Alexandria: Gebet für die Opfer und Vergebungsbitte für die Irrenden

4. Jänner 2011 in Aktuelles


Koptisch-unierter Patriarch Naguib: Attentat kann „das friedliche Zusammenleben der Gläubigen der beiden großen Glaubensgemeinschaften ernsthaft in Gefahr bringen“ – „Schleichende Islamisierung“ durchdringe „alle Bereiche der Gesellschaft“


Kairo (kath.net) Der koptisch-katholische Patriarch von Alexandria, Antonios Naguib und sein Weihbischof nehmen zum Attentat auf die koptische Kirche in Alexandria und zur Situation der Christen in Ägypten Stellung. Der katholische Patriach Naguib war von Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. am 20. November 2010 zum Kardinal erhoben worden und war im Herbst 2010 auf der Sonderversammlung der Nahost-Bischofssynode Generalberichterstatter gewesen. Naguib repräsentiert jene kleinere Gruppe von Kopten, welche sich in voller Einheit mit Rom befinden.

Kath.net bringt den Artikel des L´Osservatore Romano in einer eigenen Übersetzung:


Der allmächtige Gott ist der König des Friedens

"Wir verlangen, dass der größtmögliche Einsatz unternommen werde, um die Empfehlungen des Präsidenten der Republik für eine stärkere Einheit und Harmonie zwischen allen in die Praxis umzusetzen und all das verändern, was diesbezüglich ein Hindernis darstellt". Dies hat der Patriarch von Alexandria der Kopten, Antonios Kardinal Naguib, am 3. Januar 2011 gegenüber "L'Osservatore Romano" erklärt. Weiter sagte der Kardinal: "Unsere Herzen bluten zu Beginn des neuen Jahres mit dem kriminellen Anschlag auf die Gläubigen, die aus der koptisch-orthodoxen Kirche der Heiligen von Alexandria strömten. Wir vereinigen uns mit dem Heiligen Vater, mit unserem Präsidenten der Republik und mit allen verantwortlichen Politikern, Parlamentariern, Beamten und Sicherheitsleuten, um dieses Verbrechen mit Festigkeit zu verurteilen, das darauf ausgerichtet war, die innere Sicherheit und die Verbindung zwischen den Mitbürgern als Brüder zu destabilisieren. Wir übermitteln den Familien der Märtyreropfer unser aufrichtiges Beileid und unsere Solidarität, ebenso den Verletzten und ihren Familien sowie den kirchlichen Autoritäten". Der Patriarch fügte hinzu: "Wir haben volles Vertrauen in die Weisheit und Entschiedenheit der führenden Verantwortlichen und sind uns sicher, dass sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen werden, um solchen schmerzhaften Ereignissen ein Ende zu bereiten. Wir bitten den allmächtigen Gott, den König des Friedens, unserem geliebten Ägypten und allen Ländern der Welt den Frieden zu schenken".

Gegenüber "L'Osservatore Romano" wird die schwierige Situation, in der sich besonders die ägyptische Hauptstadt nach dem tragischen Attentat befindet, auch vom Weihbischof des Patriarchates von Alexandria der Kopten, Botros Fahim Awad Hanna, beschrieben: "Wir sind sehr betroffen über das, was geschehen ist, aber unsere Reaktion darf sich nicht nur auf unsere zutiefst verletzten Gefühle stützen. Wir koptische Christen, katholische und orthodoxe, müssen uns vielmehr bemühen, in vernünftiger Weise zu reagieren, auch im Licht der Gebote des Glaubens". Der Bischof unterstreicht, dass "nur bei wenigen Gläubigen nach dem schweren Attentat auf die Kirche der Heiligen von Alexandria am Neujahrstag das Gefühl der Verzweiflung überwogen hat, was einige spontane Proteste bewirkt hat. Die Reaktion der großen Mehrheit der Kopten war hingegen - trotz des Blickes auf den Horror des Attentats, das 21 Tote und 97 Verletzte nach sich gezogen hat - moderat, weil der Glaube an erster Stelle das Gebet für die Opfer und die Bitte um Vergebung für jene, die geirrt haben, setzt.

Weihbischof Hanna betont, dass die gesamte Bevölkerung Ägyptens über das Attentat zutiefst erschüttert war, weil es das friedliche Zusammenleben der Gläubigen der beiden großen Glaubensgemeinschaften ernsthaft in Gefahr bringen könnte. Um zu verhindern, dass dies passieren könnte, zieht der koptisch-katholische Weihbischof den kürzlich von Mahmoud Azab, dem besonderen Dialog-Berater des Großen Imam von Al Azhar, verlautbarten Vorschlag ernsthaft in Betracht, einen neuen Organismus zu schaffen, benannt "Das Haus der ägyptischen Familie" und zusammengesetzt aus 14 Vertretern, sieben Christen und sieben Muslimen. "Das Projekt für diesen neuen interreligiösen Organismus", betont der Weihbischof, "ist auch in diesen Tagen bei den nationalen Informationsorganen vorgestellt worden. Nach seinen Befürwortern könnte dieser Organismus nicht nur eine Rolle der Vermittlung bei den verschiedenen Streitfragen zwischen den beiden Gemeinschaften spielen, sondern wäre vor allem der Ort zur Vertiefung des Dialoges zwischen Christen und Muslimen".

Für die Gemeinschaft der orthodoxen und zum Teil katholischen Kopten ist jetzt
die Zeit der Vorbereitung auf die Wiederkehr der Geburt Jesu, die nach ihrem liturgischen Kalender auf den 7. Januar fällt. Weihbischof Hanna betont: "Wir hoffen, dass sich trotz des zu Neujahr Geschehenen die Gläubigen nicht abhalten lassen, sich in den Kirchen zu versammeln und die religiösen Zeremonien zu besuchen, die regulär ablaufen. Ich denke, dass derzeit noch viele Gläubige betroffen sind von dem, was geschehen ist, aber ich vertraue auf ihren tiefen Glauben, und ich hoffe, dass sich in der Nacht der Wiederkehr der Geburt Jesu die Kirchen in noch höherem Maße als in den Vorjahren füllen". Diesbezüglich unterstreicht der Weihbischof von Alexandria der Kopten, dass die Behörden höchsten Einsatz leisten, um die Sicherheit der koptischen Gläubigen zu garantieren. "Die Begräbnisliturgien von 14 der Opfer des Attentats sind in einem Klima hohen Anstandes abgelaufen. Außerdem wurden alle Kirchen von den Sicherheitskräften bewacht".

Der Weihbischof bekräftigt, dass das Attentat auf die koptisch-orthodoxe Kirche von Alexandria nur eine - bisher die schwerwiegendste - der Episoden gestiegener Spannung in den Beziehungen zwischen Christen und Muslimen gewesen sei, einer Spannung, die von jenen künstlich geschaffen wurde, um die soziale Harmonie zu destabilisieren: "Jetzt zeigen die Zeitungen mit dem Finger auf Al Quaeda. Allerdings entsteht der Terrorismus in Sektoren der muslimischen Gesellschaft, wo andere Organisationen zur Intoleranz ermutigen. Es sind nun schon mehr als 40 Jahre, dass im Land eine schleichende Islamisierung im Gange ist, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt". In einigen Schulen würden zum Beispiel Texte verwendet, welche die Jugendlichen dazu erzögen, eine fundamentalistische und intolerante Vision des Glaubens zu pflegen.

Für den Weihbischof von Alexandria ist es daher immer dringlicher, Maßnahmen einzuleiten, die in der Lage seien, das Schüren eines Klimas der Intoleranz zu verhindern: "Man müsste zum Beispiel von den Elementarschulen an beginnen, den Kindern Toleranz beizubringen. Derzeit gibt es von Seiten der Lehrenden keinerlei ermahnenden Hinweise in Richtung des Begriffes der Einheit verbunden mit dem Respekt der Unterschiede jeder Person. Für die Schuljugend wäre es von hohem erzieherischem Wert, könnten sie sich auch mit dem auseinandersetzen, der anders als die Mehrheit ist".

Auch die Kommunikationsmittel seien entscheidend. Sie seien das Hauptinstrument, um im ganzen Land die Botschaft der Toleranz zwischen den verschiedenen Gemeinschaften auf den Weg zu bringen. "Sicherlich", präzisiert der Weihbischof, "wird die Botschaft dann wirksam sein, wenn sie auf der Transparenz und auf der Wahrheit aufbaut. Die Ehrlichkeit der Information ist ein noch nicht genügend berücksichtigter Aspekt der nationalen Medien". Schließlich ist für dieses Land aber das Thema der sozialen Gerechtigkeit von hoher Bedeutung. "Es gibt sicherlich andere Länder, in denen das Ungleichgewicht noch stärker ist. Jedenfalls ist es besser, klar zu sehen, dass auch hier in Ägypten große Unterschiede zwischen einer sehr großen Mehrheit von Armen und einer kleinen Elite von Personen, die der Mittel- und Oberschicht angehören, bestehen. Oft rührt die Gewalt von der Ausgrenzung der Jugendlichen aus der Welt der Arbeit".

Übersetzung aus dem L´Osservatore Romano (3. 1. 2011) durch Dr. Alexander Pytlik




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