Erzbischof Zollitsch zieht Resümee zum Papstbesuch

29. September 2011 in Deutschland


DBK-Vorsitzender: Die Auftaktveranstaltung des kirchlichen Gesprächsprozesses im Juli in Mannheim habe genau diese Hervorhebung des Glaubens, wie sie Papst Benedikt betonte, auf die Formel gebracht: „Im Heute glauben“.


Berlin (kath.net/dbk) Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, hat beim Michaelsempfang des Katholischen Büros in Berlin ein erstes Resümee zum Papstbesuch gezogen. Mit Blick auf die Rede von Papst Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag sagte Erzbischof Zollitsch am Mittwochabend in Anwesenheit von Bundespräsident Christian Wulff und Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Medien: „Respekt vor dem Menschen, eine integrale Sicht der Natur und das Eingeständnis der Grenzen, die der Politik und dem Mehrheitsprinzip gesetzt sind: das sind und bleiben Merkmale einer humanen, im besten Sinn des Wortes natur- und vernunftrechtlich vertretbaren Politik.“

Für diesen „vertieften, ganzheitlichen Ansatz des politischen Denkens und der politischen Arbeit“ habe der Papst mit seiner Rede geworben. Die katholische Kirche wisse sich daher in die Pflicht genommen, „aus der Weisheit der christlichen Denktraditionen und ihrer kulturprägenden Kraft nach besten Kräften zum Wohl der Menschen und zum Gelingen des Gemeinwesens beizutragen.“ Sie werde sich daran messen lassen müssen.

Der Papst habe Mut gemacht, „den persönlichen Glauben an Gott zu wagen“, sagte Erzbischof Zollitsch weiter. „Der Besuch des Heiligen Vaters entzieht sich einer vordergründigen politischen Deutung und auch manchen Denkschablonen, die in den Medien da und dort angewandt werden.

Papst Benedikt ging es ganz elementar um den christlichen Glauben. Ihm ging es um den Kern des Evangeliums: Der Mensch findet seine letzte Erfüllung bei Gott. Der Glaube an Jesus Christus befreit aus der Enge bloß innerweltlicher Bezüge. Er ist die Antwort auf die existenziellen Fragen nach dem Woher und Wohin des menschlichen Lebens.“

Mit Blick auf das Ökumene-Treffen im Erfurter Augustinerkloster sagte Zollitsch: „Manche haben Gefühle der Enttäuschung darüber geäußert, dass Papst Benedikt keine konkreteren Schritte ökumenischer Verständigung vorgeschlagen hat. Vielleicht missversteht man die Geste, die ein solches Treffen darstellt, wenn man es – in der Logik politischer Prozesse – auf handhabbare Ergebnisse hin befragt.“

Den Schlüssel für die weiteren Gespräche zwischen Deutscher Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland habe Papst Benedikt „uns gegeben durch sein beharrliches Bestehen darauf, dass für das gemeinsame Leben aller Christen der Glaube die erste Priorität haben muss.“ Zudem habe der Papst „öffentlich anerkannt, dass Martin Luther ein zutiefst gläubiger Mensch war. Es ist sicher nicht falsch zu sagen, dass er sich in diesem Sinn auf den Reformator hinbewegt hat.“

Zur Freiburger Konzerthaus-Rede sagte Erzbischof Zollitsch: „Dem Heiligen Vater geht es um etwas ganz Entscheidendes: um die Mahnung nämlich, uns nicht in der Sorge um uns selbst zu verlieren, sondern uns auf das Zeugnis des Glaubens in der Welt von heute zu konzentrieren.

Vielleicht wollte Papst Benedikt gerade uns Deutschen, die gerne organisieren, strukturieren und reformieren, nochmals einschärfen: Lasst euch vom Geist des Evangeliums leiten; Strukturen sind nur Mittel und niemals Zweck kirchlichen Handelns.“ Die Auftaktveranstaltung des kirchlichen Gesprächsprozesses im Juli in Mannheim habe diese Hervorhebung des Glaubens auf die Formel gebracht: „Im Heute glauben“.

Zu Vermutungen, der Papst strebe eine Änderung des bewährten Gefüges der Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland an, sagte Zollitsch: „All dies sind verständliche Fragen der Auslegung, die der Erörterung bedürfen und bei denen es auch streitige Diskussionen geben wird. Mir scheint es eher abwegig zu sein, den Papst für all das in Anspruch zu nehmen, hat er doch mehrfach die Kirche, ja alle Christen ermutigt, die Gesellschaft im Geist Jesu Christi zu prägen und sich so mitten hinein in die Fragen und Sorgen der Menschen von heute zu begeben.“

Ansprache des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, beim St. Michael-Jahresempfang in Berlin am 28. September 2011

„Wo Gott ist, da ist Zukunft“.
Der Papstbesuch in Deutschland – eine erste Nachlese

Am Sonntagabend reiste Papst Benedikt nach Rom zurück. In vier prall gefüllten Tagen ist er zahllosen Menschen in persönlichen Gesprächen, bei über zwanzig Ansprachen und in bewegenden Gottesdiensten begegnet. Heute Mittag hat der Papst selbst eine Rückschau auf seine Reise nach Deutschland gehalten.

Er hat sich dabei dankbar geäußert für die offene Aufnahme, die er in seinem Heimatland gefunden hat. Es fügt sich gut, dass heute der Michaelempfang stattfindet und ich die Gelegenheit habe zu einer ersten, kurzen Bilanz und zu einem Ausblick. So begrüße auch ich Sie alle von ganzem Herzen zum heutigen Abend – wobei mein Gruß in diesem Jahr in besonderer Weise durch eine herzlich empfundene Dankbarkeit geprägt ist.

Das politische Berlin hat den Heiligen Vater mit offenen Armen empfangen. In einem Gespräch gleich zu Beginn der Reise hat er mir anvertraut, wie tief ihn die Begrüßung im Schloss Bellevue berührt hat. Sie hat ihm ein Gefühl großer Nähe vermittelt.

Dasselbe gilt für die die Erfahrungen in den Bundesländern Berlin, Thüringen und Baden-Württemberg. Auch hier haben die politischen Autoritäten Papst Benedikt spüren lassen, dass er willkommen ist und mit Freude erwartet wird. An diesem herzlichen Empfang haben sehr viele Menschen Anteil, auch viele Anwesende.

Ich will an dieser Stelle unseren Dank einer Person sagen, die ihn stellvertretend für alle anderen entgegennehmen möge: Ihnen, sehr verehrter Herr Bundespräsident! Sie haben Papst Benedikt zu seinem offiziellen Besuch unseres Landes nachdrücklich eingeladen. Und Sie haben großen Anteil daran, dass er ungeachtet aller Strapazen einer solchen Reise gerne zu uns gekommen ist. Sie haben den Heiligen Vater mit sehr persönlichen Worten begrüßt, ihn an die zentralen Orte seiner Reise begleitet und auch in Freiburg verabschiedet.

Bitte lassen Sie alle Repräsentanten der Verfassungsorgane wie auch die Verantwortlichen in den Bundesländern wissen: Unser Heiliger Vater hat sich in Deutschland sehr zu Hause und beheimatet gefühlt.

Der Besuch des Heiligen Vaters entzieht sich einer vordergründigen politischen Deutung und auch manchen Denkschablonen, die in den Medien da und dort angewandt werden. Papst Benedikt ging es ganz elementar um den christlichen Glauben. Ihm ging es um den Kern des Evangeliums: Der Mensch findet seine letzte Erfüllung bei Gott. Der Glaube an Jesus Christus befreit aus der Enge bloß innerweltlicher Bezüge.

Er ist die Antwort auf die existenziellen Fragen nach dem Woher und Wohin des menschlichen Lebens. Die Menschen, die an den großen Liturgien in Berlin, im Eichsfeld, in Erfurt und bei uns in Freiburg teilnahmen, konnten spüren: Papst Benedikt warb unter Einsatz seiner ganzen Kraft und mit der Autorität nicht nur seines Amtes, sondern der Glaubenserfahrung seines eigenen langen Lebens für diese Botschaft; und er machte Mut, den persönlichen Glauben an Gott zu wagen.

Es ist der Glaube an einen Gott, der uns Menschen – so sagte der Papst schon im Schloss Bellevue – auch heute in vielfältiger Form begegnet, nicht zuletzt im Antlitz und in der helfenden Hand von Menschen, die sich in Nächstenliebe und Solidarität für andere einsetzen.

Es ist der Glaube an einen Gott, für den die heiligen Patrone der vom Papst besuchten Bistümer Zeugnis ablegen – allen voran die Mutter Gottes, deren Fürsprache Papst Benedikt gemeinsam mit über 90.000 Gläubigen in einem von allen früheren politischen Grenzen nun frei gewordenen Eichsfeld erflehte.

In den Tagen nach der ökumenischen Begegnung im Erfurter Augustinerkloster bin ich oft nach der Bedeutung und dem Ertrag dieses Treffens gefragt worden. Manche haben Gefühle der Enttäuschung darüber geäußert, dass Papst Benedikt keine konkreteren Schritte ökumenischer Verständigung vorgeschlagen hat.

Vielleicht missversteht man die Geste, die ein solches Treffen darstellt, wenn man es – in der Logik politischer Prozesse – auf handhabbare Ergebnisse hin befragt. Auf jeden Fall ist die Aufdeckung der konkreten Impulse, die aus dem Erfurter ökumenischen Treffen erwachsen, nun dem Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland aufgegeben. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf das Reformationsgedenken des Jahres 2017.

Den Schlüssel für diese weiteren Gespräche aber hat Papst Benedikt, dessen bin ich mir ganz sicher, uns gegeben durch sein beharrliches Bestehen darauf, dass für das gemeinsame Leben aller Christen der Glaube die erste Priorität haben muss. Der Heilige Vater ließ keinen Zweifel daran, dass es Martin Luther mit seiner immensen geistlichen Kraft um diesen Glauben und um einen Gott der Gnade, Barmherzigkeit und Liebe zu tun war – und nicht etwa um die Spaltung der westlichen Christenheit.

Diese Frage nach der Gnade und nach der Freiheit von einem heute oft so gnadenlosen Zwang zur Selbstbehauptung und Selbstoptimierung ist von höchster Aktualität. Diese Frage beschäftigt auch das gesellschaftspolitische Denken der Kirchen, wie viele Debatten zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, zur Familienpolitik und zum Schutz des menschlichen Lebens in allen Phasen seiner Existenz beweisen.

Der Papst hat öffentlich anerkannt, dass Martin Luther ein zutiefst gläubiger Mensch war. Es ist sicher nicht falsch zu sagen, dass er sich in diesem Sinn auf den Reformator hinbewegt hat. Der Ort von ökumenischem Gespräch und Gottesdienst im früheren Kloster des Augustinermönchs war dafür ein ausdruckstarkes Symbol.

Wichtig ist jetzt die Frage: Wie können sich katholische und evangelische Christen in Deutschland noch stärker die gemeinsamen Glaubenswurzeln neu aneignen; wie die gemeinsame Verantwortung für die Geschichte des Christentums und die gemeinsame Zukunftshoffnung zu Eigen machen und dafür Zeugnis geben?

Ob dazu eine kritische Relecture auch des Umgangs der Kirchen miteinander und ein wechselseitiges Eingeständnis schuldhafter Anteile und verpasster Chancen gehört, ist eine Fragestellung, die mich persönlich in diesen Tagen besonders beschäftigt.

In besonderer Weise war die Forderung nach der wirksamen Verkündigung des Glaubens in der Welt von heute das Thema der Rede im Freiburger Konzerthaus. Auch sie hat Nachfragen provoziert. Es wurde vermutet, der Papst strebe eine Änderung des bewährten Gefüges der Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Deutschland an. Es wurde gefragt, ob Papst Benedikt der Kirche in Deutschland einen Rückzug aus dem öffentlichen Engagement anraten wolle.

All dies sind verständliche Fragen der Auslegung, die der Erörterung bedürfen und bei denen es auch streitige Diskussionen geben wird. Mir scheint es eher abwegig zu sein, den Papst für all das in Anspruch zu nehmen, hat er doch mehrfach die Kirche, ja alle Christen ermutigt, die Gesellschaft im Geist Jesu Christi zu prägen und sich so mitten hinein in die Fragen und Sorgen der Menschen von heute zu begeben.

Schließlich dürfen wir auch das sehr positiv aufgenommene Gespräch mit Vertretern des Islam nicht außer Acht lassen. Es war durch das Einvernehmen darüber gekennzeichnet, dass es vor allem um die Einbeziehung muslimischer Gläubiger in das System der Freiheiten geht, die das Recht den Kirchen und religiösen Gemeinschaften einräumt. Recht muss natürlich allgemein sein, Privilegien beansprucht die Kirche nicht.

Seine Wertschätzung unseres Grundgesetzes und der Demokratie hat Papst Benedikt sowohl in Berlin als auch im Gespräch mit den Verfassungsrichtern unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Dies hebe ich im Blick auf die heutigen Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag des Bundesverfassungsgerichts besonders hervor.

Dem Heiligen Vater geht es um etwas ganz Entscheidendes: um die Mahnung nämlich, uns nicht in der Sorge um uns selbst zu verlieren, sondern uns auf das Zeugnis des Glaubens in der Welt von heute zu konzentrieren. Vielleicht wollte Papst Benedikt gerade uns Deutschen, die gerne organisieren, strukturieren und reformieren, nochmals einschärfen: Lasst euch vom Geist des Evangeliums leiten; Strukturen sind nur Mittel und niemals Zweck kirchlichen Handelns.

Die Auftaktveranstaltung unseres kirchlichen Gesprächsprozesses hat diese Hervorhebung des Glaubens auf die Formel gebracht: „Im Heute glauben“. Dies ist das Ziel des geistlichen Weges, das Ziel des gemeinsamen Hörens auf Gott und aufeinander. Es ist ein Ziel, das nicht nur durch und durch human und auf das Wohl und Heil der Menschen bezogen ist, sondern tief im Wirken und der Verkündigung Jesu Christi wurzelt.

Gestatten Sie mir, werte Gäste, einige wenige Überlegungen zu den politischen Implikationen der Reise von Papst Benedikt hinzuzufügen. Der Glaube hat schließlich Konsequenzen für die bürgerliche Existenz von uns Christen und unser öffentliches Wirken. In der jüngeren Geschichte ist dies besonders im Protest der ostdeutschen Christen gegen die Unfreiheit im sozialistischen Staat zum Ausdruck gekommen. Der Besuch des Papstes in Thüringen – im Osten Deutschlands – war eine erneute Manifestation seiner Wertschätzung der katholischen und evangelischen Christen, die sich der Enge und Freiheitsberaubung des früheren Systems widersetzt haben.

Zugleich interpretieren die Worte des Papstes in Ostdeutschland die zentralen Gedanken seiner Rede im Deutschen Bundestag. Dort hat er eine positivistische Verkürzung des Verständnisses von Vernunft und Natur kritisiert. Zugleich hat er für einen vertieften, ganzheitlichen Ansatz des politischen Denkens und der politischen Arbeit geworben.

Waren doch die Diktaturen des 20. Jahrhunderts von Verkürzungen und Engführungen gekennzeichnet, welche das Elend einer von allen sittlichen Bindungen losgelösten Vernunft beweisen und einen geradezu entfesselten Machbarkeitswahn bezeugen. Respekt vor dem Menschen, eine integrale Sicht der Natur und das Eingeständnis der Grenzen, die der Politik und dem Mehrheitsprinzip gesetzt sind: das sind und bleiben Merkmale einer humanen, im besten Sinn des Wortes natur- und vernunftrechtlich vertretbaren Politik.

Für sie hat der Papst geworben, wenn er hervorhebt: „Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“

Ich freue mich, dass er mit seinen Gedanken in weiten Kreisen unserer Gesellschaft Diskussionen und Gespräche angeregt hat. Ich hoffe, dass sie fruchtbar verlaufen werden. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren: Die Kirche in Deutschland sieht sich durch die Worte von Papst Benedikt darin bestärkt, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft auch künftig engagiert und praktisch-helfend zu begleiten.

Wir wollen daran mitwirken, dass unser Gemeinwesen umfassend gelingt und durch das Streben nach Gerechtigkeit, verantworteter Freiheit und Frieden geprägt wird. Ich habe nur einige Höhepunkte des Besuchs unseres Heiligen Vaters in Deutschland beleuchten können. Weiter wird es Gelegenheit geben, sie an anderer Stelle zu bedenken.

Lassen Sie mich abschließend kurz der Frage nachgehen: Was ist das Vermächtnis dieses Besuchs? Was folgt aus diesen Tagen?

Zum einen: Wir haben eine starke emotionale Bindung der katholischen Gläubigen an den Papst und an die weltweite Kirche gespürt. Und umgekehrt! In einer kurzen, spontanen Ansprache an die deutschen Bischöfe äußerte Papst Benedikt, er wisse sich von uns getragen und gestützt.

Wer dem Papst während der Tage in Deutschland nahe war, konnte erleben, wie sehr ihn die Offenheit und Begeisterung der Menschen bewegt und gestärkt haben. Diese Verbundenheit ist entscheidend. Sie zählt vor allem dann, wenn im Nachdenken auch über Themen und Weisungen des Lehramtes eine Vielfalt an Stimmen zu hören ist.

Ein zweiter wichtiger Impuls der Reise: Die Kirche in unserem Land wird verstärkt der Frage nachgehen, wie sie der zentralen Bedeutung des Glaubens einen vertieften Ausdruck verleihen kann. Sie darf dabei auf Gott vertrauen, „dessen Macht“, so sagte es Papst Benedikt bei der Eucharistiefeier in Freiburg, „sich vor allem im Erbarmen und im Verzeihen zeigt.

Und seien wir sicher, Gott sehnt sich nach dem Heil seines Volkes, sein Herz schlägt für uns.“ Ja, das ist das Entscheidende: die Zuwendung Gottes zu uns Menschen ist es, die uns Kraft und Hoffnung gibt. Die Kirche lebt aus dem Glauben an Jesus Christus, nicht aus der Nützlichkeit für die Gesellschaft. Sie ist nicht gegründet als Agentur der Sinnstiftung und Wertevermittlung, sondern als Ort der Begegnung von Gott und Mensch.

Deshalb soll sie der Welt zugetan sein und in der Welt und unter deren Bedingungen wirken, aber so – der Papst sagt: entweltlicht –, wie es dem Glauben an den Sieg von Gottes Möglichkeiten entspricht, die das Vermögen des Menschen unendlich überschreiten.

Gestatten Sie mir einen dritten Impuls zu benennen, der mir wichtig erscheint: Die Zerrissenheit und Aufspaltung der Christen ist und bleibt ein Ärgernis, das überwunden werden muss. „Das Notwendigste für die Ökumene“, so hat es Papst Benedikt in Erfurt eindrucksvoll formuliert, „ist zunächst einmal, dass wir nicht unter dem Säkularisierungsdruck die großen Gemeinsamkeiten fast unvermerkt verlieren, die uns überhaupt zu Christen machen und die uns als Gabe und Auftrag geblieben sind.

Es war der Fehler des konfessionellen Zeitalters, dass wir weithin nur das Trennende gesehen und gar nicht existentiell wahrgenommen haben, was uns mit den großen Vorgaben der Heiligen Schrift und der altchristlichen Bekenntnisse gemeinsam ist. Es ist der große ökumenische Fortschritt der letzten Jahrzehnte, dass uns diese Gemeinsamkeit bewusst geworden ist.“

In diesem Sinn freuen wir uns auf die nächsten Begegnungen mit der evangelischen Kirche und auf das weitere Gespräch mit den Orthodoxen in Deutschland.

Und schließlich: Die katholische Kirche weiß sich in Pflicht genommen, aus der Weisheit der christlichen Denktraditionen und ihrer kulturprägenden Kraft nach besten Kräften zum Wohl der Menschen und zum Gelingen des Gemeinwesens beizutragen. So hat es der Papst in seiner Bundestagsrede getan. Wir werden uns daran messen lassen müssen.

Werte Damen und Herren! Ich durfte den Heiligen Vater während seiner ganzen Reise aus nächster Nähe erleben und konnte viele Gespräche mit ihm führen. Das hat, so spüre ich, mein Leben reicher gemacht. Der Papst ist nun wieder zu Hause in Rom. Zugleich ist er uns noch näher als vor seinem Besuch. Es beginnt wieder die Zeit des Alltags, der Weg der Bewährung. Ich würde mich freuen, wenn wir ihn gemeinsam gehen und schon die Begegnungen am heutigen Abend nutzen, um miteinander ins Gespräch zu kommen über den rechten Weg von Kirche und Gesellschaft in die Zukunft. Im festen Vertrauen darauf: „Wo Gott ist, da ist Zukunft.“


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