Die Vorurteile gegen Medjugorje - eine Versuchung für 'Theologen'?

22. Februar 2010 in Weltkirche


Und warum die 67jährige Ljerka Sivric aus Medjugorje jetzt eine Klage gegen Mart Bax einreichen möchte - Ein Gastkommentar von Dr. Christian Stelzer / Oase des Friedens Wien zu den Thesen des Luganer Dogmatikers Manfred Hauke über Medjugorje


Wien (kath.net)
Wie schon andere vor ihm erliegt Manfred Hauke, Professor für Dogmatik und Patrologie in Lugano, in seinen Ausführungen betreffend die Ereignisse von Medjugorje einer verhängnisvollen Versuchung: Er ignoriert die Aussagen der unmittelbaren Zeugen des Phänomens und stützt sich in seinen Reflexionen ausschließlich auf Sekundärliteratur, also auf Berichte, Beiträge und Aussagen von Personen, die darin bereits ihre persönliche Meinung wiedergeben. Wenn das Gute von einer unversehrten Quelle, das Übel aber aus einem Mangel komme, wie Hauke an ein wesentliches Prinzip bei der Suche nach der Echtheit eines Phänomens erinnert, dann wundert man sich, warum er selbst nicht diesem Prinzip gehorcht und nicht an die Quellen geht, nämlich zu den Sehern und frühen Zeugen, und sie befragt. Stattdessen zitiert er völlig unwissenschaftliche Werke wie „Der Medjugorje-Betrug“ von E.M. Jones, oder „Eine Reise nach Medjugorje“ von Rado Franken, erwähnt nur wie nebenbei „Presseberichten zufolge“ oder nennt überhaupt keine Quelle. Wie konnte Hauke in seinen Ausführungen derart gegen die von ihm selbst im Beitrag geforderte Liebe zur Wahrheit verstoßen?

So gibt Manfred Hauke eine Fülle fragwürdiger Vorurteile und falscher Aussagen über die Ereignisse von Medjugorje unreflektiert wieder. Ein Beispiel: Der angebliche „Kleine Krieg in der Herzegowina“ mit den 140 Toten in Medjugorje aus dem Jahr 1992, die es in Wirklichkeit nie gab. Hauke zählt offenbar zu den wenigen „Medjugorje-Kennern“, an denen die Aufdeckung dieses Betrugsfalls völlig spurlos vorüber ging. (siehe auch Norbert Mappes-Niediek /DER STANDARD, „Frankfurter Rundschau“, 27.8.2008) Der niederländische Anthropologe Mart Bax veröffentlichte 1995 ein Buch mit dem Titel „Medjugorje: Religion, Politics, and Violence in Rural Bosnia“, in dem er packend die Geschichte vom „kleinen Krieg in der Herzegowina“ erzählt: Eine Fehde zwischen zwei Clans in Medjugorje hätte mindestens 140 von 3000 Dorfbewohnern das Leben gekostet und weitere 600 in die Flucht geschlagen. Der Grazer Historiker Hannes Grandits hatte sich schon kurz nach der Veröffentlichung des Buches von Bax in Medjugorje erkundigt, aber niemand wusste etwas von einem kleinen Krieg. Auch den Friedhof, den Bax so genau beschrieben hatte, fand er nicht. Gegen das Bax‘sche Buch gab es von Anfang an heftigen Einspruch. So wiesen die Franziskaner von Medjugorje die Geschichte vom „kleinen Krieg“ entschieden zurück und bezeichneten sie als erfunden. Ihre Presseerklärung wurde nicht zur Kenntnis genommen: Den herzegowinischen Patres, die als Extremisten galten, glaubte man damals nichts.

Obwohl es für Wissenschafter einfach gewesen wäre, die Bax`schen Thesen zu überprüfen, machte sich niemand die Mühe, vor Ort im Sterberegister nachzusehen. Daraus wäre ersichtlich gewesen, dass im Jahr 1992 in Medjugorje 29 Menschen verstorben sind. Diese Daten liegen auch im Bischöflichen Ordinariat in Mostar auf. Es erhebt sich die dringende Frage, warum das Ordinariat in Mostar die seit Jahren kursierenden Gerüchte betreffend eines Clan-Krieges in Medjugorje mit 140 Toten nicht dementiert hat bzw. warum Prof. Hauke, der offenbar gute Kontakte zum Ordinariat unterhält, dort nicht nachgefragt hat.

Die heute 67jährige Ljerka Sivric aus Medjugorje, über die im Buch von Bax gesagt wird, dass sie im Hof ihres Onkels Djure drei menschliche Leichen mit den Füßen an ein Rohr gebunden und die Händen am Rücken, mit dem Kopf nach unten in einen Brunnen hängen sah, wurde von mir am 22. Februar 2010 mit diesen Aussagen konfrontiert. Durch mein Telefonat erfuhr sie das erste Mal, dass derartige Geschichten über sie im Umlauf sind und war darüber zutiefst schockiert. Sie wies die Geschichte von Mart Bax entschieden zurück, weil sie nie stattgefunden hat und überlegt derzeit eine Klage gegen ihn. In Medjugorje gibt es mehrere Familien mit dem Namen Sivric, jedoch seit Jahrzehnten nur eine einzige Ljerka. Der von Bax erwähnte Onkel Djure hat hingegen nie existiert!

Auch weitere Aussagen im Beitrag von Professor Hauke überraschen und schockieren wegen der Unkenntnis des Wissenschafters. Hauke schreibt: „Schwerwiegende moralische Vorwürfe werden auch gegen Zovko vorgebracht, den Pfarrer der Anfangsmonate und langjährigen geistlichen Betreuer der Sehergruppe (E.M. Jones, Der Medjugorje-Betrug, 2001).“ Prof. Hauke erwähnt in diesem Zusammenhang an anderer Stelle, dass P. Zovko im italienischen Sprachraum gelegentlich als „padre spirituale“ ((geistlicher Vater) der Seher vorgestellt wurde. P. Jozo Zovko wurde Mitte August 1981, also weniger als zwei Monaten nach dem Beginn der Erscheinungen, von den Kommunisten verhaftet und bis Februar 1983 eingesperrt. Anschließend war er in verschiedenen Pfarren außerhalb von Medjugorje tätig. Er konnte durch seine Abwesenheit von Medjugorje gar nicht „langjähriger geistliche Begleiter“ der Seher sein und war es auch nicht, wie die Seher selbst und die Mitbrüder von P. Jozo eindeutig bezeugen.

Prof. Hauke betont: „Der Pater (gemeint ist Tomislav Vlasic) hatte in der Tat, unter Berufung auf die Einsprechung durch die „Gospa“ und die Seherin Marija Pavlovic, eine „mystische Ehe“ mit einer Dame aus Deutschland geführt.“ Es ist völlig absurd, dass Marija Pavlovic oder die Gottesmutter eine solche „mystische Ehe“ jemals gutgeheißen haben sollen. Die Seherin hat das wiederholt auf Anfragen unmissverständlich klargestellt. Die Botschaft der Gottesmutter an die Seherin vom Jänner 1988, die von P. Tomislav Vlasic in Richtung einer Anerkennung seiner Gemeinschaft durch die Gottesmutter interpretiert wurde, liegt, während ich diese Zeilen schreibe, vor mir. Es ist eine kurze Botschaft, bestehend aus zwei Sätzen, und betont einen Monat vor dem Beginn jener Exerzitien, zu denen sich die Jugendlichen der Gebetsgruppe aus Medjugorje mit P. Tomislav Vlasic nach Italien zurückziehen wollen, die Freiheit des Einzelnen als besondere Gabe, durch die er sich für Gott entscheiden kann.

Prof. Hauke spricht über die negativen Folgen, die mit dem Phänomen der Erscheinungen verbunden sind: „Dazu gehört die Ermunterung an zwei Franziskanerpatres, die von der Seherin Vizka im Namen der „Gospa“ vorgenommen wurde, sich den kanonisch legitimen Anordnungen des Ortsbischofs bezüglich ihres pastoralen Einsatzes zu widersetzen.“ Die Aussagen von Bischof Zanic dazu unterscheiden sich von jenen von Vicka Ivankovic (Ich selbst führte mit Vicka darüber ein Gespräch im April 2008). Tatsache jedoch ist, dass das Urteil gegen die beiden Franziskanerpatres aus dem Jahr 1982 von der Apostolischen Signatur, dem obersten Gerichtshof des Heiligen Stuhls, im März 1993 aufgehoben wurde.

Prof. Hauke erwähnt, dass die, bei der sechsten Erscheinung der Gottesmutter am 29. Juni 1981 angekündigte Heilung eines vierjährigen Jungen niemals erfolgt wäre. Tatsache ist, dass der gelähmte Knabe Daniel Setka an diesem Tag von seinen Eltern aus Mostar nach Medjugorje gebracht wurde. Die Seher haben ihn der Gottesmutter anempfohlen. Die Gospa hätte das Kind angeschaut und gesagt: „Das Kind wird geheilt.“ Die Heilung von Daniel ist im Pfarrbüro in Medjugorje verzeichnet. Sie wird in der Literatur über Medjugorje immer wieder erwähnt, so z.B. im Buch des Augenzeugen Stipe Cavar, eines Diplomingenieurs der Elektrotechnik: „Ein Bub aus Krivodol (Daniel Setka, Sohn von Ivan und Andja, der am 21.9.1978 im Krankenhaus in Mostar gewesen war), der taubstumm und an der rechten Seite gelähmt war, ist total genesen.“ (Stepe Cavar, Die ersten Monate der Erscheinungen in Medjugorje, 2001, CIP-Katalogizacija Nacionalna i univerzitetska bibliotheka Bosne i Hercegovina, Sarajevo, Seite 50, Tagebucheintrag vom 16.8.1981). Ein Interview mit Daniel Setka aus dem Jahr 2006, in dem er über seine Heilung spricht, ist im Werk „Medjugorje, Tajna Gospinih Ukazanja“ von Zarko Ivkovic auf Seite 154-155 nachzulesen. (Medjugorje, Tajna Gospinih Ukazanja, Zarko Ivkovic, Vercernji list d.d., 2006)

Eine weitere aufsehenerregende Heilungen vollzog sich an der Italienerin Diana Basile. Frau Basile wurde am 23. Mai 1984 in einem fortgeschrittenen Stadium der Multiplen Sklerose nach Medjugorje gebracht. Sie saß im Rollstuhl, war am rechten Auge erblindet und litt an Stuhl- und Harninkontinenz. Obwohl aus medizinischer Sicht eine Heilung der Multiplen Sklerose in diesem Stadium nicht möglich ist, wurde die 43jährige Italienerin in der Seitenkapelle der Kirche während der Erscheinung spontan, vollständig und dauerhaft geheilt. Diese außergewöhnliche Heilung wurde in den Folgejahren von verschiedenen Ärzteteams untersucht. Viel wurde darüber berichtet und auch der österreichische Neurologe, Doz. Gottfried Roth, Mitglied des Päpstlichen Rates für das Leben, dem die Heilungsakte von Frau Basile zur Begutachtung vorgelegt wurde, hat diese mehrmals als medizinisch nicht erklärbar bestätigt.

Manfred Hauke sagt: „Gegenwärtig gibt es im Bistum Mostar-Duvno neun Ex-Franziskaner, die von ihrem Dienst suspendiert sind, aber sich in den usurpierten Pfarreien als legale Priester aufführen.“

Tatsache ist, dass der Franziskanerorden jene ungehorsamen Priester schrittweise bis zum Jahr 2005 entlassen hat. Es bleibt jedoch die Frage stehen, was den Bischof – und auch Professor Hauke – bewogen hat, den Fall jener Ex-Franziskaner mit den Ereignissen von Medjugorje in Verbindung zu bringen und weshalb sie diese ehemaligen Franziskaner, die mit Medjugorje nichts zu tun hatten, als „weitere Früchte“ bezeichnen, „die mit der erwähnten Aufforderung zum Ungehorsam verbunden sind.“

Wenn Professor Hauke fordert, dass die Seher auf ihre psychische Gesundheit untersucht werden müssen, kann ich mich eines Schmunzelns nicht erwehren. Denn es gibt in der Geschichte der Marienerscheinungen keinen weiteren Fall, der medizinisch so genau untersucht und studiert worden ist wie das Phänomen Medjugorje. Schon in den ersten Tagen der Erscheinungen führten die Kommunisten die Seher in Mostar einer Psychiaterin vor. Die zusammenfassende Aussage der Ärztin nach ihrer eingehenden Untersuchung der Jugendlichen: „Nicht ihr seid verrückt, sondern die, die euch zu mir gebracht haben.“ In weiterer Folge wurden die Seher von mehreren internationalen Teams von Ärzten und Psychologen untersucht. Am aufschlussreichsten waren wohl jene von Prof. Henry Joyeux von der Universität Montpellier und seinem Team im Jahr 1984 und 2005. Trotz des langen Zeitabstandes brachten die Untersuchungen im Jahr 2005 die selben Ergebnisse wie 21 Jahre davor. Natürlich kann die Wissenschaft selbst mit modernsten Apparaturen keine Visionen nachweisen. Die Wissenschafter konnte aber ausschließen, dass an den Sehern krankhafte Störungen wie Halluzinationen, Hysterie, Neurosen, Katalepsie oder pathologische Ekstasen vorliegen und sie konnten zeigen, dass in der Zeit, über die sie später sagten, dass sie die Gottesmutter gesehen hätten, an ihnen messbare Veränderungen vorgegangen sind, deren Ursache man naturwissenschaftlich nicht nachweisen konnte. (Siehe „Medizinische Untersuchungen in Medjugorje“, René Laurentin, Henri Joyeux; „Die Seher von Medjugorje im Griff der Wissenschaft“, Andreas Resch)

Wenn nun vorgebracht wird, dass diese Veränderungen noch nichts darüber verraten, mit wem die Seher kommunizieren, so ist dem doch entgegen zu halten, dass die religiöse Entwicklung, der Lebenswandel der Seher, darüber Aufschluss geben kann, mit wem die Seher so viele Jahre lang täglich im Kontakt sind. Im Unterschied zu Prof. Hauke, der den Kontakt mit den Sehern nie gesucht hat, kann ich nach vielen Jahren der Freundschaft mit einigen von ihnen sagen: die Freude und Freundlichkeit, die sie ausstrahlen, die Herzensgüte und Liebe, die man in ihrer Gegenwart empfindet, sprechen dafür, dass sie nicht dem Teufel begegnen. Nie habe ich von ihnen ein zynisches oder beleidigendes Wort über andere gehört, obwohl sie selbst von manchen Verantwortungsträgern der Kirche seit vielen Jahren in aller Öffentlichkeit reichlich davon bedacht werden.

Bleibt jetzt noch die Frage offen, weshalb Wissenschafter wie Manfred Hauke, wenn sie sich schon mit Medjugorje befassen, eine historisch einmalige Gelegenheit verpassen und die Seher nicht direkt kontaktieren, warum sie deren Aussagen ignorieren und sich stattdessen in ihren Analysen aus der Fülle der Literatur über Medjugorje einseitig gerade nur jene auswählen, die die Ereignisse aburteilen. Zudem findet man in den, von Prof. Hauke bei verschiedenen Gelegenheiten zitierten Quellen, immer wieder jene Autoren, die nachweislich beste Kontakte zum Bischof von Mostar, Ratko Peric, unterhalten. Seit Jahren ist bekannt, dass der Bischof von Mostar, entgegen den vatikanischen Richtlinien, der offiziellen Stellungnahme der Jugoslawischen Bischofskonferenz vom Jahr 1991 und den Aussagen unzähliger Priester, Bischöfe und Kardinäle unermüdlich und lautstark wiederholt, dass Medjugorje für ihn nicht echt ist.

Wie ist eine objektive Diskussion mit Wissenschaftern wie Manfred Hauke möglich, wenn sie in ihren Statements im Zusammenhang mit den Ereignissen von Medjugorje, die unzählige Menschen aus der ganzen Welt zu einem Neubeginn ihres christlichen Lebens aus der Kraft der Sakramente in Einheit mit dem Lehramt der Kirche inspiriert haben, von Rattengift und Eiterbeulen sprechen, die aufgestochen werden müssen? Wäre es nicht gerade im Hinblick auf die Gläubigen ratsam, in der Rede über Medjugorje mit der Wortwahl vorsichtiger zu sein und in den Aussagen über die Seher weniger Zynismus und mehr Respekt vor der Würde eines Menschen walten zu lassen? Sonst könnte sich für Gläubige und interessierte Fernstehende am Ende die Frage erheben, ob wirklich schon ein kirchliches Amt oder eine Position in der theologischen Wissenschafts-Gemeinde ausreichen, um derartiges Vorgehen zu legitimieren.

Dr. Christian Stelzer ist Vorsitzender der Oase des Friedens, Wien.

Kathpedia: Medjugorje

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Foto: (c) Gebetsaktion Medjugorje


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