Der Kampf Jakobs mit Gott und seine Bedeutung für den Glauben

25. Mai 2011 in Aktuelles


Benedikt XVI. setzt seine Katechesenreihe zum Gebet fort: Das Leben – eine lange Nacht des Kampfes und des Gebets. Von Armin Schwibach


Rom(kath.net/as) Vor rund 15.000 Pilgern und Besuchern setzte Papst Benedikt XVI. am heutigen Mittwoch seine Katechesenreihe zur Generalaudienz über das Gebet fort und beschäftigte sich mit dem Bericht des Kampfes, den der Patriarch Jakob mit Gott am Fluss Jabbok führte (Gen 32, 23-33):

„23 In derselben Nacht stand er auf, nahm seine beiden Frauen, seine beiden Mägde sowie seine elf Söhne und durchschritt die Furt des Jabbok.
24 Er nahm sie und ließ sie den Fluss überqueren. Dann schaffte er alles hinüber, was ihm sonst noch gehörte.
25 Als nur noch er allein zurückgeblieben war, rang mit ihm ein Mann, bis die Morgenröte aufstieg.
26 Als der Mann sah, dass er ihm nicht beikommen konnte, schlug er ihn aufs Hüftgelenk. Jakobs Hüftgelenk renkte sich aus, als er mit ihm rang.
27 Der Mann sagte: Lass mich los; denn die Morgenröte ist aufgestiegen. Jakob aber entgegnete: Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.
28 Jener fragte: Wie heißt du? Jakob, antwortete er.
29 Da sprach der Mann: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel (Gottesstreiter); denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und hast gewonnen.
30 Nun fragte Jakob: Nenne mir doch deinen Namen! Jener entgegnete: Was fragst du mich nach meinem Namen? Dann segnete er ihn dort.
31 Jakob gab dem Ort den Namen Penuël (Gottesgesicht) und sagte: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin doch mit dem Leben davongekommen.
32 Die Sonne schien bereits auf ihn, als er durch Penuël zog; er hinkte an seiner Hüfte.
33 Darum essen die Israeliten den Muskelstrang über dem Hüftgelenk nicht bis auf den heutigen Tag; denn er hat Jakob aufs Hüftgelenk, auf den Hüftmuskel geschlagen“.

Bei diesem Abschnitt aus dem Buch Genesis handle es sich um einen Text, der nicht leicht zu deuten sei. Er sei jedoch wichtig für das Glaubens- und Gebetsleben, so der Papst. Das Begebnis trage sich in der Nacht zu, und es sei schwer, sowohl die Identität desjenigen, der Jakob angreift, als auch den Ablauf des Kampfes auszumachen. Am Ende des Kampfes fordere Jakob, der seinen Bruder Esau auf trügerische Weise um den Segen des Erstgeborenen gebracht habe, von dem Unbekannten, gesegnet zu werden, da er vielleicht dessen göttliche Natur zu erkennen beginne. Doch statt der Forderung zu entsprechen, frage ihn der Rivale nach seinem Namen. An dieser Stelle, so Benedikt, XVI., komme es zu einer entscheidenden Wende im Kampf. Die Kenntnis des Namens einer Person schließe eine Art Macht über sie ein, da der Name in der biblischen Mentalität die tiefste Wirklichkeit des Individuums enthalte sowie dessen Geheimnis und Bestimmung offenbare.

Die Kenntnis des Namens bedeute somit die Kenntnis der Wahrheit des Anderen. Dies gestatte es, ihn zu beherrschen. Als Jakob seinen Namen offenbare, begebe er sich somit in die Hände seines Gegners und überlasse sich vollständig dem Anderen.

Doch auch Jakob gehe als „Sieger“ hervor, da er zusammen mit der Anerkennung seines Sieges einen neuen Namen erhalte: Israel. Der Name Jakob erinnere an das Verbum, das „täuschen“ bedeute. Im Kampf offenbare Jakob seinem Gegner seine Wirklichkeit als Betrüger. Doch der Andere, der Gott sei, verwandle diese negative Wirklichkeit in eine positive: „Jakob, der Täuscher und Betrüger, wird zu Israel, es wird ihm ein neuer Name gegeben, der eine neue Identität bezeichnet“.

Der Bericht jedoch bewahre seine gewollte Zweideutigkeit, da die wahrscheinlichste Bedeutung des Namens „Israel“ laute: „Gott ist stark, Gott siegt“. Jakob also habe gesiegt, doch seine neue Identität bestätige und bezeuge den Sieg Gottes. Als Jakob seinerseits nach dem Namen seines Gegners frage, werde ihm dieser verweigert. Doch er offenbare sich mit einer unmissverständlichen Geste, indem er ihm seinen Segen schenke. Dabei handle es sich um keinen durch Trug erlangten Segen, sondern um jenen Segen, den Gott unentgeltlich schenke, da Jakob nunmehr schutzlos sei und sich ohne Umschweife ergebe und die Wahrheit über sich selbst bekenne.

Benedikt XVI. rief in Erinnerung, dass die Erklärungen einer Exegese dieses Textes vielfältig sein können. Doch wenn diese Elemente von den heiligen Verfassern in die biblische Erzählung aufgenommen würden, „ändert sich ihre Bedeutung und der Text öffnet sich breiteren Dimensionen“. Die Episode des Kampfes am Fluss Jabbok biete sich auf diese Weise dem Gläubigen als ein paradigmatischer Text an, in dem das Volk Israel über seinen Ursprung spreche und die Züge einer besonderen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen abzeichne.

Aus diesem Grund „hat die geistliche Tradition der Kirche in dieser Erzählung das Symbol des Gebets als Kampf des Glaubens und Sieg der Beharrlichkeit gesehen“. Der biblische Text „spricht von einer langen Nacht des Suchens nach Gott, vom Kampf, um seinen Namen zu kennen und sein Antlitz zu sehen. Es ist dies die Nacht des Gebets, das Gott hartnäckig und beharrlich um den Segen und um einen neuen Namen bittet, um eine neue Wirklichkeit, die Frucht der Umkehr und der Vergebung ist“.

Die Nacht Jakobs am Fluss Jabbok werde so für den Gläubigen ein Bezugspunkt, um die Beziehung mit Gott zu verstehen, die im Gebet ihren höchsten Ausdruck finde: „Das Gebet erfordert Vertrauen, Nähe, gleichsam in einem symbolischen Handgemenge, nicht mit einem gegnerischen und feindseligen Gott, sondern mit dem segnenden Herrn, der immer geheimnisvoll bleibt und unerreichbar scheint“.

Aus diesem Grund benütze der heilige Verfasser des Textes das Symbol des Kampfes, das Seelenstärke, Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit beim Verfolgen von Zielen einschließe. „Und wenn der Gegenstand des Verlangens die Beziehung mit Gott ist, sein Segen und seine Liebe, so wird der Kampf nur in der Selbstschenkung an Gott enden können, in der Anerkennung der eigenen Schwäche, die gerade dann siegt, wenn sie dazu gelangt, sich in die barmherzigen Hände Gottes zu begeben.

Das ganze Leben des gläubigen Menschen sei wie diese lange Nacht des Kampfes und des Gebets, so der Papst. Der Kampf vollziehe sich in dem Verlangen nach dem Segen Gottes, der ihm nicht entrissen werden könne, sondern demütig empfangen werden müsse, „als unentgeltliches Geschenk, das es schließlich gestattet, das wahre Antlitz des Herrn zu erkennen“.

Wenn dies geschehe, so verändere sich die ganze Wirklichkeit des Menschen, „wir empfangen einen neuen Namen und den Segen Gottes. Mehr noch: Jakob, der einen neuen Namen empfängt, wird Israel und gibt auch dem Ort, an dem er mit Gott gekämpft hat, einen neuen Namen, er nennt ihn ‚ Penuël’, was heißt: ‚Antlitz Gottes’“. Mit diesem Namen erkenne er an, dass jener Ort von der Gegenwart des Herrn erfüllt sei.

„Der, der sich vom Herrn segnen lässt“, so Benedikt XVI. seine Katechese abschließend, „überlässt sich ihm, er lässt sich von ihm verwandeln und erfüllt die Welt mit Segen. Der Herr helfe uns, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und in unserem Gebet um seinen Segen zu bitten!“.

Die Pilger aus dem deutschen Sprachraum begrüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Von Herzen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Möge das Beispiel Jakobs uns Mut machen, uns ganz in die Hände Gottes zu geben, nicht Angst zu haben, daß uns dabei etwas verlorengeht, und uns von ihm umwandeln zu lassen. Der Herr helfe uns, den Kampf des Glaubens mit Ausdauer zu kämpfen und durch unsere Gebete Gottes Segen zu erlangen für uns und für die Welt. Danke.




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