Aufruf zur Sachlichkeit

20. Februar 2010 in Weltkirche


Eine Antwort auf die Kritik von Thomas Müller an dem "Tagespost"- Interview über Medjugorje - Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Manfred Hauke


Linz (kath.net)
Der deutsche Theologe Thomas Müller hat in einer auf kath.net veröffentlichen Stellungnahme schwere Kritik an einem "Tagespost"-Interview des Dogmatikers Manfred Hauke geübt. Kath.Net publiziert heute nachstehende Replik von Manfred Hauke zu den Ausführungen von Thomas Müller. Weitere Stellungnahmen zu dem Thema folgen!

Die Replik als Gastkommentar auf kath.net:

Über sogenannten „Marienerscheinungen“ der aus Medjugorje stammenden Seher gibt es seit Jahren eine kontroverse Diskussion. Die bislang gültige offizielle kirchliche Position ist die Erklärung der Jugoslawischen Bischofskonferenz aus dem Jahre 1991, die betont: „die Übernatürlichkeit steht nicht fest“. Der Ortsbischof Ratko Peric hat darüber hinaus seine Überzeugung betont, wonach es feststeht, dass die einschlägigen Phänomene nicht übernatürlichen Ursprungs sind. Über die damit verbundenen Fragen sollte man unter katholischen Christen sachlich diskutieren können. Mein Interview in der „Tagespost“, das inzwischen in mehreren Sprachen verbreitet ist, war ein Beitrag für diese sehr notwendige Diskussion. Sollte ich dabei falsche Informationen wiedergegeben haben, bin ich gerne bereit, diese Irrtümer zu korrigieren. Bislang sehe ich freilich keinen Anlaß für Korrekturen.

Erschrocken bin ich jedenfalls über die unsachlichen Reaktionen von einigen Anhängern der Medjugorje-Bewegung, die mir böse Absichten und „Lüge“ unterstellen. „Lügen“ heißt bewußt die Unwahrheit sagen. In meiner mittlerweile fast dreißigjährigen wissenschaftlichen Laufbahn haben ich schon manchen Strauß ausgefochten und manche Kritiken ertragen müssen, so beispielsweile die Polemik einer mittlerweile auf der Donau zwischen Linz und Passau geweihten „Priesterin“ in der Zeitschrift „Publik-Forum“. Aber selbst in diesen Kreisen hat mir bislang niemand „Lüge“ unterstellt oder ein Vorgehen, „dem jedes Mittel recht ist“. Solche Reaktionen sind Rufmord. Dazu gehört leider auch der in kath.net (18.2.) erschienene Beitrag des Diakons Thomas Müller, der über Medjugorje eine Diplomarbeit veröffentlicht hat. Müller behauptet, dass ich „eindeutige Lügen und Halbwahrheit“ in meinem Interview verbreite und „bemüht“ sei, „negative Vorfälle mit Medjugorje zu vermischen, die damit nichts zu tun haben“. Er spricht von „Unwahrheiten und Verdrehungen“. Da ich aufgrund der von mir dargelegten Fakten mit der Möglichkeit rechne, dass die Visionen auf das Wirken des Bösen zurückgehen, wird mir sogar eine „Beleidigung Gottes“ vorgeworfen. Diese Vorwürfe sind sehr schwerwiegend.

Ich bin selbst in Medjugorje gewesen und habe in der Mitte der achtiger Jahre an die Authenzität der dortigen „Marienerscheinungen“ geglaubt. Aufgrund einer Fülle von Indizien, die sich im Laufe der Jahre vermehrt haben, bin ich freilich zur Überzeugung gelangt, dass die visionären Erfahrungen der Seher in Medjugorje nicht auf das Wirken Gottes zurückgehen können. Diese Überzeugung wird inzwischen von zahlreichen Christen geteilt, die einigen ähnlichen Weg hinter sich haben. Es gibt inzwischen eine umfangreiche internationale Fachliteratur, die in die gleiche Richtung geht. Diese Literatur, die ich in meinem Interview nicht ausführlich zitieren konnte, ist größtenteils in englischer und französischer Sprache. Die Diplomarbeit von Müller hingegen, die ich kenne, beschränkt sich auf den eher engen Horizont deutschsprachiger Titel. Es fehlt beispielsweise das wichtige Werk des in Medjugorje geborenen Franziskanerpaters Ivo Sivric, das eine Fülle von Quellen zitiert (über 200 S.), darunter die Tonbandprotokolle über die Aussagen der Seher während der ersten Tage der „Erscheinungen“ (La face caché de Medjugorje, Saint-François-du Lac (Kanada) 1988; engl. The Hidden Face of Medjugorje, Saint-François-du Lac (Kanada) 1989). Wie kann man eine wissenschaftliche Arbeit über Medjugorje schreiben, ohne auf diese kritisch editierten Quellen zurückzugreifen? Staunen läßt mich angesichts solcher Fakten der Vorwurf eines Diplom-Theologen an einen habilitierten Theologieprofessor, er würde nicht wissenschaftlich arbeiten. Sämtliche Aussagen kann ich gebührend belegen, aber von einem Zeitungsinterview einen wissenschaftlichen Apparat zu verlangen, verwechselt die literarische Gattung der Zeitung mit einem Zeitschriftenartikel, in dem es Raum für Fußnoten gibt.

Bevor ich auf die einzelnen Vorwürfe eingehe, möchte ich feststellen, dass Müller auf die zentralen von mir genannten Problempunkte gar nicht eingeht. Dazu gehören die auf Tonbandprotokollen festgehaltenen Aussagen der Seher. Daraus geht hervor, dass am 30. Juni 1981 die letzte Erscheinung der „Gospa“ für den 3. Juli angekündigt worden ist (vgl. Sivric, 1989, 346f. 381; siehe auch die kritische Diskussion in Donal A. Foley, Understanding Medjugore, Nottingham 2006, 70-84; Joachim Bouflet, Ces dix jours qui ont fait Medjugorje, Tours 2007, 147-175). Bei der sechsten „Erscheinung“, am 29. Juni 1981, kündigte die „Gospa“ die Heilung des vierjährigen Daniel Setka an, die aber tatsächlich niemals erfolgte (vgl. Ivan Zeljko, Marienerscheinungen …, Hamburg 2004, 69, 155, 310; Bouflet, 2007, 135-138). Müller geht auch nicht ein auf die theologischen Probleme mancher „Botschaften“ und ebensowenig auf die Unterschiede zu Lourdes, Fatima und Guadalupe, wo offenkundige kirchlich anerkannte Wunder die Marienerscheinungen bestätigten. Wenn sich in den von den Visionären der „Gospa“ zugeschriebenen Aussagen falsche Prophezeiungen und Irrlehren finden, können dergleichen Botschaften nicht von Gott stammen. Wenn sich auch nur ein einziger „Pferdefuߓ in den Botschaften findet, der eindeutig auf die in der Vision handelnde Realität zurückzuführen ist und nicht auf die Subjektivität der Seher, dann stammen dergleichen Irrtümer vom Bösen. Es ist im Grund ähnlich wie bei einem Dateinamen im Computer: ein einziger Fehler beim Schreiben des Dateinamens verunmöglicht den Zugang zur Datei. Diese Problematik scheint Thomas Müller nicht verstanden zu haben. Auch die mit der Wallfahrt verbundenen Früchte der Gnade können keinesfalls das „Rattengift“ neutralisieren, das in lügnerischen Botschaften liegt. Die in Medjugorje erfahrenen Früchte der Gnade sind gewiß nicht dem Teufel zuzuschreiben, sondern der Güte Gottes, der die vertrauensvolle Gebete der Menschen erhört. Diese guten Früchte (neben denen in Medjugorje freilich auch negative Folgen stehen) können freilich nicht für sich alleine den übernatürlichen Ursprung eines visionären Phänomens beweisen.

Der Hinweis von Müller auf den „Glaubenssinn“ des Gottesvolkes bringt für die Beurteilung Medjugorjes keine Lösung, denn Marienerscheinungen bilden nach der Erklärung Papst Benedikts XIV. keinen Gegenstand der göttlichen Tugend des Glaubens. Was die Haltung Papst Johannes Pauls II. betrifft, so sei daran erinnert, dass er eine öffentliche Stellungnahme zum Thema bewußt vermieden hat (vgl. Foley, 2006, 175f). Die in dem Werk von Slawomir Oder erwähnten Hinweise haben einen privaten Charakter und beanspruchen nicht die Autorität des Petrusamtes.

In sieben Punkten beansprucht Müller, meine „größten Unwahrheiten und Verdrehungen“ richtig zu stellen.

(1) Der erste Punkt betrifft den sogenannten „kleinen Krieg“ in Medjugorje, wonach es in Medjugorje in den Jahren 1991 und 1992 während Auseinandersetzungen zwischen drei Familienclans 140 Tote und 600 Flüchtlinge gegeben haben soll. Diese Nachricht beruht nicht nur auf Pressemeldungen, sondern finden ihren Niederschlag in der Studie des inzwischen emeritierten Amsterdamer Professors für Politische Anthropologie Mart Bax, „Medjugorje: Religion, Politics, and Violence in Rural Bosnia“, Amsterdam 1995 (vgl. auch Ders., „Warlords, Priests and the Politics of Ethnic Cleansing: a Case-Study from Rural Bosnia“, in Ethnic and Racial Studies 23, 1/2000, 16-36). Mart Bax hat für seine Studien über viele Jahre hinweg jährlich mehrere Wochen in Medjugorje verbracht und gilt, wenn ich recht sehe, als seriöser Wissenschaftler. Das bürgt noch nicht für die Korrektheit von allen Einzelheiten seiner Studien, aber dass die von ihm vorgebrachte Fülle von Informationen zum „kleinen Krieg“ einfachhin erfunden sein soll, scheint mir schwer vorstellbar. Nicht korrekt ist die Angabe von Müller: „Im Jahr 2008 wurde diese unwahre Geschichte aus dem Wikipedia Artikel gelöscht, da sie, nachgewiesener Maßen, jeglichem Wahrheitsgehalt entbehrt“.

Abgesehen davon, dass Wikipedia-Artikel nicht die Ansprüche strenger Wissenschaftlichkeit erfüllen, schreibt der mir vorliegende deutsche Wikipedia-Artikel etwas anderes: „Die Glaubwürdigkeit dieses Abschnittes seines Buches [von Mart Bax] wurde im August 2008 in der kroatischen und deutschen Presse in Zweifel gezogen und die Vermutung geäußert, dieser Bericht sei eine Erfindung oder beruhe auf falschen Informationen“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Mart_Bax, angesehen am 18.2.2010). Müller macht hier aus einer „Vermutung“ von Presseleuten ein historisches Faktum. Im übrigen scheint es mir recht einfältig, aus einer Befragung von Leuten aus dem Dorf auf die Nichtexistenz eines Verbrechens zu schließen: bei einer solchen Wahrheitssuche wird man für viele Dörfer Siziliens folgern können, dass es dort niemals Verbrechen der Mafia gegeben hat. Müller meint hingegen: „Alle Zeitzeugen bestätigen übereinstimmend, dass es ihn [den ‚kleinen Krieg’] nie gegeben hat“. Kennt Müller „alle Zeitzeugen“?

Sollte die historische Studie von Bax wirklich widerlegt werden können, bin ich gerne bereit, eine solche Widerlegung zu akzeptieren. Für eine positive oder negative Wertung des Phänomens Medjugorje ist die Existenz des „kleinen Krieges“ ohnehin nur ein Nebenfaktor.

(2) Müller wirft mir zwei „falsche Aussagen“ über Pater Jozo Zovko vor (genau genommen, sind es drei). 1. Es stimme nicht, dass Zovko „von seinen Oberen jeglicher Kontakt mit Medjugorje verwehrt“ würde. Dagegen steht die Tatsache einer ganzen Reihe von Dekreten des Bischofs von Mostar. Das letzte Dekret stammt vom 26. Juni 2004. Es enthält eine lange Liste von vorausgehenden Sanktionen und betont, dass Zovko keine pastoralen Aktivitäten im Bistum Mostar verrichten darf. Im November 2009 verfügte das Provinzialat der Franziskaner von Bosnien-Herzegowina die Versetzung von P. Zovko nach Österreich. Der gesamte Vorgang ist auf der Homepage des Bistum nachzulesen (www.cbismo.com) sowie in italienischer Übersetzung mit zahlreichen anderen Details in zwölf Seiten auf der Homepage des Medjugorje-Spezialisten Marco Corvaglia (http://marcocorvaglia.blog.lastampa.it/mcor/la-ver.html; vgl. die Buchveröffentlichung: Marco Corvaglia, Medjugorje – è tutto falso, Torino 2007). 2. Nach Müller ist mein Hinweis auf „schwerwiegende moralische Vorwürfe“ gegen Zovko „nichts als ein übles, verleumderisches Gerücht“. In dem Schreiben des Bischofs vom 26. Juni 2004 heißt es: „Sie sind nicht berechtigt, auf dem Gebiet der Bistümer Mostar-Duvno und Trebinje-Mrkan in irgendeiner Weise priesterliche Handlungen zu vollziehen; insbesondere haben Sie keine Vollmacht, die Beichten der Gläubigen zu hören. Als Diözesanbischof lade ich Sie aufs neue ein, Ihren priesterlichen Status in Ordnung zu bringen … Die gesamte verfügbare Dokumentation, die sich in der [bischöflichen] Kurie befindet, auch in Bezug auf Ihr moralisches Leben [!], kann ich Ihnen auf Ihre schriftliche Anfrage hin hier in Mostar zeigen“. 3. Müller schreibt außerdem: „Auch die Behauptung, Pater Jozo wäre langjähriger geistlicher Begleiter der Seher gewesen, ist bei näherem Hinsehen nicht haltbar“, weil er seit 1981 nicht mehr in Medjugorje gewesen sei. Tatsache dagegen ist, dass die eben zitierten bischöflichen Dokumente beispielsweise auf das pastorale Wirken Zovkos in der Pfarrei von Siroki Brijeg hinweisen, das im Bistum Mostar liegt, ca. dreißig Kilometer entfernt von Medjugorje. Zovko hat sehr wohl den Kontakt über die Jahre hinweg mit den Sehern aufrechterhalten, so beispielsweise bis zum Jahre 2008 bei den jährlichen Treffen im Mailänder Mazda Palace. P. Zovko wird darum im italienischen Sprachraum gängigerweise als „padre spirituale“ (geistlicher Vater) der Seher vorgestellt.

(3) „Halbwahrheiten und Verleumdung“ wirft mir Müller ebenfalls bezüglich von P. Tomislav Vlasic vor. Vlasic habe nicht bis 1988 in Medjugorje gewirkt, sondern nur bis 1984. Dagegen ist zu betonen: Vlasic hat nur von August 1981 bis September 1984 in Medjugorje gewohnt, aber er hat sich dort des öfteren auch in den folgenden Jahren aufgehalten, bevor er 1988 seinen Wohnsitz nach Italien verlegte. Die Belege dafür finden sich u.a. bei http://marcocorvaglia.blog.lastampa.it/mcor/tomislav-vlasic-era-il-padre-spirituale-dei-veggenti-le-prove.html. Immerhin gibt selbst Müller zu, Vlasic habe dann „einen seltsamen und beklagenswerten Weg“ eingeschlagen. Die „mystische Ehe“ mit Agnes Heupel „aber auf die Gottesmutter oder die Seherin Maria Pavlovic zurückzuführen, ist eine Unverschämtheit und grenzt an Rufmord, denn die Seherin hat wiederholt auf Anfragen klargestellt, dass sie damit nichts zu tun hat“. Dagegen ist zu betonen: Marija Pavlovic gab am 11. Juli 1988 in kroatischer und italienischer Sprache eine Erklärung ab, wonach sie ihre Behauptungen vom 21. April 1988 zurücknahm. Darin sagt sie, dass ihre erste Erklärung nicht mit der Wahrheit übereinstimmt. „Ich habe die heilige Jungfrau niemals um ihren Segen für das von Pater Tomislav V. und Agnes Heupel begonnene Unternehmen gebeten. Ich persönlich hatte nicht das Bedürfnis, irgendeine Art von schriftlicher Erklärung abzugeben. Pater Tomislav V. schlug mir aber immer wieder vor und drängte mich immer wieder dazu, dass ich als ‚Seher’ die Erklärung schreiben sollte, auf die die Welt wartete“ (E.M. Jones, Der Medjugorje Betrug, Müstair 2001, 227). Mit anderen Worten: die „Seherin“ gibt öffentlich zu, unter Berufung auf die Gottesmutter gelogen zu haben.

(4) Müller klagt mich des weiteren „unlauterer Vermischungen“ an, weil die Suspension von neun Franziskanern im Bistum Mostar nichts mit Medjugorje zu tun habe. Dagegen ist sagen, dass der Ungehorsam gegenüber dem Bischof eine Fortsetzung darstellt des Ungehorsams zweier Franziskaner aus den Jahren 1981 und 1982, die sich auf die von Vicka mitgeteilten wiederholten Aussagen der „Gospa“ beriefen, wonach es nicht notwendig sei, der vom Bischof angeordneten Versetzung Folge zu leisten (vgl. die Texte aus dem bischöflichen Archiv von Mostar bei Michael Davies, Medjugorje after Twenty-One Years, 2002, updated version 2004, 214-218: http://www.mdaviesonmedj.com).

(5) Was Müller mit dem Vorwurf der „Vermischung von Mystik und Charismatik“ meint, ist mir nicht klar. Ich habe beide Wirklichkeiten nicht gleichgesetzt.

(6) Müller behauptet, ich habe „psychische“ Untersuchungen an den Sehern verlangt, um sie auf ihren Geisteszustand zu untersuchen. Diese Untersuchungen hätten bereits stattgefunden. Dagegen ist zu sagen, dass mein Interview keine Zweifel äußert an der psychischen Gesundheit der Seher und auch keine einschlägigen Untersuchungen fordert. Der Hinweis bezüglich der psychischen Gesundheit bezieht sich auf die Frage der „Tagespost“ nach den Kriterien für Marienerscheinungen im allgemeinen. Müller erwähnt dann die medizinischen Untersuchungen der Seher während der Ekstasen und meint: „Von Hauke werden diese wissenschaftlichen Ergebnisse glatt ignoriert“. Richtig ist, dass mein Interview die genannten Werke nicht nennt, die mir sehr wohl bekannt sind (vgl. meinen Beitrag über Medjugorje in Sedes Sapientiae. Mariologisches Jahrbuch 9, 1/2005, 159-174, hier 166f), aber zur Bewertung des Phänomens Medjugorje nicht hinreichen. Dergleichen Untersuchungen können bestenfalls nahelegen, dass die Visionen von einem extramentalen Faktor abhängig sind: dieser Faktor kann die Muttergottes sein, aber auch ein betrügerisches Geistwesen. Ekstasen und Visionen gibt es auch beispielsweise im Spiritismus. Neben der extramentalen Erklärung gibt es in der einschlägigen Fachliteratur auch Hinweise auf eine psychogene Dimension der Ekstasen (vgl. etwa mit der Diskussion der Werke von Joyeux usw. Foley, Understanding Medjugorje, 145-155; Corvaglia, 2007).

(7) Müller hält mir schließlich vor, ich hätte die in Medjugorje geschehenen Wunder ignoriert, insbesondere die 1984 geschehene Heilung der Italienerin Diana Basile, die an multipler Sklerose litt. Auch diesen Vorwurf muß ich zurückweisen. Dr. Mangiapan, Direktor des Internationalen Ärztebüros in Lourdes (1972-1990), äußerte sich folgendermaßen: da multiple Sklerose auch spontan verschwinden könne, sei es sehr schwierig zu verifizieren, ob eine medinisch nicht erklärbare Heilung wirklich stattgefunden habe (vgf. Foley, Understanding Medjugorje, 169). Müller meint sodann, dass man von einem „Sonnenwunder“ sprechen könne, wenn man ohne Probleme für die Augen eine Viertelstunde lang in die Sonne sehen könne. Ich persönlich bin überzeugt vom Sonnenwunder in Fatima, das durch eine kritische historische Untersuchung belegt ist und selbst den Journalisten einer Freimaurerzeitung dazu führte, über das „Wunder“ zu schreiben. Bevor man die Lichtphänomene in Medjugorje als „übernatürlich“ beschreibt, sollte man freilich erst einmal die natürlichen Möglichkeiten studieren, die sehr weit gehen können (vgl. dazu etwa die mehrsprachigen Literaturhinweise bei http://marcocorvaglia.blog.lastampa.it/mcor/lho-visto-con-i-miei-occhi-quindi-e-falso-parte-1.html).
Müller hält mir Falschaussagen und unzureichende Information vor. Ich denke, dieser Vorwurf ist ein Bumerang. Der Diskussion um Medjugorje ist nicht mit Ehrabschneidung und Rufmord gedient, sondern nur durch eine sachliche Diskussion aller einschlägigen Elemente im Licht des katholischen Glaubens. Ich würde dem Diakon Thomas Müller, der sich auf seine Priesterweihe in Köln vorbereitet, wirklich wünschen, die Fehler zu vermeiden, die er zu Unrecht an meinem Interview kritisiert.

Hinweis: Demnächst auf kath.net. Kommentar von Dr. Christian Stelzer von der Oase des Friedens und weitere Kommentare zum Thema

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Foto: (c) Pfarrei Medjugorje


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