Mehr Betroffenheitsresistenz, bitte

29. April 2010 in Aktuelles


Das Gerücht um ein "Mea culpa" des Papstes entbehrt natürlich jeder Grundlage. Weder die Presseabteilung des Vatikans noch die Kleruskongregation konnten ein solches bestätigen - Von Guido Horst / Die Tagespost


Rom (kath.net/DieTagespost)
Zum Abschluss des Priesterjahres, wenn Benedikt XVI. mit Zehntausenden von Geistlichen in Rom zusammenkommt, werde der Papst ein großes „Mea culpa“ der Kirche wegen der bekannt gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs junger Menschen durch Kleriker formulieren. So hieß es jetzt in Italien, und so heißt es nun auch in anderen Ländern. Denn es scheint merkwürdigerweise Aufgabe gerade der kirchlichen Nachrichtenagenturen zu sein, solche Spekulationen sofort um den ganzen Globus zu befördern.

Jedenfalls hatte die italienische Tageszeitung „La Stampa“ diese Vermutungen am Montag geäußert und die deutsche Katholische Nachrichten-Agentur transportierte die Meldung eilfertig über die Alpen. Dort nahmen weitere Redaktionen sofort die Spur auf.

Das Gerücht entbehrt natürlich jeder Grundlage. Weder die Presseabteilung des Vatikans noch die Kleruskongregation konnten ein solches „Mea culpa“ bestätigen. Im Kern steckt hinter der Meldung die durchaus begründete Erwartung, dass dann, wenn Papst Benedikt vom 9. bis 11. Juni mit so vielen Priestern aus aller Welt in Rom zusammentreffen wird, er auch nochmals auf den Missbrauchsskandal eingehen wird, der die katholische Kirche in den vergangenen Monaten erschüttert hat. Vielleicht geht er auf ihn auch in einem Schreiben ein, das er aus Anlass des Abschlusses des Priesterjahres an den katholischen Weltklerus richten könnte. Aber er wird nicht von „mea culpa“ – „meiner Schuld“ – sprechen, denn er hat keine Schuld, ganz im Gegenteil. Und er wird auch nicht ein „mea culpa“ der katholischen Kirche formulieren, denn im Verhältnis zur Gesamtzahl der Welt- und Ordenspriester der Kirche bewegt sich die Größenordnung der pädophilen Geistlichen, die sich an Schutzbefohlenen vergangen haben, im Promillebereich. Kinder können sich in kirchlichen Einrichtungen sicherer fühlen als in nicht-kirchlichen Institutionen. Wer seinem Ärger über die Verbrechen an Kindern Luft machen will, sollte nicht aus der katholischen Kirche, sondern aus der säkularen Gesellschaft austreten, in der ja vor allem die ungeborenen Kinder völlig schutzlos geworden sind.

Doch der Mechanismus ist interessant: An die Kirche, und hier immer wieder an den Papst, wird von den säkularen Medien eine Forderung oder Erwartung herangetragen – ein Mal ein „mea culpa“ bitte, und zwar hier und sofort –, und wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird, erfolgt die mediale Hinrichtung. Das war schon so, als es um die Missbrauchsfälle in deutschen Einrichtungen der Kirche ging. Bricht der Papst sein Schweigen, fragten die Medien. Dabei hatte Benedikt XVI. gar nicht geschwiegen. Oft hatte er den Kindesmissbrauch angesprochen, den Iren dazu einen bewegenden Brief geschrieben. Dieser Brief war zwar an eine ganz bestimmte „Gemeinde“ gerichtet, muss aber von der gesamten Kirche als maßgebendes Wort des Nachfolgers Petri gelesen werden. So war und ist es mit den Apostelbriefen im Neuen Testament, so ist es auch mit den Pastoralschreiben der Päpste heute. Und als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz den Papst in Rom über die Maßnahmen der Ortsbischöfe berichtete, konnte er den Journalisten im Anschluss an das Treffen mitteilen, was Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen in Deutschland gesagt hatte. Aber den Medien, so scheint es, geht es derzeit nicht mehr um die objektive Berichterstattung. Man jagt lieber Papst und Kirche durch das Dorf und will damit den Erwartungen der Leser und Zuschauer entsprechen.

Die Kirche gerät dabei in die Defensive. Kaum hat sie ein Missverständnis oder eine überzogene Erwartung geklärt, wird die nächste Messlatte viel zu hoch oder an falscher Stelle aufgehängt. Es wäre zu wünschen, dass zumindest katholische Nachrichtenagenturen, die sich aus Kirchensteuermitteln finanzieren, hier mehr Aufklärungsarbeit leisten würden, anstatt den ganzen Mist, der täglich über Kirche geschrieben und gesendet wird, ein zweites Mal durch die Pipelines der Nachrichtennetze zu drücken. Denn eins zeichnet sich doch ab: Das Spiel, das die säkularen Medien mit der Kirche treiben, kann und darf diese nicht mehr mitspielen. Es bedarf auf kirchlicher Seite mehr Betroffenheitsresistenz, wenn Redaktionen, die sich in kirchlichen Dingen nicht auskennen, ihre Schlagzeilen formulieren. Die Kirche ist nicht von dieser Welt. Sie ist zwar in dieser Welt, aber sie sollte sich nicht verpflichtet fühlen, den Erwartungen, die von „Spiegel“ bis ZDF an sie gerichtet werden, entgegenzukommen. Kaum ist ein Vorwurf geklärt, zieht die andere Seite einen Hans Küng aus dem Ärmel – und das Spiel geht weiter. Die Ruhe, mit der Benedikt XVI. durch diese Krise führt, sollte für die gesamte Kirche beispielhaft sein. Auch wenn man sich durchaus fragen konnte, warum man dem Weltethiker Küng, der ja katholischer Priester ist, nicht den kanonischen Prozess gemacht hat, als dieser in einem Brief an die Bischöfe zum offenen Widerstand gegen den Papst aufrief.

Katholische Kirche und säkulare Medien – das sind zwei Dinge, die niemand der derzeit Lebenden nochmals versöhnt sehen wird. Die Kirche sollte ihr Mysterium und ihr Arkanum pflegen, dann wird sie auch für kirchenferne Journalisten wieder interessant. Aber der säkularen Medienwelt wie ein Erfüllungsgehilfe und Nachrichtenbeschaffer hinterherzulaufen, das macht kein Sinn und verunsichert vor allem die einfachen Gläubigen.

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