neuen Typs“, als deren eine Glaubensfraktion er die „90 Prozent“ nicht am kirchlichen Leben teilnehmenden Katholiken in einen Topf warf, um sie den praktizierenden gegenüberstellte.

Empirisch betrachtet stimmt das vorne und hinten nicht: Erstens bekunden im „Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010“ 17 Prozent der deutschen Katholiken: „Ich bin gläubiges Mitglied meiner Kirche, fühle mich der Kirche eng verbunden“; zweitens besteht die kirchlich distanziertere Mitgliedschaft aus sehr heterogenen Gruppen, darunter auch solche, die ausdrücklich sagen „Ich brauche keine Religion“, „Ich fühle mich nicht als Christ“ oder „Ich fühle mich unsicher, weiß nicht, was ich glauben soll“ –zusammen 14 Prozent, die sich gar nicht als Kirchenspaltungspartei eignen, weil sie gar keinen Glauben bekennen. Kardinal Degenhardt nannte sie einst „getaufte Heiden“.

Faktisch oder sogar erklärtermaßen Nichtgläubige über den terminologischen Kunstgriff „Kirchenspaltung“ ins Christentum einzugemeinden – vielleicht um die Mehrheit gegen die „Amtskirche“ aufzublähen –, ist Sophismus.

Jene 32 Prozent katholischer Kirchenmitglieder, die bekunden: „Ich fühle mich als Christ, aber die Kirche bedeutet mir nicht viel“, können auch nicht seriös als Gruppe in einem innerkirchlichen Schisma vorgestellt werden.

Bleiben die 37 Prozent „kritischen Kirchenverbundenen“, die ihrer Kirche „in vielen Dingen kritisch gegenüberstehen“. Sie weisen allerdings zugleich ein deutlich geringeres religiöses Interesse auf und halten viel weniger als die „gläubigen Kirchennahen“ ein „an christlichen Werten ausgerichtetes Leben“ für „ganz besonders wichtig“.

Von ihnen trotzdem die wahre „Reform“ der Kirche zu erwarten, setzt schon einen gehörigen Dezisionismus voraus. Das Gleichnis vom Sämann, dessen Samen auch auf steinigen Boden fällt, ficht Röser offenbar nicht nur nicht an, es gerät schon gar nicht mehr in sein Blickfeld.

Von biblischer Ignoranz zeugten ebenso seine Forderungen nach einer „zeitgemäßen Sexualmoral“, einem „Christusverständnis aus dem Geist der Zeit“ und einer „ergebnisoffenen“ Beratung von Glaubensfragen. Hier wird ganz offenkundig das Evangelium beiseite geschoben, aus dem allein „Christusverständnis“ wie Sexualethik ihre Maßstäbe zu beziehen haben.

Munter ging die Sprachverwirrung weiter, indem Röser liberale kritische Katholiken zu „Konservativen“ erklärte, die „das sakramentale Leben ernst nehmen“ (auch die Beichte?), ohne zu präzisieren, ob er einen theologischen oder bürgerlich-habituellen Konservatismus meinte.

Die theologisch wirklich Konservativen, durch Rösers willkürliche Verschiebung des Koordinatensystems abgeschoben ins Spektrum eines rechtsreaktionären Extremismus bzw. „evangelikalen Katholizismus“, zieh der Chefredakteur denn auch der „Restauration“ gegen das Zweite Vaticanum.

Es folgte die schon angesichts des Theologen-„Memorandums“ und „Dialogprozesses“ kontrafaktische Behauptung: „Die Reformer tauchen ab“, bevor eine Reihe fundamentaler Glaubenszweifel ausgebreitet wurde: Es sei doch schon eigenartig, dass „Gottes Sohn erst so spät, nach 200.000 Jahren“ auf die Erde gekommen“ sei, dass es „so viele Irrläufer der Evolution“ gebe, dass es schon „so viele andere Religionen gegeben“ habe.

Damit stand unausgesprochen die Feuerbach-These von der Religion als bloßer „Projektion“ des Menschen im Raum. Unsere „bisherigen Glaubensvorstellungen reichen nicht mehr aus“, outete sich Röser, womit er ausdrücklich auch die Christologie meinte: „Die Christusfrage verlangt nach einem konziliaren Akt“; deshalb plädiere er für ein neues Glaubenskonzil, an dem nicht nur Bischöfe teilnehmen sollten. Dieses könne dann den „religiösen Provinzialismus“ überwinden, wonach „nur wir gerettet sind“.

Die „Unsichtbarkeit Gottes“, die schon die Athener einen „Altar an den unbekannten Gott“ bauen ließ, verlange ganz neue Antworten, die den Menschen ermöglichten „sehend, nicht blind“ zu glauben.

Dass das Unsichtbare, Unerklärliche Konjunktur hat, weswegen laut Allensbach 56 Prozent der Deutschen meinen, „dass es Wunder gibt“ und gerade unter 30-Jährige mit 25 Prozent überdurchschnittlich „an mystische Erfahrungen, an Begegnungen mit dem Geheimnisvollen“ glauben, scheint diesem Theologen entgangen zu sein. Er versucht einen rationalistischen Erkenntnisoptimismus in die Religion zu tragen, von dem sich die „Welt“ längst wieder entfernt.

Röser wettert gegen „Magie“ und „Magierpriester“ in der Kirche, ohne klar zu sagen, welche Glaubensvollzüge (Eucharistische Wandlung?) er damit meint, will auch dem „archaischen Priester-Reinheitsideal“ (Zölibat?) den Garaus machen und eine „auf halbem Wege steckengebliebene Liturgiereform“ des Vaticanums II durch „mehr Mut zum Experiment“ zur Vollendung bringen.

Nach diesem Auftritt, den einzelne erschrockene Teilnehmer kommentierten als „sektiererisch“, „verständnislos für die Offenbarung“, „intolerant und inquisitorisch im Gewand von Fortschritt und Aufgeschlossenheit“, ja sogar (wohl auch des autoritären Tons wegen) als „Reformfaschismus“ – Rösers Zeitschrift müsse wohl umbenannt werden in „Antichrist in der Gegenwart“ –, spendete die Mehrheit der katholischen Journalisten gleichwohl artig bis lebhaft Beifall.

Mehr jedenfalls als dem folgenden Statement: „Zum kulturellen und medialen Umfeld der Kirchenkrise“ von Alexander Görlach. Der Herausgeber und Chefredakteur „The European“ (Berlin) verortete das Internet „außerhalb von Raum und Zeit“ – „wie Gott“ – und sah es zugleich als Ausdruck und Verstärker einer Zentralität des Individuums in der westlichen Kultur.

Die Behauptung von Metaphysik als Annahme einer „Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit“ stehe „in Frage heute“, die Gottesfrage werde jedenfalls in Berlin-Mitte nicht mehr gestellt.

Zugleich lasse „die Sprechfähigkeit der kirchlichen Akteure rapide nach“; die katholische Bischofskonferenz habe den „Weggang Kardinal Lehmanns noch nicht diskursiv verkraftet“, konkretisierte der ehemalige Mainzer Priesteramtskandidat seine These, und fügte als Negativbeispiel den Essener Bischof Overbeck und seinen missratenen Auftritt bei Anne Will zum Thema Homosexualität an. Wer sich so einlasse, sei in der Öffentlichkeit „nicht mehr satisfaktionsfähig“.

Als weiteres Beispiel nannte er die dramatische Beschwörung eines „Dammbruchs“ in der PID-Debatte: Gebe es nicht auch „ein Recht des Kindes darauf, gesund geboren zu werden?“ Für diese eigentümliche Betrachtung von Kinderrechten muss man das fundamentalere Recht, überhaupt geboren zu werden, allerdings ausblenden.

Kritisiert wurde in der Aussprache auch, dass die Forderung nach „Sprechfähigkeit“ und „Anschlussfähigkeit“ faktisch eine Tendenz begünstigen könne, abweichende Meinungen zu disqualifizieren und auf den Weg des Mainstreams zu zwingen und die biblische Forderung nach Hörfähigkeit („Höre Israel!“, „Wer Ohren hat zum Hören, der höre!“) zu vernachlässigen. Die Propheten des Alten Bundes seien zweifellos „sprechfähig“ gewesen und vom Volk trotzdem oft abgelehnt worden. Heute würde man ihnen wahrscheinlich auch vorhalten, nicht „anschlussfähig“ zu sein.

Es blieb dem Kölner Weihbischof Heiner Koch vorbehalten, abschließend eine systematische Klärung des aktuellen Verhältnisses von Kirche und Medien zu leisten. Sein Auftrag laut Programm: „Spiegelung der Spiegelungen der Kirche in den Medien. Ein bischöflicher Zwischenruf“ entpuppte sich in einer dichten halben Stunde als weit mehr als dies.

Analytisch, visionär und klar strukturiert trug Koch jeweils drei Punkte zum Dreischritt: Chancen, Gefahren und Anforderungen kirchlicher Medienpräsenz vor. Er verwies dankbar auf die „riesige“ Präsenz der Kirche in der lokalen Presse und betonte, dass man viele Menschen heute nur noch so kommunikativ erreiche.

Gottesdienstübertragungen, die oft sehr professionell und geradezu kunstvoll vorbereitet würden, seien für viele ein Segen. Beim Weltjugendtag in Köln habe die Teilnehmerzahl sicher auch dadurch von Tag zu Tag zugenommen. Außerdem nähmen die Medien auch eine Thematisierungsfunktion wahr, von der die Kirche dort, wo sie selbst zur Bequemlichkeit neige, lernen könne.

Gefährlich sei die Schnelligkeit der Medien: Alles müsse aktuell, knapp, prägnant und einfach dargestellt werden. Unter dem Druck dieser medialen Logik fänden Prozesse und differenzierte Argumentationen oft „keine Gnade“. So sei es beispielsweise schwierig, den Zölibat zu erklären als eschatologisches Zeichen, als Ausdruck einer persönlichen Gottesbeziehung und als Solidarität mit den Menschen, die allein lebten.

Die emotionale Wucht einer kurzen, einseitigen TV-Einspielung zum Thema „wiederverheiratete Geschiedene“ könne eine Abwägung unterschiedlicher Perspektiven, wozu auch jene von verlassenen Ehepartnern gehörten, geradezu unmöglich machen.

Zweitens drohe die Möglichkeit, als passiver Medienkonsument andere öffentlich „glauben zu lassen“, den persönlichen Glauben als eigentlich aktiven, dynamischen Prozess zu untergraben. Dies umso mehr, als Religion in den Medien meist Kirchen-fixiert sei. Man könne die Kirche aber auch zu wichtig nehmen, so dass Glaubensfragen und die Ausrichtung auf Jesus Christus „unterbelichtet“ blieben.

Die Zeugnisfähigkeit der Christen sei herausgefordert, wenn etwa eine Schulklasse die Frage: „Wovon wollen Sie erlöst werden?“ nur noch mit schallendem Gelächter beantworte oder mit der brüsken Replik: „Ich will nicht Gnade, ich will mein Recht“.

Bei der Sexualethik empfehle es sich, viel „grundsätzlicher einzusteigen“, als dies inzwischen üblich sei. Die Kirche müsse nicht nur selbst reden, sondern auch wieder das Hören lernen und lehren, damit die Menschen nicht nur das zu hören vermöchten, was sie selbst erwarteten. „Wehe, wenn eine Kirche nicht mehr sperrig ist, wenn ich mich an ihr nicht mehr reiben kann!“, plädierte Koch für ein klares Profil.

Man dürfe „nicht auf jedes Thema draufspringen“, das sich schon morgen – wie etwa die Schweinegrippehysterie – ganz anders darstellen oder erledigt haben könne. In der innerkirchlichen Streitkultur gelte es, „erst mal zu verstehen, statt den anderen als Gefährdung zu sehen“.

Seine dritte Maxime: „Nähe zu den Menschen“ vermochte er an eindrucksvollen Basiserfahrungen zu verdeutlichen, vom Baumarkt bis zur Prinzengarde, als deren Regimentsbischof er fungiert. Diese Bodenständigkeit lehrte ihn auch die Einsicht: „Die Sprache gibt es nicht mehr“. „Sprechfähigkeit“ bedeutet schon deshalb mehr als Anpassung an den gerade aktuellen dominierenden Jargon.

Weihbischof Kochs Satz: „Je kirchenferner die Einrichtung, desto herzlicher wird man aufgenommen“ spricht Bände. Sind es nicht auch meist „säkulare“ Journalisten, welche die Kirche in den letzten Jahren am klügsten und leidenschaftlichsten verteidigten, während in manchen kirchlichen bzw. katholischen Redaktionen „ein grauer Nörgelton“ (Heinz-Joachim Fischer) vorherrscht?

Das von den „Reformern“ sonst so gepriesene Konzil forderte eine katholische Presse, „die diesen Namen wirklich verdient“; Aufgabe der Laien sei es, „die sozialen Kommunikationsmittel mit echt humanem und christlichem Geist zu beseelen“ und „öffentliche Meinungen zu bilden, zu festigen und zu fördern, die mit dem Naturrecht und den katholischen Lehren und Grundsätzen übereinstimmen“ (Inter Mirifica, Nr. 3 und 14).

Die hier noch wie selbstverständlich vorausgesetzte Affinität von Medienberuf und Missionsberufung scheint der Mainstream deutscher katholischer Journalisten heute rundweg abzulehnen. Und keiner der Bischöfe, die üblicherweise bei der Verleihung des Katholischen Medienpreises sprechen, würde ein Widerwort dagegen im Sinne der Konzilsväter wagen. Auch dies sollte nicht übersehen, wer sich über den rapiden Verfall katholischen Christentums in Deutschland wundert.

Zwar gilt die „relative Autonomie der Kultursachbereiche“ (Gaudium et Spes, Nr. 36) auch für die Medien und darf der katholische Journalist nicht mit einem bloßen Propagandisten oder „Transmissionsriemen“ des Lehramts verwechselt werden; doch sollten das „Sentire cum ecclesia“, eine (durchaus kritische) Loyalität zu den Apostelnachfolgern und eine Übereinstimmung mit den wesentlichen Glaubenslehren der Kirche erkennbar bleiben.

In dieser Hinsicht hat die Katholische Publizistik in Deutschland noch einen „Dialogprozess“ über ihr eigenes Rollenverständnis nötig, als dessen Testlauf das Bonner Symposium vielleicht ein wenig gedacht, aber in Zusammensetzung, Regie und Substanz noch nicht wirklich überzeugend war.


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