Das Schisma im Bistum Augsburg ist schon da

17. Juni 2010 in Deutschland


Hier geht es nicht mehr um Mixa, hier geht es darum, eine andere Kirche zu schaffen, eine deutsch-demokratische Kirche - Ein Gastkommentar zur "causa Mixa" von N. N.


Augsburg (kath.net)
Ja, Mixa hat falsch gehandelt. Er hätte jenen, die im Fernsehen darüber berichteten, vom Stadtpfarrer geschlagen worden zu sein, nicht über seinen wichtigsten Vertrauensmann mit juristischer Gewalt drohen dürfen. Vielmehr hätte er seine Betroffenheit zum Ausdruck bringen und das Gespräch mit den Gewaltopfern suchen müssen, selbst wenn er davon ausgeht, nicht der Täter gewesen zu sein. Und hätte Mixa auf sein Herz und nicht auf seinen Berater gehört, wäre es auch so gelaufen. Er hätte von vornherein einräumen müssen, dass er früher auch mal „Watschn“ verteilt hat und nicht sagen dürfen, „nie jemals“ Gewalt ausgeübt zu haben. So hat es auch Georg Ratzinger getan, und niemand nimmt es ihm übel. Er hätte nicht sagen sollen: „Ich habe ein reines Herz“. Vielleicht stimmte es, weil er gerade aus dem Beichtstuhl kam, doch wie arrogant wirkt das auf die Leute, auch wenn es nicht so gemeint war?

Er hätte sich manche Geldausgabe sparen können und angesichts von Millionen Hartz-4-Empfängern nicht verschwenderisch unnütze Projekte finanzieren dürfen, erst recht nicht aus Stiftungsvermögen des Waisenhauses. Trinkt Mixa abends gerne mit seinen Gästen bis tief in die Nacht? Es wird in den Medien gestreut, Mixa sei Alkoholiker. Er selbst hat dem entschieden widersprochen. Aber muss ein Bischof Anti-Alkoholiker sein? Hat man diesen Vorwurf nicht auch schon dem Herrn gemacht: „Dieser Fresser und Säufer!“ (Mt 11,19)?

Doch was soll das alles? Mixa ist kein Heiliger, er muss es auch nicht sein, zumindest nicht so, wie man sich landläufig einen Heiligen vorstellt. Dass er ein „Heiliger“ ist, behaupten auch nicht „seine Freunde“, die nun stasimäßig aufgefordert werden, sich von ihm zu distanzieren oder zu kündigen. Mixa ist bzw. war ein Amtsträger, der auch Mensch ist, mit Schwächen und Fehlern, mit Runzeln und Makeln.

Doch um all das geht es doch gar nicht. Wer die Bewegung, die Mixa zu Fall gebracht hat, aufmerksam beobachtet, dem schreit es doch ins Gesicht: hier geht es nicht um die Person Mixas, der als Amtsträger angeblich nicht seinem Amt gerecht wird. Hier geht es auch nicht darum, einen „guten Nachfolger“ zu finden. Hier geht es darum, eine andere Kirche zu schaffen, eine deutsch-demokratische Kirche.

Doch Moment! Man sollte nicht verallgemeinern. Es gibt sicher eine Menge unterschiedlicher Motive jener, die auf irgendeine Weise am Sturz Mixas mitgewirkt haben, und nicht allen kann man Antikirchlichkeit unterstellen. Da ist beispielsweise das Domkapitel, das sich seit 2005 vom Platz gestellt fühlt (um in der Fußballsprache zu reden).

Als Mixa kam, wurde sogleich der Begriff „Bistumsleitung“ von der Internetseite des Bistums entfernt. „Bistumsleitung“, das ist kein Kollegium, auch nicht das Domkapitel, sondern der Bischof als Person. Da hatte Mixa völlig recht. Aber es schmerzte natürlich diejenigen, die sich seitdem als erstes Beratungsorgan des Bischofs nicht mehr so richtig ernst genommen fühlten.

Dass dies ein Generalvikar nicht auf Dauer aushalten kann, ist verständlich und menschlich tragisch. Aber ein Generalvikar ist das „alter ego“, das andere Ich des Bischofs – und nicht umgekehrt. Politisch völlig unkorrekt war es natürlich, dass der Bischof als erste Amtshandlung die einzige Frau aus der Ordinariatssitzung ausschloss und der unverheirateten Dame, die Theologische Referentin des liberalen Vorgänger-Bischofs war, mit Witz die eigens eingerichtete Stabsstelle für Ehe und Familie übertrug. Doch Unrecht war das nicht. Spätestens, seitdem Frau Prof. Riedl, die der Bischof noch zur Leiterin der Hauptabteilung Schulischer Religionsunterricht ernannt hat, auf der Abschussliste steht, ist klar, dass es den Protestlern nicht um die Frauenquote geht.

Denn Gerda Riedl ist im Fadenkreuz der Mixa-Gegner – nicht, weil sie Frau, sondern weil sie rechtgläubig ist. Auch die Seminarleitung des Priesterseminars besetzte Mixa neu, indem er den liberalen Regens durch den früheren bischöflichen Sekretär ersetzte, bei dem er sicher sein konnte, dass er in seinem Sinne handelt. All das ist völlig rechtmäßig. In der Politik würde man keinem Regierungschef vorwerfen, dass er Leute aus der Verantwortung entlässt, die nicht in seinem Sinne handeln, und stattdessen andere einsetzt, die seine Linie vertreten. Doch in einem bayerischen Bistum ist das anders. Hier gibt es Seilschaften und Pfründe, die man verteidigt.

Und wenn dann ein Bischof plötzlich autoritär regiert, schafft das Unmut, vor allem, wenn der Bischof nicht auf seine Domkapitulare setzt, sondern auf einen einzelnen Laien, der eine markige katholische Linie vertritt. Dieses Umgehen, ja Ausschalten der alten Akteure war der Funke, der die Lunte entflammte.

Dann gab es die Medien, die seit Watergate wie Hyänen immer auf der Lauer liegen, um Skandale aufzudecken und als „vierte Gewalt im Staat“ öffentlich zu machen, was an den Pranger gestellt gehört. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber es gibt natürlich auch jene kirchenfeindlichen Medien, die offensichtlich einen Wettbewerb ausgeschrieben haben, wem es als erstem gelingt, einen deutschen Bischof zu „schlachten“.

Prof. Arntz will der Süddeutschen ja nun auch die Ulrichsmedaille dafür umhängen. Probiert hatte man es oft, schon seit 1989 beim Erzbischof von Köln, Kardinal Meisner. Die Reihe ließe sich fortsetzen: Erzbischof Dyba, Bischof Müller, Bischof Schraml, Bischof Tebartz-van Elst. Und natürlich auch im deutschsprachigen Ausland: bei Bischof Haas und dem ernannten Weihbischof Wagner ebenso. Allesamt konservative Bischöfe! Doch wieso klappte es nicht in Deutschland?

Bislang hatte man es in Deutschland nur mit dem Vorwurf versucht, der jeweilige Bischof sei zu konservativ, politisch inkorrekt oder würde zuviel Geld für Prestigeobjekte ausgeben. Dies kratzte viele Bischöfe in ihrem Image zwar an, vermochte sie jedoch nicht zu stürzen.

Da kam diesen Medien etwas zu Hilfe: die Gewalt- und Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Um es klar zu sagen: wer Kinder sexuell missbraucht hat, ist untragbar für ein kirchliches Amt. Doch darum geht es nicht. Endlich hatte man das Instrument gefunden, das unfehlbar wie eine Guillotine wirkt. Nicht nur die selbstverständlich berechtigte Entfernung sexuell straffällig gewordener Kleriker war die Folge. Nein: die Guillotine trifft nun auch alle übrigen: diejenigen, die einem straffällig gewordenen Kleriker eine Chance der Umkehr und Bewährung geben wollten, jene, die davon wussten, aber nichts gesagt hatten, und auch jene, die „möglicherweise“ vielleicht eine solche Tat begangen haben könnten, auch wenn alles nur Spekulation ist. So schaffte man es jetzt gerade, den konservativen australischen Kardinal George Pell als Präfekt der Bischofskongregation zu verhindern, weil er einen Jugendlichen in den 1960-er Jahren missbraucht haben soll – eine unabhängige richterliche Untersuchungskommission hatte ihn davon freigesprochen, aber was soll’s? Und so klappte es zuvor auch mit Bischof Mixa. Und das soll keine Intrige sein? Schon der tatsächlich unbegründete Verdacht auf einen Missbrauch ist jetzt ausreichend, um einen katholischen Amtsträger öffentlich hinzurichten.

Dass mit dieser Methode unser ganzes Rechtssystem auf den Kopf gestellt wird, wird total übersehen. Früher gab es die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Früher gab es den Richter, der Kläger und Angeklagten hörte, Zeugen vernahm, Beweise bewertete und schließlich ein Urteil fällte. All das ist derzeit für die katholische Kirche außer Kraft gesetzt. Im Fall Mixa gab es keinen Richter, der sich jemals mit der causa befasst hat.

Es gab nur einen privat eingesetzten „Sonderermittler“, einen Rechtsanwalt, der „Kläger“, „Ermittler“, „Ankläger“ und „Richter“ in einem war. Sein Wort galt. Dass der überforderte junge Mann irreparable Ermittlungsfehler machte, indem er mehrere Betroffene zeitgleich interviewte, interessierte niemanden.

Wenn Betroffene behaupteten, vom Stadtpfarrer mit dem Stock auf den blanken Hintern geprügelt und nach dem Brechen des Stocks mit dem Gürtel weiter geprügelt worden zu sein unter dem begleitenden Chorgesang der Schwestern: „Hau nei, hau nei!“, kommt das in den Bericht, der der Presse zum Fraß vorgeworfen wird, auch wenn es absurdes Theater ist. Keiner, der Mixa persönlich kennt, traut ihm das zu. Abgesehen davon hätten die Ordensschwestern den Herrn Stadtpfarrer niemals geduzt. Doch so steht es im Bericht des Sonderermittlers, darum muss es einfach stimmen. „Hugh, ich habe gesprochen!“

Doch es soll hier keine undifferenzierte Medienschelte erfolgen. Neben der wirklich kirchenfeindlichen Presse gab es andere, wie den Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, ein aufrechter Katholik und solider Journalist, der lange mit sich gerungen hat, wie er mit der causa Mixa umzugehen hat. Schließlich musste er auf den fahrenden Zug aufspringen, rechtfertigt sich nun aber damit, dass er von beiden Seiten geschlagen wird – so falsch könne er also nicht gelegen haben.

Letztlich wurde auch er instrumentalisiert, das muss ihm jetzt klar geworden sein, als er mit katholischen Positionen bei der Podiumsdiskussion den Unmut der „Pfingstler“ auf sich zog.

Mixa hat falsch gehandelt, das haben wir anfangs schon festgestellt. Ob er jedoch Kinder brutal geschlagen hat, ist nach wie vor unbewiesen. Doch Mixa ist auch ein Opfer, ein Missbrauchsopfer! Von Kanada bis nach Australien war zu lesen, dass Bischof Walter Mixa von Augsburg unter Verdacht steht, einen Minderjährigen sexuell missbraucht zu haben. Wahr war an diesem Verdacht überhaupt nichts. Und jene, die diesen falschen Verdacht in die Welt gesetzt, das heißt, in die Öffentlichkeit gebracht haben, haben damit offensichtlich einen Rufmord begangen, der unheilbar ist. Und wenn man nun, nachdem auch der Hauch eines Verdachtes ausgeräumt ist, gegen besseres Wissen weiter von einem „möglichen Täter“ spricht, der „möglicherweise … mehrfach sexuell übergriffig geworden“ ist, und der, der dies sagt, früherer Regionaldekan und Inititator der Augsburger „Pfingsterklärung“ ist, dann gewinnt man einen tiefen Einblick in die Jauchegrube des Bistums Augsburg.

Und damit sind wir beim aktuellen Problem. Denn nicht Mixa ist das Problem, sondern die vom Ungeist gepackte Masse jener, die nun in offener Rebellion – nicht nur gegen den emeritierten Bischof, sondern gegen die Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche, ja gegen die Kirche aufbegehren. Und damit sind wir nun auch bei der deutsch-demokratischen Kirche, die nun mit aller Gewalt im Bistum Augsburg gegründet werden soll – nicht, indem man eine neue Kirche gründet, sondern, indem die katholische Kirche transformiert wird.

Chefredakteur Günther von der Augsburger Allgemeinen hat völlig Recht mit seiner klaren Analyse, dass die Gräben im Bistum Augsburg sich seit dem Weggang Mixas noch vertieft hätten. Doch es ist nicht der Graben zwischen den Anhängern und Freunden Mixas auf der einen und den lauteren Erneuerern im Bistum Augsburg auf der anderen Seite. Hier geht es nicht um Mixa oder Nicht-Mixa. Hier geht es nicht um Personen. Hier geht es auch nicht um die eine oder andere theologische Variante, über die man diskutieren könnte. Hier geht es um die Substanz der katholischen Kirche, um ihre Glaubens- und Sittenlehre, um ihre päpstlich in Kraft gesetzte Rechtsordnung und um die Frage, was die Kirche von ihrem Wesen her ist und was ihrem Wesen widerspricht, welchen Zweck sie in der Welt hat und was nicht ihre Aufgabe ist. Spätestens mit den beiden Diskussionsrunden des Augsburger Presseclubs und der Augsburger Moritzkirche, an der Hunderte Anwesende antikirchliche Positionen mit Beifall bejubelt haben und die von mittlerweile über 3.000 Unterzeichnern der Augsburger „Pfingsterklärung“ mitgetragen werden – zahllosen Theologieprofessoren, Dekanen, Pfarrern, Kaplänen, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, engagierte Laien und Ordenssschwestern –, ist deutlich: es geht um eine andere Kirche.

Mixa musste nicht gehen, weil er „Kinder geschlagen“ oder „gelogen“ hat, er musste weg, weil er für eine Kirche steht, die hierarchisch gegliedert ist und nur Männer als Amtsträger hat, eine Kirche, die eine Glaubens- und Sittenlehre vertritt, die dem Zeitgeist widerspricht.

Spekulation? Nein! Das ist eine Tatsache. Was fordern denn die Augsburger Rebellen, die nun das „Eisen schmieden wollen, solange es heiß ist“? Der Augsburger Moraltheologe Arntz wirft Mixa „vordemokratisches Verhalten“ vor.

Kritisiert wird das Tragen von Priesterkleidung, die offensive Werbung für den Priesterberuf. Im katholischen Moritzsaal wird in Anwesenheit katholischer Amtsträger unwidersprochen die Forderung nach der Ordination von Frauen zum Priesteramt erhoben – wer dies tut, befindet sich gemäß Erklärung der Glaubenskongregation nicht mehr in der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche! Wie reagiert darauf der Diözesanadministrator: er schweigt. Wer schweigt, stimmt zu! Mehrfach wird in den Versammlungen zum „zivilen Ungehorsam“ aufgerufen – das ist offene Rebellion gegen den Papst und die Kirche. Man rühmt sich, als Protestantin unerlaubt zur Kommunion zu gehen und fordert „Gastfreundschaft“ – warum werden diese theologischen Naivlinge nicht katechetisch unterwiesen?

Was jetzt gefordert wäre, wäre eine starke Diözesanadministration, die die Grenzen aufzeigt. Mit der Forderung nach „Ruhe“ ist es nicht getan. Hier muss der Mut gefunden werden, mit bischöflicher Autorität „contra“ zu sagen gegenüber Forderungen, die mit dem Katholischsein nicht vereinbar sind. Man darf dem künftigen Bischof von Augsburg keine „verbrannte Erde“ übergeben, heißt er nun „Mixa“ (was durchaus möglich wäre) oder (wahrscheinlich) anders. Doch wenn man jetzt den Rebellen freien Lauf lässt, dann wird das Bistum Augsburg aus der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche völlig herausfallen. Das Schisma ist schon da, unsichtbar, aber weithin hörbar.

N. N. ist ein Mitarbeiter im Bistum Augsburg


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