'Betet zuerst für andere'

3. Juni 2009 in Spirituelles


Wellness für die Seele - Begegnungstage mit dem stigmatisierten Fra Elia aus Italien in Wigratzbad - Teil 2: Jeder der 200 Teilnehmer darf persönlich mit ihm, der die Gabe der Seelenschau haben soll, sprechen - Von Franziskus v. Ritter-Groenesteyn.


München (kath.net) Die Sache mit dem Heilig-Blut-Öl klärt sich am nächsten Tag. Es handelt sich um eine so genannte Berührungsreliquie. Öl wird zu den Worten einer besonderen Weiheformel mit der Heilig-Blut Reliquie aus Weingarten berührt und damit hat uns gestern Fra Elia berührt.

Es regnet an diesem zweiten Tag, gleichmäßig und sanft. Fra Elia würde sagen, der Vater sorgt sich um seine Schöpfung und gibt ihr, was sie braucht.

In der Nacht träume ich von ihm. Er spricht mit mir und lässt mich beim Erwachen mit Fragen zurück. Eine traumatische Reflexion des Vorabends, der Lektüre seiner Bücher? Ich bekomme keine Antwort. Beim Lobpreis in der Kirche schenkt ein älteres Ehepaar Fra Elia ein Marienbild für die kahlen Wände seines Klosters. Später, am Freitag, sollen sie Zeugnis ablegen warum. Überhaupt wird Freitag der große Tag des Teilens werden, so lädt man uns ein.

Heute, Mittwoch, geht es darum, Waffen zu schmieden. Wieder in einfachen und schlichten Worten fordert Elia uns auf: „Betet zuerst für andere. Macht euer Gebet zu einer Waffe, die die Herzen vereint, die hilft, die Liebe anzunehmen, die von Krankheit, von Depression, von Verlassenheit heilt. Lernt einander zu vergeben noch bevor die Sonne untergeht. Das ist wichtig.

Nehmt euch täglich 10 Minuten für das Evangelium. Es ist unser tägliches Brot. Wir finden alles darin, was wir für unseren Alltag brauchen. Lernt zu sagen: Ich hab dich lieb. Der Herr verurteilt uns nicht, er liebt uns.“ So einfach seine Worte sind, sie sind gewürzt mit der Vollmacht aus einer anderen Welt. Einer Vollmacht, wie sie im Evangelium beschrieben steht.

Dann kommt der große Moment, auf den alle gewartet haben. Jeder der zweihundert Teilnehmer bekomme die Chance, mit Fra Elia persönlich zu sprechen, verkündet die Organisatorin übers Mikro. Und damit jeder dran kommt, geschieht dies in typisch deutscher Gründlichkeit. Anders als in Italien, wo sich die unorganisiert Wartenden, schon mal in südländischem Temperament an die Gurgel gehen, so dass Elia sogar energisch einschreiten musste, geht in Deutschland alles streng nach Alphabet.

Heute sind die Buchstaben A bis G an der Reihe. In drei Gruppen warten sie geduldig vor der Sakristei auf Einlass. Die anderen dürfen derweil beten. Und gebetet wird in dem mittlerweile kirchlich als Gebetsstätte anerkannten Wigratzbad viel. Wer nicht beten will oder eine Pause braucht, beschaut sich Bilder der blutigen Passion 2009 am Büchertisch von Signora Turolli am Eingang zur Kirche oder trinkt eine Tasse Kaffee auf der weiträumigen Terrasse vor dem Pilgerzentrum unter wieder blauem Himmel.

In der Messe erzählt uns der Spiritual etwas über einen Saulus/Paulus der Neuzeit. Bruno Cornacchiola, letztlich ein Opfer von zu wenig mütterlicher Liebe, gibt der Kirche die Schuld, kauft sich einen Dolch und schnitzt die Worte „Tod dem Papst“ hinein. Nachdem er damit bis 1947 sein Unwesen treiben durfte, kam eines Tages in der Grotte Tre Fontane bei Rom die himmlische Watschn. Eine Dame in Weiß redete ihm ins Gewissen und gab ihm die Liebe, die er nie bekam. Bruno wurde weich und gestand sogar dem Papst sein Vorhaben. Der tröstete ihn mit den Worten „Mein Junge, dein Mord hätte der Kirche einen neuen Märtyrer geschenkt.“ Ob er auch noch „Schade“ hinzugefügt hat, ist nicht verbürgt, es war Pacelli, der dies sagte. Heute ist Bruno ein leidenschaftlicher Verteidiger der Kirche.

Zur Kommunion drängen sich viele in die Nähe von Fra Elia. Mit einfacher Demut hält er die Patene neben dem Priester, der die Hostie reicht.

Fra Elia wollte nie Priester werden. Er wollte dem Volk auf Augenhöhe gegenüber treten. Er, das achte Kind aus einer Bauernfamilie, wollte nie hoch hinaus. Franziskanischer Bruder wollte er sein und im verborgenen leben. Er fand dazu ein Kloster in Bergamo. Leider gab es da aber diese außergewöhnlichen Begabungen und die regelmäßig zu Ostern wiederkehrenden unerträglichen Schmerzphänomene, die ihm einen gehörigen Strich durch die Rechnung machten. Am Ende, so lese ich heute in seiner Biographie, verließ er sogar sein geliebtes Kloster, in der stillen Hoffnung, die Stigmata dadurch endlich los zu werden. Doch nichts dergleichen geschah.

Später treffe ich Eva wieder. Sie hatte bereits ihr Gespräch. Sie strahlt. Was er ihr gesagt habe, möchte ich wissen. „Ja“, sagt sie, „kurz und knackig. Es hat schon Power, was er sagt.“ Dann hüllt sie sich in ein viel sagendes Schweigen und lächelt mich an. Ich denke an die Blicke, die Elia immer wieder auf den einen oder anderen Pilger geworfen hat, mich eingeschlossen. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, was mag er, dem man die Seelenschau nachsagt, da wohl gesehen haben?

Die Erinnerung an den Traum wird plötzlich lebendig. Was wird er mir sagen? Von Helga höre ich beim Abendessen, bei ihr sei es ein tröstendes „Si“ gewesen, nicht mehr. Mehr war auch nicht nötig. Es war auch keine Frage, vielmehr eine Aussage, oder vielleicht doch eine verkappte Frage: „Ich glaube fest, dass Gott mich von meinem 20jährigen Leiden heilen wird.“ „Si!“

Der Abend klingt aus mit einem katholischen Imperativ aus dem Munde des Spiritual. „Heute Abend ist Finale im Champions League. Katholisches Pflichtprogramm“ Doch leider kommt der Sender nicht rein, obwohl der sonst immer reinkommt. Das Spiel fällt aus. Auch mein Handy fällt aus. Hatte ich gestern noch besten Kontakt, heute ist Funkflaute. Nichts zu machen. Ein Schelm, wer da an Engel denkt. Denn die sieht Fra Elia hier zu Hauf. Doch was sie so tun, das sagt er uns nicht.





© 2009 www.kath.net