Verzettelt

18. Mai 2010 in Deutschland


Der 2. Ökumenische Kirchentag zeigte die Schwächen der Ökumene: Verzettelte Programme, Gesprächsrunden ohne Neuigkeitswert, ein bisschen Klamauk, eine Prise Betroffenheit und kaskadenweise Pastoraljargon - Von Regina Einig / Die Tagespost


München (kath.net/Tagespost)
Wohin führt der beim zweiten Ökumenischen Kirchentag vielbeschworene „Geist der Ökumene“ die Gemeinde? Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat vollkommen logisch weitergedacht als er ein interreligiöses Treffen anregte. Der zentrale Christusbezug fehlte in München weitgehend. Mehr noch: Das Potpourri der ernsthaft diskutierten Häresien war unterfüttert von der Vorstellung, alle monotheistischen Religionen hätten dasselbe Gottesbild. Mit professioneller Routine wurden Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen kleingeredet. Im selben Stil könnte Gottgläubigkeit als kleinster gemeinsamer Nenner ausgerufen werden. Die Wiederkehr des beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 umjubelten Dalai Lama dürfte sogar die Übermutter des Protestantismus Margot Käßmann in den Schatten stellen und die Abendmahlsdebatte oder das notorische Fehlen der Christen mit Migrationshintergrund überstrahlen.

Denn in München sprangen die Schwächen der Ökumene grell ins Auge. Auf Kirchentagen schlägt das Herz der deutschen Provinz: Verzettelte Programme, Gesprächsrunden ohne Neuigkeitswert, ein bisschen Klamauk, eine Prise Betroffenheit und kaskadenweise Pastoraljargon – nichts für fremdsprachige Gemeinden. Doch was wären Ortskirchen in Berlin oder Frankfurt ohne polnische, philippinische und kroatische Christen? Dankbar dürfen die Veranstalter den Orthodoxen sein. Sie durchbrachen die Endlosschleife der Abendmahlsfrage mit der Einladung zur Vesper auf ihre Weise. Bei Äpfeln und gesegneten Broten boten sich Bilder gemeinschaftsgesättigter Zufriedenheit. Wie vielen Besuchern brannte überhaupt das Herz nach dem gemeinsamen Abendmahl? Wer an den Ständen sein Herz ausschüttete, vermisste oft nur zwischenmenschliche Wärme, familiären Halt oder schlichte Lebenshilfe. Schade, dass die Gesprächsführung auf den Podien keineswegs auf Dialog ausgelegt war: Sogar bei Veranstaltungen zu ökumenischen Kernthemen blieben Anfragen des Publikums auf ein Minimum begrenzt.

Dass sich mancher bei einem fair gehandelten Kaffee in den Messehallen auch anregend unterhielt ändert nichts an der bleiernen Müdigkeit, die über der Veranstaltung lag. Theatralik und Anbiederung paarten sich: Nach ätzender Papstkritik im Vorfeld des Kirchentags durfte Margot Käßmann in der ehemaligen Bischofskirche Joseph Ratzingers öffentlich provozieren. Die Antibabypille als Mittel gegen Müttersterblichkeit anzupreisen, war einer Christin unwürdig. Der rasche Ruf nach der Pille liegt auf der Linie der Pharmakonzerne und politischer Billigkonzepte. Doch wenn Kirchenvertreter Arme nicht öffentlich als Geschenk und Abbild Gottes anerkennen, wer sonst?

Käßmanns Ansprache war symptomatisch für die Entsolidarisierung der Frauen auf dem Kirchentag. Erfahrungen von Müttern in traditionellen Familien waren in München nicht wirklich gefragt. Das weitaus drängendere Thema schien die Mutterrolle von Lesben zu sein. Einseitig fiel auch die Perspektive auf Entwicklungs- und Schwellenländer aus. Nichts gegen medial inszenierte Scheckübergaben deutscher Wohltäter. Doch welchem Armen hilft es, wenn sich Referenten auf Kirchentagspodien berufen fühlen, Monster unter den Marktmechanismen zu vertreiben? Dass sich Küng & Co an Reizthemen abarbeiteten, junge Christen aus Afrika oder Lateinamerika aber nicht über ein Leben in der Nachfolge Jesu Zeugnis ablegten, spricht für sich. Eine faire Lösung wäre, einen dritten Ökumenischen Kirchentag abzusagen – den Armen zuliebe. Das Geld wäre in der Bildung ihrer Kinder besser angelegt.

© Bild: 2. ÖKT/Burst

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