Lebensweihe und Bindung an die Kirche

2. Juli 2009 in Weltkirche


Sind Diakonissen historische Spekulation? - Eine Kath.Net-Analyse von P. Sebastian Hacker / Katholisch-Theologische Fakultät Wien


Wien (kath.net)
Es gibt in der Katholischen Kirche verschiedene Formen der durch die Kirche beglaubigten „Le-bensweihe“ an Gott: für Männer das Leben in einem Orden, die Diakonen-, Priester- und Bi-schofsweihe, darunter - als wiederbelebtes Institut - der Ständige Diakonat. Für Frauen sind mög-liche Formen der Lebensweihe das Ordensleben als Nonne, als Ordensfrau, als Mitglied eines Säkularinstitutes und die Jungfrauenweihe, vollzogen durch den Bischof.

Gemeinsam ist diesen Formen der Lebensweihe: Sie sind Hingabe des ganzen Menschen an Gott - Weihe des eigenen Lebens an Gott, den Schöpfer, - und Gnade, von Ihm angenommen zu werden, und von daher Bindung an die Kirche. Die Vermittlung dieses Aktes geschieht durch die Kirche, die Christus dazu gegründet hat, um den Menschen den Weg zum Heil anzubieten. Warum betone ich den Begriff der „Lebensweihe“? Das Amt in der Kirche ist kein Recht, das sich jemand nimmt, son-dern eine Beauftragung, die mit der persönlichen Hingabe an Gott und mit durch die Kirche fest-gesetzten Kriterien verbunden ist. Persönliche Frömmigkeit, das Gefühl berufen zu sein, ist wich-tig, aber es genügt nicht, um die Kirche nach außen hin zu vertreten.

Eine weitere Form
der „Lebensweihe“ stellt nach den Forschungen des orthodoxen Theologen Dr. Evangelos Theodorou der „Diakonat der Frau“ dar. Der griechisch-orthodoxe Theologe prä-sentierte in Gastvorträgen seine Forschungsergebnisse zum Amt der Diakonissen in der Ge-schichte der Kirche. Der emeritierte Professor der Universität Athen sprach im März 2009 an den Katholisch-Theologischen Fakultäten der Universitäten Wien, Graz, Linz und Salzburg auf Ein-ladung der Fakultäten und der Stiftung Pro Oriente.

Was oft vergessen wird, ist, dass alle diese Formen der Lebensweihe mit Ehelosigkeit bzw. der Unzulässigkeit einer nachfolgenden Eheschließung verbunden sind. Das gilt für die Katholische, Orthodoxe und die Orientalisch-Orthodoxe Kirche.

Die Weihe gilt als Ehehindernis, deshalb können auch katholische Ständige Diakone nur mit Zustimmung des Bischofs nach dem Tod der Ehefrau noch einmal heiraten. Der lateinische Ritus in der Katholischen Kirche sieht im Regelfall den Pflichtzölibat für Priester vor. Dabei muss beachtet werden, dass es in der Katholischen Kir-che auch andere Riten gibt, dazu zählt der byzantinische Ritus. Die byzantinischen katholischen Ostkirchen (dazu wird die Griechisch-Katholische Kirche gerechnet, die v.a. in der Westukraine vertreten ist) pflegen dieselbe Tradition wie die Orthodoxen, indem sie die Weihe als Ehehindernis einstufen.

Auch die Eheführung des verheirateten Klerus ist durch das kirchliche Leben geprägt: Die Fastenzeiten und das eucharistische Fasten in der Vorbereitung auf die Kommunion sehen entsprechende Einschränkungen bis in den persönlichsten Bereich vor.

Evangelos Theodorou verfasste bereits 1954 seine Dissertation zum Diakonat der Frau in der Orthodoxen Kirche. Seitdem beschäftigte er sich mit dieser Frage auch aus ökumenischer Per-spektive. Er stellte, wie er betont, unvoreingenommen Quellenmaterial vor. Seine Erkenntnisse können uns heute weiterhelfen, wenn die Diskussion über den Diakonat der Frau immer wieder aufkommt und mit mancher Unwissenheit, aber umso lauter geführt wird.

Theodorou forschte zu folgenden Fragen: Welche Parallelen gab es zwischen der liturgischen Ein-führung (griech. "Cheirotonia") eines Diakons und einer Diakonissin? Welche Bedeutung hatte dieses Amt? Ermöglichte es den Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie? Hatten Diakonissen An-teil am Dienst am Altar? War ihr Stand dem der Diakone gleichgestellt? In welchem Zeitraum existierte er in der Ost- und in der Westkirche? Hat er sich in den protestantischen oder anglikanischen Schwesterngemeinschaften erhalten? Wurde das Amt der Diakonissen abgeschafft, oder wäre es möglich, es wieder aufleben zu lassen?

Dabei betonte der Wissenschafter in seinen jüngsten Vorträgen wiederholt die Notwendigkeit weiterer Forschung. In einem Detail ergibt sich ein gewisser Widerspruch zwischen seiner Dis-sertation und den jüngsten Vorträgen, was die Zugehörigkeit von Diakonissen zum Stand des Klerus und ihre Aufgaben betrifft. In der Dissertation unterstrich er, dass der Stand der Diakonis-sen weder im Rang noch im Umfang der Funktionen dem der Diakone gleich wäre. Beim Vor-trag in Wien jedoch sprach er von der Zugehörigkeit zum höheren Klerus und in einem Interview, dass sie „die selben Aufgaben wie die Diakone“ gehabt hätten. Hier liegt aber möglicherweise ein Missverständnis vor. Lassen wir noch andere Stimmen zu Wort kommen.

Gerade im ökumenischen Zusammenhang ist zur Frage des Amtes in der Kirche die Lektüre eines Apostolischen Schreibens von Papst Johannes Paul II. und eines Kommentars der Glau-benskongregation aus dem Jahr 1994 empfehlenswert. Der römische Kommentar unterscheidet zwischen sakramentalem Handeln, Verkündigung der Lehre in offizieller, hierarchischer Funktion und der Verkündigung, für die Laien Verantwortung tragen. Er stellt auch die Frage, ob es sich bei der Beauftragung der Diakonissen „um eine echte sakramentale Weihe“ handelte, und erwähnt die in jüngster Zeit belebte Diskussion, deren Fragekreis „in seiner Gesamtheit ohne vorgefasste Meinung, aber durch ein direktes Studium der Texte wieder aufgegriffen werden muss. Auch die Glaubenskongregation hat es für gut befunden, sich diese Frage noch vorzubehalten und im vorliegenden Dokument nicht zu erörtern.“.

Hier findet sich eine Übereinstimmung mit dem, was Theodorou in seiner Dissertation über die Tätigkeit der Diakonissen schrieb. Sie betätigten sich in Caritas und Katechese, als Kommunion-spenderinnen für kranke Frauen in den für Männer unzugänglichen Frauengemächern. Sie unter-stützten bei der Ganzkörpertaufe von Frauen und deren Salbung mit Katechumenenöl, wobei der Bischof oder Priester die Taufe spendete.

Sie nahmen an Begräbnisprozessionen teil. Diakonissen waren – wie die männlichen Diakone in der orthodoxen Tradition bis heute – aber nie mit der Sakramentenspendung betraut.

Nicht nur in der griechischen, sondern auch in russischen Orthodoxie finden sich Erörterungen zum Diakonat der Frau. Der russisch-orthodoxe Liturgieprofessor Želtov behandelt in der russi-schen Orthodoxen Enzyklopädie die Frage der Erneuerung des Frauendiakonats im 19. und 20. Jh.. In der Anglikanischen und später der Lutherischen Kirche wurde das Thema schon ab dem 18. Jh. diskutiert. In Russland gab es Vorschläge, sie wurden aber in keinem kirchlichen Gremi-um, auch nicht beim Landeskonzil 1917 rezipiert, schon gar nicht umgesetzt.

Beachtlich ist, dass zumindest zwei Bischöfe der griechischen Orthodoxie im 20.Jh. Diakonissen einsetzten. Theodo-rou hatte durch seine Veröffentlichung im Jahr 1954 Interesse geweckt, auf ihn berief man sich.

Beim interorthodoxen Treffen 1988 auf Rhodos wurde die Ansicht geäußert, dass die Wiederbelebung des Diakonats der Frau wünschenswert wäre. Dieses Treffen hatte aber keinen verbindlichen Charakter für die einzelnen Kirchen, sondern ist wie die anderen Treffen einfach ein Ort der Diskussion. Hier darf nicht vergessen werden, dass es noch immer viele ungeklärte Fragen gibt: Welchen Dienst sollen Diakonissen verrichten? Dazu Želtov wörtlich: „In der alten Kirche übte der weibliche Diakonat eine nichtliturgische Tätigkeit ähnlich wie der männliche Diakonat aus (d.h. soziale und ähnliche Aufgaben), aber im Unterschied zum männlichen Diakonat hatte er keine besondern Funktionen im öffentlichen Gottesdienst (d.h. die Diakonissen sangen nicht die Ektenien (Fürbittgebete, Anm.d.Üs.), bedienten nicht den Weihrauch usw.).

In der heutigen Praxis führt der männliche Diakonat meist zum Priestertum, und seine nichtliturgischen Dienste, parallel zu denen auch der Dienst des weiblichen Diakonats bestand, sind auf ein Minimum reduziert oder überhaupt nicht existent.“

Der einzige liturgische Einsatz der Diakonissen war auf die Salbung des ganzen Körpers bei der Taufe beschränkt. Die Assistenz von Diakonissen erübrigt sich heute, weil nur mehr einzelne Körperteile gesalbt und meist Kinder getauft werden. Die neu-zeitlichen Diakonissen in der griechischen Orthodoxie waren als Subdiakone eingesetzt, eine Funktion, die sie in der alten Kirche nicht hatten.

In Übereinstimmung mit der Orthodoxie lehnt das katholische Lehramt im oben erwähnten Kommentar den Vollzug von sakramentalen Handlungen durch Frauen also strikt ab: „Zur Spendung der Taufe wurden jedoch nicht einmal die Diakonissen der syrischen Ostkirche zugelassen; die feierliche Spendung der Taufe wurde als hierarchische Handlung betrachtet, die dem Bischof und dem Priester und im Sonderfall dem Diakon vorbehalten blieb.“

Auch die Internationale Theologenkommission sprach sich 2002 gegen die Wiedereinrichtung des weiblichen Dia-konats aus.
Die Katholische Kirche steht im Einvernehmen mit der Orthodoxie, vor allem, da der Diakonat immer im Zusammenhang mit dem Amtspriestertum gesehen wird. Der neugewählte Patriarch der Russischen Orthodoxen Kirche Kirill betonte in der Predigt zum heurigen Fest Verkündigung des Herrn: Die Verehrung der Mutter Gottes sei in der Kirche seit jeher im Zusammenhang mit der besonderen Wertschätzung der Frau zu sehen. Er nannte das sog. Frauenpriestertum eine „gefährliche Verirrung“, die in Konfessionen ohne Marienverehrung auftrete.

Aus den Zeugnissen über „Diakonissen“ in der Geschichte des Christentums lässt sich somit kein Argument für sakramentale Handlungen durch weibliche Diakone oder eine Zulassung weiblicher Kandidaten zur Priesterweihe in der Kirche herleiten. Wohl aber zeigen sie die ekklesiologische Bedeutung der Frauen in der „Erbauung der Kirche“ (Theodorou) durch ihre Teilnahme an der fürsorgenden Seelsorge. Es ist ein vollwertiger Dienst in verschiedenen Formen, aber gebunden an die Kirche, weil es eine Weihe an Gott ist, der das
Heil der Menschen will.

DI MMag. P. Sebastian Hacker OSB ist Assistent in Ausbildung am Institut für Theologie und Geschichte des Christlichen Ostens, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien.

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