Eine Rückkehr zur Gregorianik ist notwendig

17. Juni 2011 in Interview


Interview mit dem Leiter des Chores der Römischen Philharmonie, Msgr. Pablo Colino. Von Orazio La Rocca / La Repubblica


Rom (kath.net/as) „Dramatisch, verzweifelt, bedeutungslos“. Maestro Don Pablo Colino nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er den Gesundheitszustand der heute in den Kirchen praktizierten Musik beschreibt – auch wenn es ihm dann daran liegt, zu präzisieren, dass „es noch eine Möglichkeit gibt, diese gefährliche Tendenz nach unten umzukehren, indem man, ausgehend vom Gregorianischen Choral, das Studium der Musica Sacra und der liturgischen Gesänge potenziert“.

Msgr. Colino ist weltweit als Musiker und Orchesterleiter bekannt. Nach Jahren des Dienstes im Vatikan dirigiert er heute den Chor der Römischen Philharmonie. Eine Autorität also, was religiöse Musik betrifft, die sich seit Jahren darum bemüht, sie von den Schlacken zu „reinigen“, die sie seines Erachtens in Gefahr gebracht haben. „Papst Benedikt XVI. ist der erste, der uns darum bittet und der an diesen Einsatz glaubt“, sagt er. „Viele Male hat mich der Papst ermutigt, weiterzugehen, da die Musica Sacra ein universales, in der echtesten liturgischen Tradition verwurzeltes Erbe ist“.

Maestro Colino, warum sind die Musica Sacra und die Liturgie in der Krise?

Msgr. Colino: Alles ist nach dem II. Vatikanischen Konzil abwärts gegangen, verbunden mit jener oberflächlichen Flut an Pseudo-Erneuerungen, die in fast allen unseren Kirchen so viel Schaden angerichtet hat. Es genügt, bei irgendeiner liturgischen Feier dabei zu sein, um fürchterliches Gitarrengeklimper, ohrenbetäubende Elektroorgeln und oberflächliche Chöre zu hören. Und das ganze geleitet von unvorbereiteten Musikdirektoren. Auch wenn es nicht an ermutigenden Ausnahmen mangelt, die – so sie gepflegt werden – einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft bilden.

Könnten Sie ein paar Beispiele nennen?

Msgr. Colino: Vor kurzem hat in Terni eine interessante Tagung zur Musica Sacra stattgefunden, und zu diesem Anlass sind viele jugendliche Chöre und viele in liturgischer Musik spezialisierte Künstlergruppen aufgetreten. Er war schön und interessant, ihnen zuzuhören.

Gibt es ein „Rezept“, um die Musica Sacra neu zu beleben?

Msgr. Colino: Es ist notwendig, zu einem ernsten, strengen und leidenschaftlichen Studium in den „scholae cantorum“, in den Konservatorien und auch in den Schulen zurückzukehren. Die Musica Sacra ist ein universales Erbe, eine der höchsten und unsterblichsten Kunstformen. Und Italien ist voll davon, da es ja die größten Verfasser liturgischer Musik hervorgebracht hat.

Und wie sollten die Programme derartiger Schulen aussehen?

Msgr. Colino: Es ist von grundlegender Wichtigkeit, zur Verbreitung einer direkten Kenntnis des Gregorianischen Chorals zurückzukehren und gleichzeitig die Ausbildung von Musikern sowie Orchester- und Chorleitern zu verfeinern. Nichts geht ohne didaktische Strenge und ohne die Kenntnis der Gregorianik, Mutter der Musica Sacra, ja ich würde sogar zu sagen wagen: der ganzen Musik, auch der zeitgenössischen.

© La Repubblica vom 16. Juni 2011


© 2011 www.kath.net