Der Papst reformiert nicht die Lehre der Kirche, sondern bestätigt sie

23. November 2010 in Aktuelles


Kath.Net dokumentiert eine Stellungnahme vom Vatikansprecher P. Federico Lombardi zur Kondomdiskussion im Wortlaut


Rom (kath.net)
Kath.Net dokumentiert die Stellungnahme von Vatikansprecher P. Federico Lombardi zu den Kondomaussagen des Papstes im neuen Papstbuch im Wortlaut in einer eigenen Übersetzung:

Am Ende des elften Kapitels des Buches "Licht der Welt" antwortet der Papst auf zwei Fragen zum Kampf gegen AIDS und zum Gebrauch des Kondoms, auf Fragen also, die wiederum an die Diskussion anschließen, welche nach einigen vom Papst zum Thema ausgesprochenen Worten im Zuge seiner Reise nach Afrika im Jahr 2009 entstanden war.

Der Papst betont klar, dass er damals nicht allgemein zum Problem der Kondome Stellung nehmen, sondern überzeugend klarmachen wollte, dass das AIDS-Problem nicht alleine mit der Verteilung von Kondomen gelöst werden könne, weil dafür viel mehr zu tun sei: vorbeugen, erziehen, helfen, beraten und den Personen nahe sein, sei es, damit sie nicht erkranken, sei es für den Fall, dass sie erkrankt seien.

Der Papst bemerkt, dass sich auch im nichtkirchlichen Umfeld ein ähnliches Bewusstsein entwickelt habe, wie es aus der sogenannten ABC-Theorie hervorgehe (Abstinence [Enthaltsamkeit] – Be Faithful [Treue] – Condom [Kondom]), bei der die ersten beiden Elemente (Enthaltsamkeit und Treue) für den Kampf gegen AIDS viel entscheidender und fundamentaler seien, während das Kondom im letzten als Ausweichmanöver erscheine, wenn die beiden ersten Punkte fehlten. Es müsse daher klar sein, dass das Kondom nicht die Lösung des Problems darstelle.

Der Papst weitet dann den Blick aus und besteht darauf, dass eine alleinige Konzentration auf das Kondom der Banalisierung der Sexualität gleichkomme, die so ihren Sinn als Ausdruck der Liebe zwischen Personen verliere und gewissermaßen zu einer "Droge" werde. Gegen die Banalisierung der Sexualität zu kämpfen sei Teil der großen Anstrengung, damit die Sexualität positiv bewertet werde und ihren positiven Effekt auf den Menschen in seiner Ganzheit haben könne.

Im Licht dieser umfassenden und tiefgehenden Sicht der menschlichen Sexualität und ihrer heutigen Problematik bekräftigt der Papst, dass "die Kirche die Kondome natürlich nicht als die authentische und moralische Lösung" des AIDS-Problems betrachte.

Damit reformiert oder ändert der Papst die Lehre der Kirche nicht, sondern er bestätigt sie, indem er von der Perspektive des Wertes und der Würde der menschlichen Sexualität als Ausdruck von Liebe und Verantwortung ausgeht.

Gleichzeitig berücksichtigt der Papst eine unnormale Situation, in welcher die Ausübung der Sexualität ein echtes Risiko für das Leben des anderen darstelle. In einem solchen Fall rechtfertigt der Papst die ungeordnete Ausübung der Sexualität moralisch nicht, sondern meint, dass der Kondomgebrauch mit dem Ziel einer Reduzierung der Ansteckungsgefahr "ein erster Schritt von Verantwortung" sei, "ein erster Schritt auf der Straße in Richtung einer menschlicheren Sexualität" im Vergleich zum Nichtgebrauch, was den anderen der Lebensgefahr aussetze.

Damit kann der Gedankengang des Papstes bestimmt nicht als revolutionäre Wende definiert werden.

Zahlreiche Theologen und angesehene kirchliche Persönlichkeiten haben ähnliche Positionen vertreten und vertreten sie weiter; es ist allerdings wahr, dass wir sie mit so viel Klarheit aus dem Mund eines Papstes noch nicht vernommen hatten, auch wenn dies in Interviewform geschieht und nicht als Akt des Lehramtes.

Benedikt XVI. gibt uns also mit Mut einen wichtigen Beitrag der Klärung und Vertiefung zu einer seit langem diskutierten Fragestellung. Es ist ein origineller Beitrag, weil er einerseits die Treue zu den Moralprinzipien hochhält und Klarheit gewährt durch die Ablehnung eines illusorischen Weges, wie ihn das „Vertrauen in das Kondom" darstellt; und weil er jedoch andererseits eine verständnisvolle und weite Sicht zeigt, die darauf bedacht ist, die kleinen Schritte - auch wenn sie nur anfangshaft und noch konfus aufscheinen - einer geistlich und kulturell zumeist sehr verarmten Menschheit in Richtung einer menschlicheren und verantwortlicheren Ausübung der Sexualität ausfindig zu machen.

Übersetzung durch Dr. Alexander Pytlik


© 2010 www.kath.net