Es gibt zwei Geburten unseres Herrn Jesus Christus

23. Dezember 2010 in Spirituelles


Aus einer Weihnachtspredigt des heiligen Augustinus – „Du fragst einen Menschen, auf welche Weise Gott gezeugt worden sei?“ - „Niemals gibt es den Vater ohne den Sohn“


Linz (kath.net) Der Kirchenvater Aurelius Augustinus (geb. 334, gest. 430) erlebte das Konzil von Chalcedon (451) nicht mehr, und doch lehrte er schon die Zweinaturenlehre, so wie sie dann dogmatisiert wurde und bis heute Grundbestand der christlichen Lehre aller Konfessionen ist.

Augustinus (Sermo 196,1):

Es gibt zwei Geburten unseres Herrn Jesus Christus: die eine ist göttlich, die andere menschlich.
Beide sind wunderbar: jene ohne Frau als Mutter, diese ohne Mann als Vater.

Was der Prophet Jesaja sagt, «Wer wird imstande sein, seine Herkunft zu erzählen?», lässt sich auf beide Geburten beziehen. Wer ist wohl imstande, von einem zeugenden Gott angemessen zu reden?
(Und) wer ist wohl imstande, von einer gebärenden Jungfrau angemessen zu reden?

Jenes ereignet sich ohne einen Tag, dieses an einem bestimmten Tag: beides übersteigt die Grenze menschlicher Vorstellung und ruft staunende Bewunderung hervor.

Achtet auf jene erste Zeugung: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort» (Io 1,1). Wessen Wort? Des Vaters selbst. Was war das Wort? Der Sohn selbst. Niemals gibt es den Vater ohne den Sohn.

Und dennoch zeugte er, der niemals ohne Sohn war, den Sohn. Er (der Vater) zeugte, und er (der Sohn) begann nicht. Der ohne Anfang Gezeugte hat keinen Anfang.
Und dennoch ist er der Sohn, und dennoch ist er der Gezeugte.

Nun mag jemand einwenden: Wie kann einer gezeugt sein, und dennoch keinen Anfang haben? Ist er gezeugt, hat er einen Anfang: wenn er keinen Anfang hat, wie kann er gezeugt sein? Wie, das weiß ich nicht. Du fragst einen Menschen, auf welche Weise Gott gezeugt worden sei?

Ich mühe mich ab mit deiner Frage; indes, ich appelliere an den Propheten (der sagt): «Wer wird imstande sein, seine Herkunft zu erzählen?» (Is 53,8).

Wende dich (nun) mit mir dieser menschlichen Zeugung zu, folge mir zu der, in welcher er (Gottes Sohn) sich entäußert hat, indem er die Gestalt eines Knechtes annahm (cf. Phil 2,6sq.): um zu sehen, ob wir es vermögen, sie zu begreifen, ob wir in der Lage sind, darüber etwas zu sagen.

Wer jedoch begreift dies: «der, als er in der Gestalt Gottes war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein» (Phil 2,6)?
Wer mag dies verstehen?

Wer mag dies angemessen bedenken?
Wessen Geist wagte es, dies zu durchschauen? Wessen Zunge wagte es, dies zu verkünden? Wessen Denkfähigkeit vermag es wohl, sich darüber eine Vorstellung zu machen?
Lassen wir dies für einen Augenblick: es überschreitet unseren Horizont.

Damit es aber nicht dabei bleibe, (heißt es Phil 2,7 weiter), «er hat sich selbst entäußert; indem er die Gestalt eines Knechtes annahm, wurde er den Menschen gleich». Wo? In der Jungfrau Maria.

Augustinus, Sermones (PL 38, Sermo 196,1), Übersetzung: Werkausgabe des Augustinusforschungszentrums.

Zum lateinischen Originaltext: Augustinus: quis digne enarret uirginis partum?




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