Das Christentum ist so einmalig wie sein Gründer

22. September 2011 in Spirituelles


Fuldaer Bischof Algermissen: „Es gibt keine andere Religion, die so ehrlich den Blick in die Wirklichkeit aushält wie unsere Religion.“


Hanau (bpf). „Die Kniebeuge vor dem Kreuz ist je ein Sich-Hineinknien in die Wirklichkeit der Welt, und es gibt keine andere Religion, die so ehrlich den Blick in die Wirklichkeit aushält wie unsere Religion.“ Das betonte Bischof Heinz Josef Algermissen am Sonntag in Hanau-Steinheim. Der Oberhirte feierte ein Pontifikalamt auf dem Wallfahrtsplatz vor St. Nikolaus anlässlich der Kreuzwallfahrt. Das Christentum sei so einmalig wie sein Gründer, der überhaupt nicht auf eine Stufe zu stellen sei etwa mit Buddha, Mohammed oder Konfuzius, hob Algermissen hervor. Das Christentum blicke niemals weg, es blicke hin, und auch Gott schaue nicht weg, sondern liebend hin.

Der Bischof unterstrich eingangs, dass man sich heute an den Anblick des Kreuzes gewöhnen könne, denn viele Kreuze baumelten beziehungslos und „zum Schmuck verkommen“ an den Hälsen. Dabei sei das Kreuz doch das Fremdeste, was es gebe, etwas, woran man sich im Grunde nie gewöhnen dürfe. „Im Kreuz blicken wir in den Abgrund der menschlichen Gewalttätigkeit und der göttlichen Gewaltlosigkeit – hier schneiden sich die Linien von Gott und Mensch“, machte Algermissen deutlich. Die Gewalt der Menschen rufe die Gewaltlosigkeit Gottes, und die Gewaltfreiheit Gottes habe die Gewalt der Menschen auf den Plan gerufen. Das Kreuz sei ein abgründiges Geheimnis, so der Bischof.

„Wenn ich heute Ihr wunderbares Gnadenkreuz tragen durfte und wir unsere Anliegen, Nöte und Ängste dem Kreuz übergeben konnten, fühlen wir uns vom Gekreuzigten getragen“, so der Bischof zu den Gläubigen. Unvorstellbar groß sei das Böse in dieser Welt, das einen Drang zur Gewalt habe: Gewalt gegen Fremde, die nicht dazugehören, Gewalt im Sport, Gewalt in den Klassenzimmern unserer Schulen, Gewalt gegen die Natur, die in einem unvorstellbaren Maß zu einem Aussterben von Arten geführt habe, stellte der Bischof heraus. Das alles sei im Abgrund des Kreuzes enthalten, dem wir nicht ausweichen sollten: wir sollten hinblicken in diesen Abgrund, hinter dem die Sünde stehe, betonte Algermissen.

Der Begriff der Sünde sei im Alltagsgebrauch durch „Verkehrssünder“, oder wenn man zuviel gegessen habe, verharmlost worden, so der Bischof weiter. „Aber was eigentlich gemeint ist, diese Abgründigkeit des Bösen, an der wir teilhaben, auch wir, nicht nur die anderen: Das ist Sünde.“ Wenn man anstelle von Sünde den Begriff „Gewalt“ setze, werde deutlich, was bezüglich Jesu gemeint sei: „Seht das Lamm Gottes, das die Gewalt der Welt hinwegnimmt“. Die Gewaltbereitschaft der Menschen bezeichnete der Fuldaer Oberhirte als die Kapitalsünde, angesichts deren gleichzeitig der andere Abgrund sichtbar werde, die Liebe und Gewaltlosigkeit Gottes. Indem der Sohn Gottes den Menschen gleich und ohnmächtig geworden sei, habe Gott auf seine Göttlichkeit und den damit verbundenen Anspruch verzichtet, fuhr Bischof Algermissen fort. Damit verzichte Gott auf Durchsetzung mit Gewalt und lasse sich lieber von der Durchsetzung der Menschengewalt treffen. „Von sich aus, aus Liebe, hat Gott diesen Schritt in seinem Sohn zu uns getan, nicht, weil er Blut brauchte, um versöhnt zu werden. Das wäre ein grausames Gottesbild.“ Gott sei von sich aus auf die Menschen zugegangen und habe sich mit ihnen versöhnt, betonte Algermissen. Nicht Gott habe seinen Sohn umgebracht, sondern die Welt sei es gewesen. „Das ist ein großes Geheimnis, dass Gott es ausgehalten hat, dass er uns die Versöhnung durch Jesus Christus in dieser Form schenkte, um auch deutlich zu machen, wie eigentlich die Welt wäre, wenn sie keine Sünde, keine Erbsünde hätte: ohne Gewalt“, hob der Bischof hervor.

Das sei die herrliche Vision jenes Friedens, der die Menschen im Reich Gottes erwarte, erinnerte Algermissen. Es sei alles verändernd, was die Christen angesichts des Kreuzes glaubten: Da, wo Gott ohnmächtig sei, sei er stark, und da, wo er zutiefst erniedrigt sei, sei er zugleich der höchste und herrliche Gott, der Gott der Liebe. „Das alles sollen wir sehen, wenn wir auf das Kreuz schauen und verehrend vor ihm unsere Knie beugen“, rief Bischof Algermissen auf.


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