Berliner Kardinal Sterzinsky gestorben

30. Juni 2011 in Deutschland


Früherer Berliner Erzbischof starb mit 75 Jahren nach schwerer Krankheit. - UPDATE: Nachruf von Papst Benedikt und Erzbischof Zollitsch


Berlin (kath.net/KAP/dbk) Der frühere Berliner Erzbischof, Kardinal Georg Sterzinsky, ist tot. Er starb im Alter von 75 Jahren in der deutschen Hauptstadt, wie die Erzdiözese Berlin am Donnerstagmorgen bekannt gab.

Sterzinsky stand von 1989 bis zum vergangenen Februar an der Spitze der heutigen Erzdiözese Berlin. Ende Jänner wurde er in einer Berliner Klinik zweimal am Magen operiert. Ab Mitte April war er auf Rehabilitation. Rund vier Wochen später wurde er nach Verschlechterung seines Gesundheitszustands wieder in das Krankenhaus verlegt.

Sterzinsky wurde 1936 im ostpreußischen Ermland geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Flucht der Familie wuchs er in Thüringen auf und wurde 1960 in Erfurt zum Priester geweiht. Nach Stationen als Pfarrer in Jena und Generalvikar in Erfurt wurde er 1989 Bischof von Berlin und 1991 Kardinal.

Seit die Diözese Berlin 1994 zur Erzdiözese erhoben wurde, trug er den Titel Erzbischof. Am 24. Februar 2011 nahm Papst Benedikt XVI. sein Rücktrittsgesuch an. Seither leitet Weihbischof Matthias Heinrich die Erzdiözese bis zum Amtsantritt eines neuen Erzbischofs.

In der Deutschen Bischofskonferenz stand Sterzinsky an der Spitze der Kommission für Ehe und Familie sowie der Unterkommission "Frauen in Kirche und Gesellschaft". Zudem war er stellvertretender Vorsitzender der Migrationskommission.

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UPDATE: Papst Benedikt veröffentlicht Beileidstelegramm:

Mit Trauer habe ich vom Heimgang des hochwürdigsten Herrn Kardinal Georg Sterzinsky Kenntnis erhalten. Gott der Herr hat seinen treuen Diener nach langer und schwerer Krankheit, die er geduldig und mit gläubigem vertrauen getragen hat, zu sich gerufen. In aufrichtiger Anteilnahme verbinde ich mich mit ihnen, mit dem Klerus und den Gläubigen des Erzbistums Berlin im Gebet für den verstorbenen Hirten. Kardinal Sterzinsky fiel die Aufgabe zu, das ehemals politisch geteilte Erzbistum in der Zeit des Falls der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands zu leiten und als Bischof aller zu einen. So galt sein langjähriges Wirken in besonderer Weise dem Dienst der Versöhnung. Darüber hinaus war es ihm ein großes Anliegen, für heimatlose Menschen, Flüchtlinge und Migranten da zu sein und ihnen in und durch die Familie der Kirche Heimat zu geben. Jesus Christus, der Gute Hirte, vergelte ihm seinen Einsatz mit himmlischem Lohn und schenke ihm das Leben in Fülle in seinem Reich. Auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche, erteile ich allen, die um den verstorbenen Kardinal Sterzinsky trauern und für sein ewiges Heil beten, den Apostolischen Segen.

auf den Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky:

Gott, der Herr über Leben und Tod, hat seinen treuen Diener, Georg Kardinal Sterzinsky, zu sich heim berufen. Mit seinem Tod verlieren die Stadt und das Erzbistum Berlin wie auch die Deutsche Bischofskonferenz einen engagierten, umsichtigen und tiefgläubigen Menschen, Priester und Bischof. Mit seinem Tod ist ein arbeitsreiches und aufopferungsvolles Leben, das Not und viele Entbehrungen kannte, das ganz vom Geist der Nächstenliebe und Fürsorge geprägt war und im Dienst unseres Herrn Jesus Christus stand, auf Erden zu Ende gegangen. Mein Mitgefühl gilt in dieser Stunde ganz besonders den Verantwortlichen und den Gläubigen des Erzbistums Berlin. Kardinal Sterzinsky verstarb im Alter von 75 Jahren nach schwerer und über Monate ertragener Krankheit. Es wäre ihm eine große Freude gewesen, unseren Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI., anlässlich seines Besuchs in Berlin im September diesen Jahres willkommen zu heißen. Es sollte ihm nicht mehr vergönnt sein.

Georg Kardinal Sterzinsky verstand sein Amt als Priester und Bischof vor allem als Dienst, als Dienst für sein Erzbistum und die Kirche von Deutschland und damit als Dienst an den Menschen. Darum liebte er mehr die leisen Töne, das gewinnende und argumentative Wort und nicht provozierende und polarisierende Stellungnahmen. Er war stets darauf bedacht, zusammenzuführen und den Weg gemeinsam mit den Seelsorgern und Gläubigen zu gehen. So haben ihn Gläubige ebenso geschätzt wie Suchende und Zweifelnde, Katholiken in den Gemeinden ebenso wie Verantwortliche in der Gesellschaft und vor allem der Berliner Politik. Zu Recht hat man ihn den Hauptstadt­bischof an der Spree genannt. Dabei ging sein Blick stets weit über die Ufer von Spree und Havel und das eigene Erzbistum hinaus.

In herausragender Weise hat Kardinal Sterzinsky seinen priesterlichen Dienst in vielen Aufgaben verwirklicht. Nachdem er 1960 im Erfurter Dom das Sakrament der Priesterweihe empfangen hatte, ermutigte er als Seelsorger in Eisenach, in Erfurt, im Heilbad Heiligenstadt und in Jena mit ansteckender Überzeugungskraft die Christen in der damaligen DDR zum Glauben an die Botschaft des Evangeliums und vermittelte ihnen die Zuversicht, der Bedrängnis und den nicht selten erheblichen Einschüchterungsversuchen durch die Vertreter der DDR gläubig zu widerstehen. Das Glaubenszeugnis sollte auch in der Öffentlichkeit präsent bleiben. Unvergessen ist sein Engagement als Generalvikar im Bistum Erfurt, mit dem er sich bis zuletzt in besonderer Weise verbunden wusste. Im Wendejahr 1989 stellte ihn dann die Ernennung zum Bischof von Berlin durch Papst Johannes Paul II. vor neue und große Aufgaben. Unermüdlich strebte er danach – wenige Monate vor den umwälzenden Veränderungen im geteilten Deutschland und getrennten Europa –, die Katholiken in Berlin, Brandenburg und Vorpommern tiefer zusammen zu führen. Den Sturz des DDR-Regimes und den Fall der Berliner Mauer erlebte Bischof Georg Sterzinsky als Meilensteine der Weltgeschichte aus unmittelbarer Nähe. Mehr und mehr wuchs zusammen, was lange Zeit getrennt war. Georg Sterzinsky hat wie kaum ein anderer Bischof in Deutschland zum Wachsen dieser Verbundenheit und zum wechselseitigen Verständnis der Menschen und der Gläubigen beigetragen, die zuvor durch unüberbrückbare Gegensätze der gesellschaftlichen Leitbilder in Ost- und Westdeutschland voneinander getrennt waren. All das war ihm möglich, weil er zutiefst davon getragen war, was er in seinem bischöflichen Wahlspruch zum Ausdruck brachte: „Deus semper maior“ – Gott ist immer größer als unser menschliches Denken und Handeln. Als Bischof Georg Sterzinsky 1991 zum Kardinal erhoben wurde, waren auch die Feiern in Rom ein weithin sichtbarer Ausdruck des Zusammenwachsens einer Nation: Gläubige aus Ost und West nahmen ebenso teil wie Verwandte seiner ostpreußischen Heimat.

Am Aufbau neuer Kirchenstrukturen in Deutschland und einer gesamtdeutschen Bischofskonferenz hat Georg Kardinal Sterzinsky mit Weitblick und Umsicht mitgewirkt. Aus diesem Prozess ist die Schaffung einer neuen Kirchenprovinz und damit die Erhebung des Bistums Berlin zum Erzbistum entstanden, dessen erster Erzbischof Kardinal Sterzinsky im Jahr 1994 wurde. Für das junge Erzbistum waren es keine einfachen Jahre: innere Veränderungen in der Verwaltung und der pastoralen Neuausrichtung wurden notwendig. Es waren Prozesse, denen sich Erzbischof Sterzinsky mit hoher Sensibilität gestellt hat. Wir haben in ihm einen Erzbischof erleben dürfen, der in all seinen Entscheidungen am Evangelium, ja an Jesus Christus selbst Maß genommen hat. Als Bischof ist er bewusst immer wieder hineingegangen in jene Spannung, die unvermeidbar ist, wenn man ein verantwortungsvolles Amt inne hat, nämlich Gestalter zu sein und gleichzeitig Geistlicher.

Wir erinnern uns in diesen Stunden der Trauer auch an den ersten gesamtdeutschen Katholikentag im Jahr 1990, dessen Gastgeber Bischof Sterzinsky war. Das Treffen war geprägt von der wiedervereinten, aber erst langsam zusammenwachsenden Stadt Berlin. Dreizehn Jahre später konnte Kardinal Sterzinsky die Christen Deutschlands auch zum ersten Ökumenischen Kirchentag begrüßen. Beide Ereignisse haben die großartige Gastfreundschaft der Diözese Berlin und seines Bischofs gezeigt. Dies wurde besonders deutlich, als Kardinal Sterzinsky 1996 Papst Johannes Paul II. bei dessen Deutschlandbesuch in Berlin willkommen heißen konnte. Kardinal Sterzinsky hat nicht nur bei solchen wichtigen Begegnungen unmissverständliche Worte an Politik und Gesellschaft gerichtet. Wir wissen bis heute seinen bemerkenswerten Einsatz zum Erhalt des Religionsunterrichts an Berliner Schulen und für die Achtung des Sonntagsschutzes.

Wir deutschen Bischöfe sind Kardinal Sterzinsky zutiefst dankbar für seinen vielfältigen und engagierten Einsatz. Viele Jahre brachte er sein Wissen und seine Kompetenz in die Pastoral- und Ökumenekommission der Deutschen Bischofkonferenz ein. Seit 1991, und damit zwei Jahrzehnte, hatte er den Vorsitz der Familienkommission inne. Stets lag ihm die Frage am Herzen, wie es heute gelingen kann, Familien eine gesicherte Zukunft zu ermöglichen und den christlichen Glauben in der Familie zu stärken. Sein besonderes Augenmerk galt den Benachteiligten in der Gesellschaft, sowie den Flüchtlingen und Migranten. Mit beeindruckendem Engagement hat sich Kardinal Sterzinsky in der Migrationskommission der Bischofskonferenz und im Päpstlichen Rat für die Migranten eingebracht. Er, der selbst im Alter von zehn Jahren aus der ostpreußischen Heimat fliehen musste, wollte den Migranten und Heimatlosen nahe sein. Mit Leid und Armut wollte und konnte sich Erzbischof Sterzinsky nicht abfinden, auch nicht in der Millionenstadt Berlin. So war er regelmäßiger Gast bei caritativen Einrichtungen und Veranstaltungen und sprach Obdachlosen und sozial Benachteiligten Mut aus dem Glauben zu. Er lebte aus der tiefen Überzeugung, dass ihm gerade im fremden und an den Rand gedrängten Menschen Christus selbst begegnet.

Wir trauern in diesen Stunden um einen Erzbischof und Priester, um einen Seelsorger und gläubigen Katholiken, der sich sein Leben lang in tiefer Frömmigkeit dem Herrn und seiner Kirche verschrieben hat. Wir werden seine Worte vermissen, Worte, die Mut machten, seine stets von Hoffnung geprägten Predigten und Hirtenbriefe, seine hohe Sachkompetenz; nicht zuletzt werden wir auch den zuweilen trockenen, immer aber herzlichen Humor vermissen. Der Bischof, der Teilung und Wiedervereinigung am nächsten miterlebt hat, der Mauer und Stacheldraht kannte, der den Ruf der Menschen nach Freiheit vernahm, der in seinen Predigten den Verzicht auf jedwede neue Mauern forderte, er ist von uns gegangen. Ein hingebungsvoller Priester, ein Architekt des neuen Erzbistums Berlin, der Bischof der Hauptstadt ist verstorben. Möge er nun schauen, was er ein Leben lang verkündigt hat und was er am Osterfest im Jahr 2008 in die Worte fasste: „Jesus von Nazareth ist nicht im Tod geblieben. Gott hat ihn zu neuem Leben auferweckt. Seitdem brauchen auch wir keine Angst mehr zu haben vor dem Tod. Denn mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen, seit Christus auferstanden ist.“ In stiller Trauer verneige ich mich vor einer beeindruckenden, bescheidenen und wegweisenden Persönlichkeit.



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