Warum hassen diese Katholiken die Kirche?

10. Juli 2011 in Deutschland


In diesen aus allen Arbeitsgruppen von insgesamt ca. 30 Teilnehmern vorgetragenen Statements kam nicht ein einziges Mal Jesus Christus vor - Ein Kath.Net-Exklusivbericht von Bernhard Luthe, Teilnehmer an der "Dialog"-Veranstaltung in Mannheim


Köln (kath.net)
All unser geplantes Tun unterliegt in der Regel einer gewissen Zielsetzung. Wenn die deutschen Bischöfe einen „Dialogprozess“ ins Leben rufen, so ist zu fragen, welche Ziele damit verfolgt werden. Da sich dieses Dialogangebot wesentlich an die in den diversen Gremien organisierten Laien in der Kirche richtet, will man offensichtlich mit diesen ins Gespräch kommen. Nun ist bekannt, dass gerade durch viele dieser Vertreter schon seit Jahren Forderungen an die Kirche gestellt werden, die sich u.a. im sog. „Memorandum“ wiederfinden.

Angesichts dieser Lage muss man sich nun also wiederum fragen, welche Zielsetzung die Bischöfe mit diesem Dialog bezwecken. Wenn a priori von einigen Bischöfen gesagt wird, dass „Antworten auf gegenwärtige Fragen auf der Grundlage der Offenbarung und der Lehre der Kirche“ gesucht werden, „weil wir nur so in der Wahrheit unseres Glaubens und in der Gemeinschaft der Weltkirche bleiben“ können (Overbeck), dann können nach den Erfahrungen der ersten Veranstaltung Bedenken entstehen.

Entweder war es dann unüberlegt einen solchen Dialogprozess zu initiieren, weil damit die Forderungen vieler Laienvertreter ins Leere laufen und damit noch mehr Frustration als vorher erzeugt wird. Denn die bei der ersten Dialogveranstaltung vorgebrachten Forderungen stehen – teilweise – eindeutig nicht auf der Grundlage der Lehre der Kirche und widersprechen damit dem Glauben der Weltkirche.

Oder aber die Initiatoren des Dialogprozesses verfolgen andere Ziele bzw. bezwecken tatsächlich mit diesem fünfjährigen Prozess eine langsame Umwandlung in Richtung eines nationalen Sonderweges. Die gestellten Forderungen wie dem „Diakonat der Frau“ (als erste Stufe mit dem Fernziel der Frauenordination) oder die „Viri probati“ und „Mulieres probatae“ sind kaum überraschend oder gar neu, wurden aber mit Vehemenz vorgebracht, auch mit dem großen Bedauern über die „Machtlosigkeit der Frau in einer männerregierten Kirche“.

Viele der vorgebrachten Thesen sind jedenfalls eindeutig nicht mit der Lehrmeinung der katholischen Kirche zu vereinbaren. Ergo ist die angestrebte (gewünschte?) Veränderung der deutschen Kirche ein eigenständiger Weg, welcher bei konkreter Umsetzung dann nur noch mit dem bösen Wort „Schisma“ umschrieben werden kann. Dies scheint insbesondere das Schicksal der ecclesia teutonica zu sein.

Aber wem wäre damit geholfen? Spaltung hat die Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte noch nie attraktiver gemacht. Die evangelische Schwesterkirche ist beispielsweise in ca. 20.000 Denominationen aufgespalten. Die Trennung der Kirche war wohl kaum im Sinne ihres Stifters Jesus Christus. Die Glaubwürdigkeit von Kirche wird damit jedenfalls nicht erhöht. Vielleicht wird sich der ein oder andere an dieses Wort Jesu erinnern: „Jedes Reich, das in sich gespalten ist, geht zugrunde“ (Mt 12,25). Kann das das langfristige Ziel der „deutschen Kirche“ sein? Wollen wir, dass die Kirche in Deutschland (noch weiter) zugrunde geht?

Die erste Dialogveranstaltung behält für mich jedenfalls einen faden Beigeschmack. Es trat dort so viel Ungeklärtes und auch Unkluges zutage. Auf meinen begeisterten Bericht von der Veranstaltung „Nightfever“ in einer Arbeitsgruppe war der Kommentar eines Paters: „... mit Kerzen anzünden können wir unsere Kirche nicht verändern“. Als ich von der verändernden Kraft durch das Gebet vor dem ausgesetzten Allerheiligsten sprach, welches doch insbesondere im Wirken von Mutter Teresa zum Ausdruck gekommen sei, erwiderte der gleiche Geistliche: „Ich brauche nicht vor dem Allerheiligsten zu beten. Mir genügt auch die Laudes“.

Ich habe auch solche Aussagen gehört: „Nicht mehr reden, Forderungen stellen und handeln: jetzt!“ oder „Es ist Zeit, dass wir etwas tun. Wir haben genug geredet“.

Unüberhörbar waren auch viele so oder ähnlich geäußerte und geschriebene Statements: „Ich leide als Frau an der Machtfrage“, „Die Kirche ist die einzige Institution, wo die Frauen noch keine Rechte haben“, „Wir brauchen eine neue Sprache in der Kirche“, „Wir brauchen die Laienpredigt“ u.v.m.

Das Resümee, welches eine namhafte Teilnehmerin und Mitglied eines gewissen Zentralkomitees im Plenum zufrieden äußerte war dies: „Das Wort Rom ist gestern und heute kein einziges Mal gefallen.“ Und der unüberhörbare Kommentar eines Gremiumvertreters in meiner Arbeitsgruppe war dieser: „Gott sei Dank“.

Ich erschrak selber über diese Frage, die in mir hochkam: „Warum hassen diese Katholiken die Kirche?“ Von allzu großer Liebe schienen mir solcherart Aussagen kaum geprägt. Zumindest standen zahlreiche Forderungen im Vordergrund. Und ein offensichtliches Leiden an der Kirche. Nun bin ich kein Psychologe, aber dass Menschen, die vornehmlich damit ihr Leben gestalten, indem sie fortwährend fordern und fordern und fordern, nicht unbedingt zu den glücklichsten gehören, das liegt auf der Hand.

„Dein Wille geschehe“, oft genug beten wir dies im Vaterunser. Und ganz früher wusste man noch um jene Tugend, die heute kaum noch zu vermitteln ist: den Gehorsam.
„Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen. Dieser religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten; ...“

Dieses Zitat stammt aus jenem Dokument, worauf sich auch viele Teilnehmer des Dialogprozesses ausdrücklich berufen haben, z.B. so: „Beschlüsse des II. Vatikanums ... sind umgesetzt und werden gelebt“ oder „Das ganze Konzil ist rezepiert und umgesetzt.“ Das Zitat vom „religiösen Gehorsam“ ist aus jenem II. Vatikanischen Konzil, nämlich Lumen Gentium, 25.

Ich grübelte darüber nach, welches Bild viele Teilnehmer von Kirche haben. Für einen Außenstehenden könnte vielleicht der Eindruck enstehen, dass die (deutsche) Kirche ein großer Caritasverein ist, der dem großen „historischen“ Sozialreformer Jesus folgt und dass es ihre Aufgabe im Heute ist, sich um sozial Vernachlässigte und Entrechtete zu kümmern, insbesondere um Frauen, Geschiedene und Homosexuelle sowie um deren Gleichberechtigung zu kämpfen. Zu diesem Schluss könnte man jedenfalls gelangen, wenn man die zahlreichen Resümees und Statements Revue passieren lässt. Und Erinnerungen an den Evangelischen Kirchentag in Dresden wurden wach.

Angesichts der zum Teil abenteuerlichen und gewagten Vorstellungen von Kirche, die in den Arbeitsgruppen und auch im Plenum zutage traten, habe ich jedenfalls einigermaßen frustriert und mit vielen Fragen den Heimweg angetreten: Wäre es spätestens angesichts dieser ersten Dialogveranstaltung in Mannheim nicht naheliegend für die Bischöfe, zu fragen, ob der Dialog mit den kirchenkritischen reformfreudigen Katholiken nicht eventuell vergebliche Liebesmüh ist?

Wäre es nicht vielleicht doch sinnvoller einmal den Dialog mit den Gruppierungen in der katholischen Kirche zu suchen, die in Mannheim nicht vertreten waren? Warum gab es eine derart einseitige Gewichtung auf Teilnehmer aus dem sog. progressiven Spektrum (Pfarrgemeinderats- und Diözesanratsvorsitzende, KFD- und ZDK-Vertreter, Caritasverbands- und diverse Gremiumvertreter)? Ist dies wirklich repräsentativ für die gesamte katholische Kirche in Deutschland? Ist die eventuell „schweigende Mehrheit“ damit auch vertreten? Aber auch: Kann über die Wahrheit demokratisch abgestimmt werden?

Warum wurden nicht Vertreter von beispielsweise Opus Dei, Legionäre Christi, Petition pro Ecclesia, Lebensschutzbewegungen (BvD, Alfa etc.), Jugend 2000, Generation Benedikt u.v.m. eingeladen? Haben diverse Bischöfe evtl. Angst vor jenen Vertretern, die eher dem sog. „konservativen“ Spektrum zuzuordnen sind?

In der Wirtschaftssprache: Wäre es nicht erfolgversprechender, wenn man mit den Mitarbeitern spricht, die ganz und gar hinter dem Unternehmen „Kirche“ stehen, sich nicht durch Forderungen und Nörgelei hervortun, sondern die meist still und bescheiden ihren Dienst im Hintergrund leisten, statt mit jenen, die die innere Kündigung pflegen, indem sie nörgeln, fordern und das Betriebsklima vergiften?

Vermutlich hat meine Kritik an der Kritik auf der Dialogveranstaltung etwas damit zu tun, dass ich ein vollkommen anderes Veständnis von Kirche habe, als viele andere Teilnehmer.

Für mich ist die Kirche wirklich und sogar sehr buchstäblich aus der Seitenwunde unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus hervogegangen, der sich für uns am Kreuz hingegeben hat.

Ist das alles romantischer Quatsch und Gefühlsduselei eines überspannten Fundamentalisten? Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Oder konnte das die heilige Katharina, von der diese Auslegung stammt, noch nicht richtig verstehen im 14. Jahrhundert? Sind wir aufgeklärte Katholiken da heute schon weiter? Oder sind wir nicht vielleicht schon ziemlich weit übers Ziel hinausgeschossen mit unserer heutigen Sichtweise von Kirche?

Aber der Blick auf die Heilige Schrift eröffnet uns ja noch weitere Perspektiven: Kirche ist „sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht.“ (Eph 1,23)
Schließlich ist sie die mystische Braut Christi (vgl. Eph 5,29.32).

Sodann hat der auferstandene Christus die Kirche auf den Jünger gegründet, der ihn verleugnet (!): „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Welche Liebe unseres Erlösers, der wir in Wort und in der Tat jeden Tag nacheifern sollen und dürfen!

Wesentlich wäre also, wenn wir von Seiner Kirche sprechen und nicht von unserer Kirche. Wir sind lediglich Verwalter und beauftragt, durch den Sohn im Heiligen Geist zu handeln. Das hat auch etwas mit Gnade zu tun.

Ich liebe die katholische Kirche. Wie könnte ich, wenn ich Christus gefunden habe, das was Ihm gehört, Seine Kirche, anders als lieben? Ich liebe Seine Kirche, weil ich weiß und sehe, dass die vielen Fehler eben nicht die Seiner Kirche sind, sondern die Fehler des Bodenpersonals. Wenn überhaupt, dann sind viele Glieder krank, aber nicht der gesamte Leib (vgl. Rö 12,4 + 1 Kor 12,12 ff).

So muss ich freimütig bekennen: Ich leide überhaupt nicht an der Kirche. Ich leide an der Sünde und an der Gottferne. Übrigens leide ich auch an und durch meine Sünden. Aber umso mehr freue ich mich, wenn ich dann im Sakrament der Versöhnung ganz und gar in den barmherzigen Armen meines Erlösers Friede und wieder die ursprüngliche Freude des Neugetauften empfangen darf. Und dieses Empfangen ist nur in den Sakramenten und damit durch Seine Kirche möglich. So singe ich gerne und überzeugt diesen Liedvers: „Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad in seine Kirch berufen hat; ihr will ich gläubig folgen!“ (GL 965)

Wollen wir das Wunder, das Gott wirken will, noch zulassen? Wir wagen es nicht mehr, uns vertrauensvoll in die Arme des Erlösers fallen zu lassen, gemäß dem Satz aus einem Tagesgebet: „Je hinfälliger wir sind, desto mächtiger wirkt Gott“. Fürchten wir uns etwa vor der Allmacht und der Barmherzigkeit Gottes? Wie kann das sein?

Hat das vielleicht etwas mit menschlicher Macht zu tun, die wir so sehr schätzen, statt jener Ohnmacht die uns eigentlich stark macht, weil wir eben um diese unsere Schwäche wissen? (vgl. 2 Kor 12,10)

Am Samstag Vormittag wurden die wichtigsten (!) Standpunkte zum Thema „Unsere Zukunftsbilder von unserer Kirche: Es ist 2015 – das Jubiläumsjahr des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils. Unsere Kirche hat große Ausstrahlungskraft. Was zeichnet sie jetzt aus?“ zusammengefasst. In diesen aus allen Arbeitsgruppen von insgesamt ca. 30 Teilnehmern vorgetragenen Statements kam nicht ein einziges Mal Jesus Christus vor. Ich habe diese 10 Minuten im Film festgehalten. Vielleicht ist es ein wichtiges Zeugnis zur Kirchengeschichte des beginnenden 21. Jahrhunderts. Mich hat es erschüttert und ernüchtert, wodurch die Kirche im Jahr 2015 „Ausstrahlungskraft“ haben soll.
Keiner der teilnehmenden Gruppen war es wichtig, jenen in den Mittelpunkt zu stellen, der diese Kirche gegründet hat. Keiner kam auf den Gedanken, dass es Jesus Christus selber sein könnte, durch den die Kirche eine große Ausstrahlungskraft haben könnte. Oder das Er durch uns z.B. strahlen könnte oder sollte, damit andere hoffentlich zu Ihm finden könnten. Jedenfalls wurde das so oder ähnlich in keinem Statement geäußert.

Und einmal mehr muss ich an jenen Satz des Dichters Georges Bernanos denken: „Das große Unglück dieser Welt ist nicht, dass es so viele Ungläubige gibt, sondern dass die Gläubigen so mittelmäßig sind.“.

Gegen diese Mittelmäßigkeit müssen wir alle ankämpfen.

Gerne denke ich an jenen Psalmvers, der in großen Buchstaben über dem Plenum hing:
„Mein Herz fließt über von froher Kunde“.

Das hat etwas mit Christus zu tun. Und mit Seiner Kirche.

Bernhard Luthe ist 3. Vorsitzender von „Deutschland pro Papa“ und war beim "Dialog"-Gespräch in Mannheim ein Delegierter der Erzdiözese Köln


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