Sammelbecken Kirchentag

14. Mai 2010 in Aktuelles


80.000 feiern Eröffnung – Eröffnungsworte, Bibellesen, ein Atheistenumzug, ein Platzverweis für Lebensschützer, …


München (kath.net/idea) Mit drei parallelen Freiluftgottesdiensten hat am 12. Mai der 2. Ökumenische Kirchentag in München begonnen. Wo sonst das Oktoberfest stattfindet, feierten rund 55.000 Menschen auf der Theresienwiese die Eröffnung des kirchlichen Großereignisses. An zwei anderen Gottesdiensten in der Stadt nahmen nach Angaben der Veranstalter rund 25.000 Personen teil.

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Johannes Friedrich (München), erinnerte in einer Dialogpredigt mit dem katholischen Münchener Erzbischof Reinhard Marx an die „unvergängliche Hoffnung durch Jesus Christus“. Diese sei „kein Versprechen mit kurzer Laufzeit“, sagte Friedrich, denn sie werde von Gott geschenkt.

Marx kritisierte, dass Amtsträger der Kirche die Hoffnungen von Menschen enttäuscht hätten. Christen hätten den Auftrag, für die gleiche Würde aller Menschen einzutreten. Dieser Aufforderung könne man aber nur mit der Hilfe von Gott nachkommen.

Bundespräsident Horst Köhler sagte, der Ökumenische Kirchentag komme „zur rechten Zeit“. Man habe in den vergangenen Jahren den Eindruck gehabt, der ökumenische Schwung habe nachgelassen. Er hoffe aber, dass bei dem Ereignis deutlich werde, wie weit das Miteinander von Katholiken und Protestanten bereits vorangekommen ist.

Die Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen bezeichnete Köhler als „dunkle Wolken“, die in den vergangenen Monaten über die Kirche gezogen seien. Viele würden ihr nun den Rücken kehren oder sie verspotten. Aufklärung und Zuwendung zu Opfern sei „das Gebot der Stunde“.

Zugleich hob das Staatsoberhaupt aber auch das vielfältige Engagement von Christen hervor. „Ich möchte auch daran erinnern, wieviel Gutes durch gläubige Menschen getan wird“. Als Beispiele nannte er unter anderem die Seelsorge, die Arbeit der Religionslehrer und der Einsatz von Jugendleitern in christlichen Organisationen. Dieses Engagement habe Dank und Anerkennung verdient.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach den Organisatoren und freiwilligen Helfern seinen Dank aus. Er sei stolz, dass der Ökumenische Kirchentag in diesem Jahr auf bayerischem Boden stattfinde. Der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bezeichnete das Ereignis als „eine Plattform der gesellschaftspolitischen Diskussion“, bei der Menschen hofften, Orientierung zu finden.

Papst Benedikt XVI. räumte in einem schriftlichen Grußwort angesichts der Missbrauchsvorwürfe ein, dass es „Unkraut gerade auch mitten in der Kirche“ und unter denen gebe, die „der Herr in besonderer Weise in seinen Dienst genommen hat“. Die Kirche bleibe aber dennoch ein Ort der Hoffnung, weil sie Gottes Wort zu den Menschen bringe und den Weg des Glaubens zeige. Er rief die Christen dazu auf, sich weiterhin in der Kirche zu engagieren.

Nach den Eröffnungsgottesdiensten feierten rund 400.000 Menschen in der Münchener Innenstadt einen „Abend der Begegnung“. Mit zahlreichen Konzerten, kulinarischen Angeboten und anderen Veranstaltungen hieß die bayerische Landeshauptstadt ihre Gäste willkommen. Den Abschluss bildete am späten Abend ein Lichterkreis um die ganze Innenstadt. Bis zum 16. Mai stehen rund 3.000 Veranstaltungen auf dem Programm, zu denen sich rund 125.000 Dauerteilnehmer angemeldet haben.

Täglich im „Liebesbrief Gottes“ lesen

Zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Bibel hat der Leiter der evangelistischen Aktion „Pro Christ“, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), aufgerufen. Jeder Christ sollte täglich einen Abschnitt aus der Bibel lesen, empfahl der frühere Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbandes. Er selbst habe im Alter von 14 Jahren damit begonnen: „Ich lese die Bibel jeden Tag als Liebensbrief Gottes an mich.“

Um die historischen Hintergründe der Texte besser zu verstehen, empfahl Parzany, Hilfsmittel wie Bibellexika und andere Literatur zu benutzen: „Es gibt heute allgemein verständliche Bibelauslegungen in sehr guter Qualität.“ In einer Veranstaltung „Wir lesen die Bibel“ am 13. Mai kritisierte Parzany zugleich davor, die Texte der Heiligen Schrift durch eine „ideologische Brille“ zu betrachten. Dies geschehe bei einer historischen Bibelkritik, die nach einem menschlichen Wirklichkeitsverständnis dogmatische Voraussetzungen festgelegt habe, nach der man die Bibel auslegen müsse. Dies führe etwa zu dem Ergebnis, dass die Auferstehung Jesu Christi kein historisches Ereignis gewesen sein könne.

Platzverweis für Abtreibungsgegner

Ein Abtreibungsgegner hat einen Platzverweis vom Ökumenischen Kirchentag in München erhalten. Klaus-Günter Annen (Weinheim bei Heidelberg) hatte, wie er idea mitteilte, am 13. Mai auf dem Zugang zum Messegelände – wie etliche andere Personen - Flugblätter verteilt. Sie trugen die Aufschrift „Leben in unserer Hand – Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wenn Sie nichts tun, tun es andere, aber anders, als Sie es wollen.“

Innen waren laut Annen Darstellungen von der Entwicklung des menschlichen Embryos sowie Fotos von Antreibungen abgebildet. Diese hätten offenbar Anstoß erregt. Nach eineinhalb Stunden sei er aufgefordert worden, den Zugang, der zum Messegelände gehört, zu verlassen. Dann seien auch Polizisten und der stellvertretende Geschäftsführer des Ökumenischen Kirchentags, Ulrich Schneider (München), aufgetaucht und hätten ihm den Platzverweis erteilt. Er werde jetzt die Flugblätter in der Innenstadt verteilen. Annen ist Vorsitzender des Lebensschutzvereins „Initiative Nie wieder“ mit, der unter anderem die Internetseite www.babycaust.de betreibt.

Katholischer Theologe: „Homophobie“ ist „strukturelle Sünde“

Als „strukturelle Sünde“ hat der katholische Theologe Michael Brinkschröder (München) „homosexuellenfeindliche“ Einstellungen unter Christen verurteilt. Zwischen konservativen und schwulen oder lesbischen Christen gebe es einen „massiven moralpolitischen Kampf“, sagte er am 13. Mai auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München. Die ablehnende Haltung gegenüber Homosexuellen sei keine Einzelmeinung, sondern existiere in einer institutionalisierten Form. „Christliche Homophobie ist in vielen Bereichen der Welt zu einem zentralen Problem (…) geworden“, sagte Brinkschröder.

Der Grund sei ein Bibelverständnis, das die geschichtlichen Zusammenhänge außer acht lasse oder Bibeltexte falsch auslege. Als Beispiel nannte er den Bericht über die Stadt Sodom. In 1. Mose 19 wird über die sündhaften Zustände dort berichtet, die dazu führen, dass Gott Engel schickt, um die Gerichtsreife dieser Stadt zu prüfen. Der Gottesmann Lot nimmt die in menschlicher Gestalt erschienenen Boten Gottes bei sich auf. Die Einwohner Sodoms fordern ihn, seine Gäste herauszugeben, um mit ihnen (homosexuellen) Geschlechtsverkehr haben zu können. Dies führt schließlich dazu, dass Gott sich entscheidet, die Stadt zu zerstören. Nach Brinkschröders Ansicht war für diesen Entschluss jedoch nicht die Homosexualität der Einwohner der Grund, sondern die geplante Vergewaltigung der göttlichen Boten.

Auf die Frage eines Besuchers, ob auch Jesus schwul war, gab Brinkschröder keine eindeutige Antwort. Dies lasse sich nicht wissenschaftlich beantworten; allerdings würde er die Möglichkeit nicht ausschließen. Ebenso verhalte es sich mit dem Hauptmann von Kapernaum (Lukas 7), der mit der Bitte zu Jesus komme, seinen (geliebten) Knecht zu heilen. Auch in diesem Fall sei nicht auszuschließen, dass die Bibel eine gleichgeschlechtliche Liebesbeziehung beschreibe. Aus schwuler Sicht solle man sich diese Textstellen aneignen, um in der Diskussion deutlich machen zu können, dass es in der Bibel nicht nur homosexuellenfeindliche Stellen gebe.

Der katholische Theologe forderte dazu auf, liberale und schwule bzw. lesbische Theologen zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, um die christliche Homophobie besonders in der katholischen Kirche zu überwinden. Er kritisierte ferner, dass von Papst Benedikt XVI. das Naturrecht über das Menschenrecht gestellt wurde. Dies führe zu einer Ausgrenzung von Schwulen und Lesben, da Homosexualität als widernatürlich angesehen werde. Der Pfarrer Martin Franke (Seligenstadt/Südhessen) vertrat die Ansicht, dass innerhalb der EKD der Diskurs zur Hälfte bereits „positiv beantwortet“ sei, da in vielen Landeskirchen sich gleichgeschlechtliche Partner segnen lassen können. In der katholischen Kirche und auf evangelikaler Seite werde dagegen versucht, Homosexuelle aus der Diskussion auszugrenzen.

Atheisten: „Frohe Prozession“ mit Penis-Kruzifix

Mit einem aus drei Penissen bestehenden Kruzifix haben Atheisten am 13. Mai in München eine „Frohe Prozession“ abgehalten. Die Teilnehmer forderten ein Ende des sexuellen Missbrauchs in Kirchen und Heimen, die Abschaffung aller kirchlichen Feiertage sowie die Streichung des Religionsunterrichtes an Schulen. Nach Polizeiangaben nahmen 160 Demonstranten an der Prozession teil. Sie fand als Gegendemonstration zum 2. Ökumenischen Kirchentag in München statt. Veranstalter waren der Bund für Geistesfreiheit, die Giordano-Bruno-Stiftung und die Humanistische Union. Schirmherr war der Schriftsteller und Kirchenkritiker Karlheinz Deschner (Haßfurt am Main). Nach Angaben der Veranstalter war es das Ziel, eine „freigeistige Alternative zu klerikalem Muff und weihrauchvernebelter Doppelmoral“ zu bieten und „die verknöcherten Strukturen der Amtskirchen zum Wanken zu bringen“.


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