‚Licht der Welt’: Benedikt XVI. antwortet

3. November 2010 in Aktuelles


Am 24. November wird das Interviewbuch des Journalisten und Publizisten Peter Seewald mit Papst Benedikt XVI. veröffentlicht. Die Fragen, auf deren Antworten man gespannt warten darf. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit“ lautet der Titel des Gesprächsbandes, der am 24. November in acht Sprachen gleichzeitig erscheinen wird. Der Journalist und Publizist Peter Seewald hatte in diesem Sommer Benedikt XVI. während seines Aufenthalts in Castel Gandolfo zu mehreren Unterredungen getroffen. Das Ergebnis ist ein historisches Buch, da sich bisher noch kein Papst in dieser Weise geäußert hatte. Benedikt XVI. stellte sich allen Fragen. Der Papst besticht, wie der Verlag Herder mitteilt, durch überraschende und unerwartete Antworten.

Vor der mit Spannung erwarteten Veröffentlichung dieses in der Kirchengeschichte einmaligen Buches werden nun immer mehr die Fragen bekannt, mit denen Seewald den Papst konfrontierte. Um die Antworten lesen zu können, muss man auf den Stichtag warten, da wohl selten eine Veröffentlichung derart unter Verschluss gehalten wurde. Aber allein die Fragen erlauben einen Einblick in den Verlauf der Gespräche und regen – warum nicht? – im Vorfeld zu einem Nachdenken an, wie sich denn Benedikt XVI. wohl mit diesen Thematiken auseinandergesetzt haben wird.

Zudem bestätigen allein die Fragen das, was der Autor während der letzten Frankfurter Buchmesse gesagt hatte. Er sei mehr als beeindruckt von der Güte und Disponibilität des Papstes gewesen, so Seewald vor einem Monat. Und ein Blick auf die Themen lässt erkennen, dass nur ein guter Papst es akzeptieren kann, sich in freien Gesprächen mit den großen, schwierigen und schlimmen Themen in Welt und Kirche auseinanderzusetzen. So lässt das Interviewbuch diesen mittlerweile fast sechsjährigen Pontifikat in seinen Höhen und Tiefen Revue passieren.

Die Fragen

Keiner noch so brennenden Frage wird ausgewichen: Was ist die Ursache des sexuellen Missbrauch in der Kirche? Hat es Vertuschung gegeben? Haben Sie je daran gedacht, zurückzutreten? Die Antworten dürften nicht bei rein strukturell konzipierten Erwägungen stehen bleiben.

Die sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche betonte Notwendigkeit von Reformen in der Kirche bildet ein weiteres Feld der Auseinandersetzung. Führt die positive Wertung des menschlichen Leibes zu einem Aufruf zu „besserem Sex“? Besteht die Möglichkeit, die Lehre der Kirche zum Zölibat zu überdenken? Wie schaut es aus mit dem Frauenpriestertum? Mit der Verhütung? Was kann zu homosexuellen Beziehungen gesagt werden? Und die Wiederzulassung zu den Sakramenten von wiederverheirateten Geschiedenen?

Die erste gewaltvolle Polemik des Pontifikats Benedikts XVI. geht auf die Ansprache in Regensburg während der apostolischen Reise nach Bayern im Jahr 2006 zurück. Das Zitat eines byzantinischen Kaisers und die auf den Islam gemünzte Verurteilung des Gebrauchs von Gewalt im Namen Gottes führten zu heftigen ersten Reaktionen in der islamischen Welt. Die darauffolgende Geschichte hatte dann gezeigt, wie es zu einem neuen Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und einem Teil des Islams gekommen ist. Und deshalb bohrt Seewald weiter: Kann es einen echten Dialog mit dem Islam geben?

Bisher hatten sowohl Joseph Ratzinger als auch Benedikt XVI. immer mit „Ja“ geantwortet, allerdings in einem besonderen Sinn. Jeder interreligiöse Dialog ist für den Papst ein interkultureller Dialog, das heißt er findet auf einer philosophischen und moralischen Ebene statt, nicht auf einer theologischen. So hatte Benedikt XVI. im November 2008 im Vorwort für das Buch des italienischen Philosophen Marcello Pera („Warum wir uns Christen nennen müssen“ – Perché dobbiamo dirci cristiani) eindeutig festgehalten, dass es über die Glaubensentscheidung keinen wirklichen Dialog geben könne. Es gäbe nur einen Dialog, der die kulturellen Folgen einer zugrundeliegenden Glaubensentscheidung vertiefe. Ein Dialog, der voraussetzen würde, seinen eigenen Glauben auszuklammern, ist für den Papst kein wahrer Dialog.

Auch eine ganz schlimme Frage wird gestellt, die man ansonsten nicht vor einem Papst ausspricht: Gibt es ein de-facto-Schisma in der katholischen Welt? Und der in bestimmten progressistischen Kreisen immer wieder auftauchenden Frage: „Ist die Zeit für ein III. Vatikanisches Konzil gekommen?“, zu deren Protagonisten vor allem auch der emeritierte Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini SJ gehört, wird nicht ausgewichen.

Besteht wirklich Hoffung auf die Einheit der Christen? Ist das Christentum die einzige Wahrheit? Kann der Papst wirklich in Namen Christi sprechen? Wie kann der Papst Unfehlbarkeit beanspruchen? Stehen wir wirklich in einer Zeit der „Diktatur des Relativismus“? – Am 24. November wird es möglich sein, sowohl die Person Benedikts XVI. als auch die Geschichte eines Pontifikats in einem neuen Licht zu sehen. Die Fragen sind vielversprechend. Die Antworten werden überraschen.


© 2010 www.kath.net