Antonio Arellano – der Schuhmacher des Papstes

1. April 2011 in Weltkirche


Ein Peruaner für den Pontifex: In einer kleinen chaotischen Werkstatt im römischen Stadtviertel Borgo fertigt Antonio Arellano die roten Schuhe des Papstes an - Von Paul Badde / Die Welt


Rom (kath.net/DieWelt)
Der Papst trägt nicht Prada sondern – und das ist kein Aprilscherz – natürlich Schuhe von meinem Schuster um die Ecke. Das ist Antonio Arellano aus Trujillo in Peru, (wie ich) ein Mann mit Migrationshintergrund in Rom, der die Rolle eines Schuhmachers auch in einem der Romane Jorge Vargas Llosas besetzen könnte.

Das Blut der Inka, das durch die Adern seiner Vorfahren floss, sieht ihm noch jeder an. Er ist kein Schicki-Schuster. Sein Schaufenster ist vollgestopft mit waghalsigen Schuhmodellen, Sandalen, Kinderschuhen und Stiefeln.



Sein Verkaufs-Salon ist der Vorraum einer chaotischen kleinen Werkstatt in einem Kellerverschlag. Es ist ein Leder-Labor in der schattigen Via del Falco, wo ich ihm vorgestern meine Schuhe ablieferte, die ja, wie jeder weiß, immer noch das wichtigste Werkzeug jedes Reporters sind. Die Absätze waren wieder einmal abgelaufen.

„Kein Problem“, strahlte Antonio und verriet gleich danach, dass „eine Dame“ aus dem Haushalt des Pontifex drei Tage zuvor wieder bei ihm gewesen sei, um ein neues Paar für ihren Dienstherrn zu bestellen. Schon langte er unter die Theke, um voller Stolz den mit feinstem roten Ziegen-Saffian bespannten Leisten hervorzuholen, an dem nur noch die Sohlen fehlten, um die Meisterstücke komplett zu machen. Schuhgröße 42! Das Marokko-Leder fast so zart wie die Haut meiner Frau. Die Kaiser von Byzanz müssen ähnlich schöne Schuhe getragen haben.

Für sein letztes päpstliches Paar Schuhe hatte Antonio Arellano noch einen lederbespannten Schuhlöffel gefertigt und einen rosa Seidensack dazu genäht, und als er sie Benedikt XVI. oben im Palazzo Apostolico persönlich überreichen durfte, kaufte er sich eigens dafür einen glänzend weißen Anzug, der auf dem Foto der Begegnung heute noch wie eine Lampe durch seinen Laden leuchtet.

Eine ehrlichere Haut als Antonio lässt sich im ganzen Borgo kaum finden. Das Viertel zwischen Vatikan und Engelsburg war lange eine kommunistische Hochburg. Heute werden neben der alten Fluchtmauer der Päpste – ein paar Schritte rechts vom Petersplatz-Touristen zu gesalzenen Preisen zu zweifelhafter Kost an die Tische gelockt, während von Jahr zu Jahr immer mehr Rosenkranzläden aus römischen in chinesische Hände übergehen.

Hier ist der 42-jährige Schuhmacher aus der Fremde mit seinen schwieligen flinken Händen und den kurzen schwarzen Fingernägeln kein Fremdkörper, sondern ein zuverlässiger Handwerker, der in seiner kleinen Werkstatt dem Druck widersteht, der allmählich auch die letzten Uhrmacher und Optiker und Wäschereien aus dem Viertel zu verdrängen sucht.

Darum darf er heute auch der Schuhmacher des Papstes sein. Denn Joseph Ratzingers Schuhe hat er schon besohlt und die Absätze erneuert, seit er hier ist. Der Kardinal wohnte auch damals schon um die Ecke. Er hatte ihn bedient, wie er auch heute noch die Müllmänner und „Baristas“ und Schweizer Gardisten und Nonnen und Priester und Bischöfe bedient, von denen auch noch keiner weiß, was aus ihnen noch einmal werden wird.

Seine Mutter – „Mamma Rosa“ - hatte ihn vor 20 Jahren nur ungern aus Peru ziehen lassen. Sein Vater war Schuhmacher und bis auf seine Schwester sind alle vier Kinder Schuhmacher geworden. Die erste Anstellung in Rom fand er bei einem Albaner, der ihm eine Woche Probezeit gewährte.

Die Frist genügte, um zu sehen, dass Schuhe sein „Leben“ waren. „Ich konnte kein Italienisch, aber wusste alles über das Schustern und Schuhe machen: nähen, sohlen, formen, nageln, flicken, alles.“ Nach drei Jahren zog er weiter, bevor er seinen Laden im Borgo ganz und gar selbst einrichtete, mit Hammer und Bohrer, und so sieht er auch aus: als sei der ganze Kabuff ein einziger großer Schuh.



„Gut“, schrieb ihm seine Mutter danach, „wenn du in der Nähe des Papstes bist, wird der Papst dir helfen.“ Ihm aber lag mehr daran „niedrige Preise für alle“ zu machen, egal, wer bei ihm zur Tür rein kam. Das sprach sich im Borgo schnell rund. Kardinäle wie Straßenkehrer konnten bei ihm auf demselben Stuhl warten, wenn es sich um kleinere Reparaturen handelte. So saß damals auch schon Kardinal Ratzinger bei ihm auf diesem Stuhl. „Eine einfache Person. Und immer freundlich. Er saß genau so da wie alle anderen. Er war so geduldig. Immer ließ er mich ganz ruhig und wortlos meine Arbeit tun.“

Tempi passati. Jetzt bringen nicht annähernd so bescheidene Adjutanten die Schuhe des Papstes hin und wieder in einer großen Limousine zur Reparatur in die dunkle Gasse und auch schon zwei Dankesbriefe, die Maestro Arellano vor lauter Ehrfurcht anfangs nicht öffnen wollte, um sich eine Woche lang nur an dem Siegel des Palastes zu ergötzen. „Er hat mich einfach beibehalten, und nicht wie andere Mächtige, die plötzlich keinen mehr von früher kennen, ihre ganze Ausstattung plötzlich nur noch von Luxus-Herstellern schenken lassen.“

Er ist ihm einfach treu geblieben. Natürlich gab es auch schon einen Rosenkranz als Extra, und ein Kreuz für ihn, seine Frau und ihren Sohn Daniel. Doch das war es auch schon.



Der Papst bezahlt seine Schuhe und jede Reparatur wie alle anderen, nicht mehr und nicht weniger. Antonio Arellano gibt ihm auch keinen Rabatt für die Schuhe, die das Modehaus Prada dem Pontifex wohl in Gold und Silber aufwiegen würde, wenn er sie dort fertigen lassen würde und nicht bei Antonio Arellano.

Alle Fotos: (c) Paul Badde


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