‚Wir lieben weiter’

26. Jänner 2011 in Spirituelles


Bischof Antal von Mugatschewo: ‚Unsere Schwester Bernardis, die Heilige unserer Stadt, ist gestorben.’ Eine persönliche Würdigung der Sr. M. Bernardis Weschenfelder von Michael Schneider-Flagmeyer.


Karlsruhe (kath.net/Der Fels) Am Sonntag, dem 28.11.2010, am 1. Advent, starb nach kurzer schwerer Krankheit Sr. Maria Bernardis Weschenfelder. Hier will ich einen ersten Blick auf sie und ihr Lebenswerk werfen. Tausende von Menschen kannten sie hierzulande und hatten von ihr Hilfe erfahren.

Geboren wurde sie am 29.9.1941, am Fest des hl. Erzengels Michael, als Tochter des Maschinenbauschlossers Hermann Weschenfelder und seiner Frau Luise (Lisa) in Karlsdorf, nicht weit von Karlsruhe. Getauft wurde sie auf den Namen Erharda.

1965 trat sie als examinierte Krankenschwester und Kindergärtnerin ins Provinzialmutterhaus
der Schwestern vom göttlichen Erlöser, Kloster Maria Hilf in Bühl/Baden, ein. Die Kongregation der „Niederbronner Schwestern“ wurde im 19. Jahrhundert von der Elsässerin Elisabeth Eppinger, Mutter Alfons Maria, in Niederbronn im Elsass gegründet.

Dem Charisma und der Heiligkeit der Mutter Stifterin fühlte sich Sr. Bernardis ihr Leben lang zutiefst verbunden. So wurde das Lebensmotto von Mutter Alfons Maria auch ihr eigenes Lebensmotto: „Ich will, dass alle Menschen erfahren, wie sehr sie Gott liebt.“

Ihr Werdegang in der Kongregation führte sie nach Karlsruhe ins Herz-Jesu-Stift, wo die Schwestern eine Ambulanz, eine Nähschule und einen Kindergarten unterhielten. Dort gründete sie die erste kirchliche Sozialstation mit zehn Schwestern, die in die städtischen Stützpunkte ausgesandt wurden, und leitete sie. Später wurde sie im Herz-Jesu-Stift Oberin.

Die großen mystischen Gnaden, die ihr von Gott verliehen wurden und von denen in einer ausführlichen Lebensdarstellung noch genauer berichtet werden muss, hatte sie nicht gesucht. Sr. Bernardis war lebenslang eine nüchterne, kluge Frau, die von Mystik und den Heiligen zunächst wenig wusste.

Ihr ganzes Streben galt ihrer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus und deren Vervollkommnung, ihre Lebensmitte war die eucharistische Anbetung. Dazu richtete sie im Keller einen Gewölberaum als Krypta ein, in deren Intimität die Schwestern und Besucher in aller Stille und Ruhe vor einem zweiten Tabernakel Anbetung halten konnten.

Diese Krypta wurde zu einem Ort, an dem sich Großes ereignete, wovon noch ausführlich zu berichten sein wird. Da die Erzdiözese Freiburg jetzt die Heiligsprechung des seligen Bernhard von Baden eingeleitet hat, soll an dieser Stelle schon einmal erwähnt werden, dass hier im Herz-Jesu-Stift und in der Krypta der selige Markgraf Bernhard eine bedeutende Rolle spielte. Später einmal soll ausführlich erzählt werden, wie die Reliquien des seligen Bernhard aus der Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal in Baden-Baden zu Sr. Bernardis nach Karlsruhe kamen.

Sr. Bernardis hatte bei der eucharistischen Anbetung eines Tages die Erkenntnis: „Der Erlöser hat die Lösung.“ Aus ihrer Arbeit in der Sozialstation kannte sie die drückenden Probleme der Menschen und wusste vor allem um ihre geistliche Not. So gestaltete sie das Herz-Jesu-Stift zu einem geistlichen Zentrum um, in dem Tausende im Laufe der Jahre wahre Hilfe fanden.

Mit ihr arbeitete Kaplan Martin Landwehr als Hausgeistlicher und Beichtvater. Eine Grundregel des Hauses war, dass niemand abgewiesen werden dürfe, weder am Tag, noch in der Nacht. Bald schon bildete sich um Sr. Bernardis ein Mitarbeiterkreis, dessen innersten Zirkel allein 50 Frauen und Männer bildeten.

Pater Martin Landwehr war der gute priesterliche Geist des Hauses. Sein „Beichtstuhl“ war immer umlagert. Viele Menschen wurden dort ihre Lebenslast los.

Das Werk weitete sich aus. Sr. Bernardis gründete einen Verein, der auf dem Gelände des Stiftes das Pater-Pio-Haus errichtete, in dem Obdachlose verköstigt wurden, in einer Kleiderkammer Wäsche und Kleidung erhielten, sich duschen und ihre Wäsche waschen konnten. Auch gab es ein Zimmer mit Eingang zum Hof, wo man für kurze Zeit einen Kranken oder eine Mutter mit Kind unterbringen konnte.

Das Werk zog weite Kreise durch ganz Deutschland bis nach Polen und Rom. Sr. Bernardis war dem Forum Deutscher Katholiken tief verbunden und nahm an den ersten Kongressen „Freude am Glauben“ mit Begeisterung teil.

Zu den bedeutenden Persönlichkeiten, die im Herz-Jesu-Stift Vorträge hielten, gehörte auch Prof. Dr. Wanda Poltawska, Vertraute und viele Jahre lang Ärztin von Papst Johannes Paul II. Sie war Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben. Sie kam mit ihrem Mann, Dr. Poltawski, einem bekannten polnischen Philosophen zu diesem Kreis.

Unter den weiteren Persönlichkeiten, die dort Vorträge hielten, waren Prof. Max Thürkauf und seine Frau Inge, Christa Meves, Gabriele Kuby und der inzwischen Verstorbene Jesuit und Untergrundbischof Paul Hnilica, um nur einige wenige zu nennen.

Besonders verbunden mit dem Stift und Sr. Bernardis war der ehemalige Generalbundesanwalt Dr. Martin, der einmal mit einem besonderen Kreuz, das ihm die Schwester geschenkt hatte,
auf einer internationalen Tagung Zeugnis ablegte.

Und dann geschah das, was – Gott sei‘s geklagt – immer wieder in der Kirche geschieht. Die invidia clericalis, der geistliche Neid, flammte auf, und Sr. Barnardis wurde verleumdet. Einmal fragte sie einen der hochwürdigen Herren, was sie ihm denn getan und was sie falsch gemacht hätte. Er erhob sich leicht von seinem Stuhl, zeigte mit dem Finger auf sie und sagte: „Ich bin neidisch auf sie, weil die Leute zu Ihnen und nicht zu mir kommen.“

Sr. Bernardis empfing in Karlsruhe täglich ca. 35 Menschen, um sie zu trösten, aufzurichten und mit ihnen vor dem eucharistischen Herrn zu beten. Es wird schwer und bitter sein, darzustellen oder wenigstens anzudeuten, wie ihr Werk systematisch zerschlagen wurde. Ganz verschwiegen werden darf es um der Kirche willen nicht.

Ihr Werk, dessen Ausmaß ich hier in diesem ersten Blick nur kurz andeuten konnte, wurde von Männern und Frauen der Kirche zerstört. Sr. Bernardis musste Karlsruhe verlassen. Das Gespräch mit den Menschen wurde ihr verboten. Hier wurde das ganze Ausmaß der Krise der Kirche bei uns sichtbar.

Sr. Bernardis erkrankte schwer. Viele Menschen standen ihr zur Seite, vor allem aber ihre Geschwister, von denen ihr die älteste Schwester Maria, besonders verbunden war.

Ich wandte mich an einen der uns bekannten Kurienkardinäle in Rom und legte ihm in einem langen Telefongespräch die Situation dar. Er versprach auch seine Vermittlung bei der Ordenskongregation, aber Sr. Bernardis bat mich, die Intervention sofort zu beenden. Sie wollte alles im Gehorsam gegen Gott und in Treue zu ihrer Kongregation und Gemeinschaft auf sich nehmen.

Aber wenn Gott zulässt, dass eine Tür sich schließt, dann öffnet er sofort eine andere. Die enge Verbindung von Sr. Bernardis zur Gemeinschaft „Stabat Mater“ in Bad Herrenalb gab ihr eine neue Perspektive. P. Martin trat der kleinen Priestergemeinschaft von Stabat Mater bei, die im Bistum Mugatschewo in der Ukraine tätig ist. Bischof Antal prüfte das Charisma der Schwester und nahm sie sowie die Mitarbeiter, die ihr gefolgt waren, gerne auf. Pater Martin erhielt zum Aufbau zwei Gemeinden zugewiesen, in denen er wunderbar wirkt. Inzwischen sind es fünf Gemeinden.

Der Bischof vertraute Sr. Bernardis ganz. Er besuchte sie oft im benachbarten Schönborn und nahm sie auch auf Besuchsreisen mit. Schon bald hatte sich ihre Tätigkeit verdreifacht. Über 100 Menschen suchten täglich ihren Rat und ihre Hilfe. Sie konnte sie nur noch in Gruppen empfangen.

Zweimal machte Bischof Antal die weite Reise nach Oberbronn im Elsass, um von der Generalleitung zu erbitten, ihm Sr. Bernardis zu lassen. Als er sein Ziel nach der 2. Reise erreicht hatte, erkrankte die körperlich völlig erschöpfte Sr. Bernardis an der schwersten Form der Leukämie.

Sie kam nach München ins Krankenhaus und man bot ihr eine sehr agressive Chemotherapie an. Wohl wissend, dass sie diese nicht überleben würde, lehnte sie ab und überließ sich ganz ihrem himmlischen Bräutigam. Und nun begann für sie der steile und schwere Aufstieg auf den Hügel Golgotha, um dort auf dem Gipfel am Fuß des Kreuzes Christi ihr Kreuz niederzulegen.

Acht Wochen hatte sie zu kämpfen. Ihre jüngste Schwester Ulrike hatte sie zu sich ins Haus genommen und sie rührend und aufopfernd gepflegt, auch mit Hilfe ihrer ältesten Schwester Maria, deren enge Verbundenheit zu Sr. Bernardis sich jetzt besonders bewährte.

Sr. Bernardis starb einen schweren Tod, aber so heiligmäßig, wie sie gelebt hatte. Tapfer, voll Glauben und ohne zu klagen, trug sie ihr Kreuz den Berg hinauf. Als die Schmerzen fast unerträglich wurden, wollte der Arzt das Morphinpflaster verstärken, aber sie lehnte ab. Sie wollte wachen Sinnes, hoffnungsfroh und voll von tiefem Glauben erfüllt ihrem ankommenden Herrn entgegengehen.

Am ersten Adventssonntag, es war Pater Martins Geburtstag, hatte sie nach der an ihrem Sterbebett gehaltenen Messe gegen 11 Uhr den ihr entgegenkommenden Herrn erreicht. Sie starb in seiner eucharistischen Gegenwart, um von ihm zu hören: „Tritt ein, du Gesegnete meines Vaters! Dir ist das Reich von Anfang an bereitet.“

Pater Martin rief Bischof Antal in Mugatschewo an, um ihm den Heimgang von Sr. Bernardis mitzuteilen. Der Bischof ging in die Kathedrale, um selbst das Glockengeläut in Gang zu setzen. Er befestigte ein Foto von Sr. Bernardis am Portal und sagte den herbeieilenden Menschen: „Unsere Schwester Bernardis, die Heilige unserer Stadt, ist gestorben.“

Er hielt sogleich ein Dankamt in der vollbesetzten Kathedrale. Die Menschen dort brachten auf der Heckscheibe ihrer Autos ein Bild von Sr. Bernardis an. Arme, aber glückliche Ukraine, die Gottes Gesandte noch mit Freude und Dankbarkeit empfangen!

Was ist von Sr. M. Bernardis Weschenfelder abschließend zu sagen? Ein Satz: Sie hat alles gegeben und nichts für sich zurückbehalten. Sie verabschiedete sich immer mit dem Satz: „Wir lieben weiter.“ So sei es. Ihr Vermächtnis an alle: „Ich will, dass alle Menschen erfahren, wie sehr Gott sie liebt. Der Erlöser hat die Lösung. Wir lieben weiter.“

Foto: (c) Der Fels


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