Manche Priester haben ein Beziehungsproblem. Mit Gott.

10. Mai 2010 in Interview


Der Wiener Psychiater und Psychotherapeut Raphael Bonelli spricht im Interview mit der "Tagespost" über pädophile Irrwege, ganz normale Versuchungen und die Möglichkeit, in der Wahrheit zu leben - Von Stephan Baier / Die Tagespost


Wien (kath.net/Tagespost)
Die Tagespost: Die Kirche ist seit Monaten im Mittelpunkt der Missbrauchs-Debatte. Warum fokussiert sich die Diskussion so sehr auf die Kirche und ihr Personal?

Raphael Bonelli: Weil scheinbar das Gute als schlecht entlarvt wurde. Die, die Gott bringen hätten sollen haben sich vergangen. Corruptio optimi pessima. Das schockiert und paralysiert - oder macht wütend. Da hilft es nicht, wenn uns der Kopf sagt, dass Pädophilie-Täter nur einen verschwindend geringen Anteil des Klerus ausmachen, und dass Priester eine zigfach geringere Wahrscheinlichkeit haben, pädophil zu sein: das Gefühl bleibt. Irgendwie weiß man schon, zu welchen Scheußlichkeiten der Mensch fähig ist; aber dass auch der Priester diesen menschlichen Abgrund in sich trägt ist offensichtlich schwer verkraftbar. Dass jemand auf die schöne menschliche Liebe verzichtet und dann in solche Perversionen verfällt, ist ja ein menschliches Scheitern das sprachlos macht, das erschüttert. Wenn irgendein Pädophiler aufgedeckt wird, ist das eine Einzelperson. Aber wenn es ein katholischer Priester ist, dann steckt die Kirche mit drinnen. Für viele Menschen ist das zudem sehr emotional besetzt, weil die Kirche in ihren Augen für „Sexualrepression“ steht. Deshalb erleben sie es als extrem scheinheilig, wenn ihre Amtsträger so etwas machen. Die Kirche steht hier psychodynamisch für den strengen Vater, der autoritär Sexualität verbietet. Da mischt sich dann die Enttäuschung über den gefallenen Vater mit der lange aufgestauten Wut, die seine Zurechtweisung verursacht hat.

Repräsentiert also die Kirche das eigene schlechte Gewissen?

Ja, das kann durchaus sein: die Kirche repräsentiert eine Wahrheit, die im Grunde in jedem Gewissen eingeschrieben ist, nämlich dass Sexualität nicht schrankenlos gelebt werden kann. Dass man sich zurücknehmen können muss, dass man Rücksicht nehmen muss. Die eigene Sexualität wird immer als verletzliche Intimität erlebt, in der man nicht gerne zurechtgewiesen wird.

Kann man der Situation auch etwas Gutes abgewinnen?

Ja, vielleicht: zum einen setzt das innerkirchlich einen Reinigungsprozess in Gang. Das Opfer merkt, dass die Kirche die Taten des Täters nicht gutheißt und kann sich so leichter mit ihr versöhnen. Weiters wird mit der These aufgeräumt, dass Sexualität immer gut oder zumindest harmlos ist. Es wird klarer, dass es einer persönliche Anstrengung bedarf, um keusch zu leben.

Dann kommt die These, dass die „Tabuisierung der Sexualität“ – die Teile der Öffentlichkeit der Kirche vorwerfen – zu einer Fehlkanalisierung des Sexuellen führe. Ist daran etwas Wahres?

Wir wissen heute, dass die Sexualität begrenzt werden muss, wenn man sie gesund und glücklich leben will. Sexuelle Gewalt und Pädophilie zeigen uns, dass Sexualität nicht schrankenlos gelebt werden kann, weil sie auch schaden kann. Trotzdem träumen nach wie vor erstaunlich viele von einem solchen Zustand und glauben, das sei die heile Welt. Das kommt besonders aus der Ideologie der 68er Bewegung. Dass die Repression von Sexualität zur Perversion gerät, das ist ein sehr plumpes, mechanistisches Menschenbild, das an Sigmund Freud angelehnt ist und noch in vielen Köpfen herumspukt, obwohl es längst überholt ist. Seit der sexuellen Revolution sind vor allem Männer der Meinung, dass sie sich sexuell verwirklichen müssen, weil sie sonst krank würden. Sexualität wird hier als dranghaft notwendig erlebt, nicht mehr als kultivierbar und steuerbar durch die Vernunft.

Wäre die Empörung geringer, wenn es keinen für katholische Priester verpflichtenden Zölibat gäbe?

Es kann schon sein, dass die Emotionen dann nicht so hoch gingen, denn der Zölibat ist noch immer ein Dorn im Auge des Zeitgeistes. Er zeigt nämlich, dass ein Mann um einer großen Liebe willen seine sexuellen Bedürfnisse zurückstellen kann. Dieses Zeichen ist störend für die Spaßgesellschaft, deshalb wird gegen diese Bastion angerannt. Wenn der Priester verheiratet wäre, dann wäre er nicht so herausgehoben, sondern „einer von uns“. Es ist interessant, dass in den Ostkirchen, wo es verheiratete Priester gibt, die Zölibatären mehr geschätzt werden. Auch in buddhistischen Mönchskulturen versteht man, dass ein ganz spirituelles Leben mit dem Zölibat verbunden ist.

Kann der Zölibat krank machen?

Ja. Zölibat kann krank machen, wenn man ihn falsch lebt. Zölibat ist nie eine Existenzform in sich, sondern rein psychodynamisch-menschlich gesehen durchaus ein Defizit, eine Schieflage, eine Wunde. Dieses Defizit aber macht eine immense transzendente Offenheit möglich - deswegen gibt es zölibatäre Lebensformen auch in allen Kulturen. Der Zölibat kann ohne das Phänomen des Glaubens und der Liebesbeziehung mit Gott nicht erklärt werden. Wenn ein zölibatärer Mensch nicht eine intensive Beziehung pflegt mit seiner Liebe, nämlich mit Gott, dann verkümmert er menschlich oder hält nicht durch. Es ist auch wichtig, dass ein zölibatärer Mann weiß, was eine Frau ist und wie er mit ihr richtig umgeht. Zuviel Vertrautheit und Selbstoffenbarung kann zu einer Situation führen, die leicht kippen kann. Ich habe in meiner Praxis immer wieder Priester, die in eine Liebesbeziehung geschlittert sind, die sie eigentlich gar nicht wollten. Meist ist der Betroffene am Anfang nicht ehrlich mit sich selbst. Oft deutet er die eigenen Sehnsüchte pastoral um, bis die wachsende Intensität der Beziehung in Körperlichkeit umschlägt. Am Anfang steht das emotionale Defizit der Einsamkeit, das in einer gesunden Gottesbeziehung durch Gebet gefüllt wird. Wenn durch Stress und Aktivismus das Gebet vernachlässigt oder inhaltsleer wird, dann wird der Priester anfällig für solche menschlich natürlichen Sehnsüchte.

Was geschieht aus psychiatrischer Sicht beim Zölibat mit der Sexualität: Wird sie verdrängt oder unterdrückt?

Nach dem Freudianischen Modell würde man sagen: Sexualität wird hier sublimiert. Aber das greift zu kurz. Es ist besser zu verstehen, wenn man unterscheidet zwischen Geschlechtlichkeit und Sexualität. Die Geschlechtlichkeit ist das Ganz-Mann-Sein oder Ganz-Frau-Sein, in das man immer mehr hinein wachsen muss. Zölibat ist nicht der Verzicht auf Geschlechtlichkeit, sondern auf ausgelebte Sexualität – um einer Liebe willen. Diese Situationen gibt es aber auch in einer glücklichen Ehe. Manfred Lütz hat gesagt: „Wer nicht auf Sexualität verzichten kann, ist nicht ehefähig.“ Ich glaube, dass er Recht hat, weil in einer Ehe die Fähigkeit zum Verzicht bestehen muss. Wer sexuell konsumieren möchte, wann immer ihm danach ist, ist nicht beziehungsfähig.

Kann die zölibatäre Lebensform für manche Menschen ein „leichtes Joch“ sein, für andere aber schwer oder gar unerträglich?

Selbstverständlich ist der Trieb unterschiedlich ausgeprägt; das hat aber auch viel mit Vorerfahrungen, stimulierten Phantasien und Erinnerungen zu tun. Die Fähigkeit, seinen Geschlechtstrieb zu kultivieren und zu vermenschlichen nennt man die Tugend der Temperantia, die auch von atheistischen Psychologen wie Martin Seligman wiederentdeckt wurde. Ihr Ziel ist „die Ruhe des Gemüts“, wie Thomas von Aquin sagt, die Ausgeglichenheit das in-sich-Ruhen. Temperantia heißt in sich selbst Ordnung schaffen, das heißt eigene Phantasien und Wünsche zu bewerten und zu kultivieren oder reduzieren. Das gilt nicht nur für die Sexualität. Viktor Frankl hat bezüglich der hypochondrischen Selbstbeobachtung gesagt: „Nur das kranke Auge sieht sich selbst“. In Anlehnung daran könnte man sagen: Nur der kranke Priester schaut auf sich, der gesunde hat die ihm Anvertrauten im Blick und die Augen auf Gott gerichtet. Jemand, der sein Leben ganz hingegeben hat, kommt ins Schleudern, wenn er beginnt, sich selbst zu suchen oder ichhaft zu „verwirklichen“.

Manche meinen, wer sich für den Zölibat entscheidet, müsse – im Sexuellen – auch wissen, worauf er verzichtet?

Ja, wissen müssen sie es natürlich schon, aber nicht erlebt haben. Ein Psychiater muss auch nicht Heroin probiert haben, um ein guter Therapeut für Drogensüchtige zu sein. Sexuelle Erfahrung ist nicht alles. Ein Seminarist muss vor allem spirituelle Erfahrungen machen.

Wir sprachen darüber, ob Zölibat krank machen kann. Umgekehrt gefragt: Kann es sein, dass diese Lebensform psychisch kranke Menschen, die in ihrer Geschlechtlichkeit unsicher oder gestört sind, anzieht?

Man kann nicht ausschließen, dass sich da auch Pathologien ansammeln. Menschen, die sich nicht an das andere Geschlecht binden können, finden hier eine Lebensform, in der sie unauffällig durchkommen. Das wird besonders dann problematisch, wenn sie eine andere, kranke Form von Sexualität leben wollen und damit andere schädigen. Man muss sehr genau aufpassen, wer in die Priesterseminare eintritt, weil nur ein psychisch gesunder und stabiler Mann geeignet ist für den Priesterberuf.

Kann es sein, dass Männer mit einer pädophilen Neigung „in den Talar“ geflohen sind, um unantastbar zu sein oder um sich vor den eigenen Neigungen zu schützen?

Viele mit pädophilen Neigungen flüchten in die Ehe, andere in den Priesterberuf. Irgendwie muss man sein Leben ja gestalten, wenn man in sich eine solche Neigung wahrnimmt. Sie werden sich möglicherweise gedacht haben, dass sie das schon irgendwie in den Griff bekommen werden, oder dass die Weihe sie heilen wird. Sigmund Freud hat bekanntlich gemeint, dass die Sexualität polymorph pervers angelegt sei, und das hat schon etwas Wahres. In einer normalen sexuellen Beziehung ist normalerweise die Frau das Korrektiv. Aber wenn Sexualität alleine gelebt wird, etwa in Form von Selbstbefriedigung und Pornografie, sind da keine Grenzen gesetzt. Die Reduktion der Sexualität tut normalerweise bei abartigen sexuellen Neigungen gut. Damit meine ich die Kontrolle der Gedanken, die Phantasie nicht schweifen lassen, den visuellen Input kontrollieren, z.B. nicht wahllos vor dem Fernseher sitzen. Damit verschwinden meist zunächst die paraphilen Phantasien und die gesunde sexuelle Neigung bleibt, weil Paraphilie praktisch immer mit einer Hypersexualität einhergeht.

Die gesellschaftliche Verharmlosung der Pädophilie kam aber aus einer ganz anderen Richtung.

Die Psychologie der 70er Jahre war, das so darzustellen als sei es gar nicht so schlimm oder im konsensuellen Fall sogar in Ordnung. In den 70er und 80er Jahren gab es die vermeintlichen sexuellen Befreiungsbewegungen, in die die Pädophilen ursprünglich integriert waren. Ein prominenter deutscher Grün-Politiker hat noch 1988 gefordert, die konsensuelle Pädophilie straffrei zu stellen; eine These von der er sich kürzlich distanziert hat. Es war damals im Bereich der grün-alternativen Bewegung in, „alternative Formen“ der Sexualität zu entkriminalisieren und zu entpathologisieren.

Muss man sich Priester, die jahrelang zugleich Missbrauchstäter sind, psychologisch als gespaltene Persönlichkeiten vorstellen? Es gibt ja Fälle eines echten Doppellebens.

Der Fall Marcial Maciel Degollado ist für mich ein Geheimnis, aber vielleicht vergleichbar mit einem Sektenführer, der den anderen ein heiligmäßiges Leben vorspielt von dem er sich selber dispensiert, der aber mit der Rechtfertigung lebt, dass er diese Rolle weiter spielen muss und dieses Rollenspiel für die anderen auch Gutes hat. An diese Art des Doppellebens kann man sich so gewöhnen, dass man sich emotional nicht im Bewusstsein eines Doppellebens befindet, sondern eine innere Rechtfertigung geschaffen hat, die diese Art von Verhalten begründet. Hochstaplerei ist eine Extremform eines Phänomens, das wir alle kennen: jeder lebt ja irgendwie mit einem schlechten Gewissen, das er nicht ganz wahrhaben will. Es findet eine Bagatellisierung der eigenen Schlechtigkeit statt. Wir Menschen neigen dazu, eigene Fehler geringer zu achten als fremde. Aber wenn man sich von der Wahrheit entfernt, dann hat das konkrete Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, deshalb ist ein Selbstbetrug nie etwas Gutes. Am besten lebt man doch in der Wahrheit. Sich die Wahrheit über sich selbst eingestehen, nennt man Demut. Die tut gut. Wenn Menschen eine grobe Unordnung in ihrem Leben haben, dann meist auch eine grobe Art von Selbstbetrug.

Worauf müsste bei der Priesterausbildung geachtet werden? Ist es möglich, paraphile Neigungen zu erkennen und betroffene Kandidaten auszuschließen?

Normalerweise hat ein Regens im jahrelangen Zusammenleben mit den Kandidaten einen Blick dafür, wer geeignet ist. Paraphilien gehen oft mit Persönlichkeitsstörungen einher, und die erkennt man schon. Man sieht, wie einer mit anderen umgeht, ob er dienen und gehorchen kann. Das sind Tugenden, die nicht in Mode sind, aber zeigen, ob jemand psychisch gesund ist, weil er sich selber zurückstellen kann und sich selber in den Dienst nehmen lässt. Wenn sich einer ständig in die erste Reihe drängen muss und glänzen will, dann zeigt er, dass es ihm mehr um das Ich geht als um das Du. Das ist gefährlich.

Ist im Priesterseminar eine Erziehung zu Keuschheit und Zölibatsfähigkeit möglich?

Ja, das ist unbedingt notwendig! Das Priesterseminar ist dazu da, die priesterliche Keuschheit zu erlernen. Das Annehmen der vollen Geschlechtlichkeit im Sinne der Männlichkeit macht den Priester aus, der anderen väterlich begegnen kann. Dazu gehört, dass die jungen Männer lernen müssen, ihre Sexualität um der Liebe willen zu kultivieren, was im Normalfall auch funktioniert.

Welche Tipps hat der Psychiater und Psychotherapeut für Leiter von Priesterseminaren für den Umgang mit Sexualität im Allgemeinen?

Es ist in die Priesterseminare eine falsche und unglückliche These eingedrungen: Jeder Mensch müsse seine Sexualität in irgendeiner Form leben, sonst wird er neurotisch. Das ist definitiv falsch, verunsicherte aber in der Vergangenheit manchen Priesterseminaristen, und bewirkte, dass er die Autoerotik „entdeckt“ oder nicht beendet hat. Es war sicherlich übertrieben, dass die Selbstbefriedigung früher mancherorts als größte aller Sünde herausgestellt wurde, doch wurde sie dann in den darauf folgenden Jahrzehnten oft zu sehr bagatellisiert und verharmlost. Hier wurde dann auch manchmal die Möglichkeit eines keuschen Lebens überhaupt bezweifelt. Das ist aber eine schlechte Basis für einen erfüllend gelebten Zölibat. Die Seminaristen müssen lernen zu erkennen, was ihnen guttut und was nicht, wo ihre eigenen Grenzen liegen. Hier ist auch die Tugend der Klugheit nötig.

Werden nicht alle, auch Priester, heute überschwemmt von Sexuellem: durch Fernsehen, Internet, Werbung? Wird es dadurch nicht viel schwerer, keusch zu leben?

Anders, aber nicht schwerer. Es war nie einfach, ein keusches Leben zu leben. Heute erntet man viel mehr Verständnis, wenn man ein keusches Leben führt und fordert als vor 30 Jahren, weil die negative Dimension der ungehemmten Sexualität klar zutage tritt. Dem Irrtum, dass Sexualität ein Allheilmittel sei, sitzen wir heute nicht mehr auf. Es ist ein Zeichen von Freiheit und Reife, wenn man selbst entscheidet, was einen beeinflusst.

Was rät der Psychiater einem Priester, der in diesem Bereich zu ringen hat?

Er soll die Augen von sich selbst wegnehmen und auf die anderen richten, auf seine Gottesbeziehung und seinen priesterlichen Dienst. Die Probleme rund um die Keuschheit sind oft Probleme von Leuten, die zu viel Zeit mit sich selbst verbringen. Wenn einer stundenlang im Internet surft, ist es kein Wunder, wenn er auf dumme Gedanken kommt. Einsamkeit und Sinnlosigkeit sind die Folgen einer mangelnden Gottesbeziehung. Ich behandle Menschen mit Internet-Sexsucht: Fast alle haben ein Beziehungsproblem. Deshalb sage ich den Priestern mit diesem Problem, dass sie ein Partnerschaftsproblem haben – mit Gott. Wenn man den Partner nicht mehr liebt und sich ihm nicht mehr hingibt, dann macht sich das Ich breit. Und das Ich ist polymorph pervers. Falls seine Probleme allerdings krankhafte Dimensionen annehmen, soll er sich unbedingt professionelle Hilfe holen, das ist auch keine Schande.

Was paraphil, früher sagte man pervers, ist, scheint nicht mehr klar. Reicht diese Verunsicherung in den kirchlichen Bereich hinein?

Ja, weil man lange „unmoralisch“ mit „krank“ verwechselt hat. Erst wurden im 19. Jahrhundert die Paraphilien zu Krankheiten erklärt, um sie aus der moralischen Bewertung der Sittenwidrigkeit herauszubringen. Jetzt kämpfen manche von diesen Gruppen darum, wieder aus dem Krankheitskatalog gestrichen zu werden, weil sie das als Diskriminierung empfinden. Das ist schön und gut - aber eben eine medizinische, nicht schon auch eine moralische Bewertung. Krank-gesund und unmoralisch-moralisch sind verschiedene Dimensionen. Nicht alles, was gesund ist, ist moralisch in Ordnung. Es gibt psychisch gesunde Mörder. Gefördert durch das Internet wird Sexualität heute so bunt und vielfältig angeboten wie noch nie. Besonders gefährlich ist das für die Jugendlichen, die vulnerabel und beeinflussbar sind. Die Kirche hatte immer zu zeigen, was der Weg zu einer glücklich gelebten Sexualität ist, nämlich eine intensive Du-Beziehung im Rahmen einer stabilen Partnerschaft. Wenn vor allem die eigene sexuelle Lust intendiert ist, dann macht das unglücklich. Als Psychiater beeindruckt mich da die katholische Lehre, die das aus ihrer Sicht auf den Punkt bringt: Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und von der liebenden Vereinigung losgelöst wird.


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