Weiter Tauziehen um Marburger Kongress

6. Mai 2009 in Deutschland


Die Publizistin Gabriele Kuby hat einen offenen Brief an Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) geschrieben.


Marburg (kath.net) Das Tauziehen um den Marburger Kongress „Psychotherapie und Seelsorge“ vom 20.-24. Mai geht weiter: Bei dem christlichen Kongress treten zwei oder drei von insgesamt 120 Referenten auf, die therapeutisch mit Homosexuellen arbeiten und diese Orientierung für veränderbar halten, wenn der Betreffende dies wünscht. Lesben- und Schwulenverbände werfen diesen Therapeuten Versuche der „Umpolung“ vor, die generell unmöglich seien. Dieses Aktionsbündnis, das sich "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus" nennt, fordert massiv von Oberbürgermeister Egon Vaupel, dem gesamten Kongress keine Räume zur Verfügung zu stellen und ihn somit zu verhindern. Die katholische Publizistin Gabriele Kuby hat am Dienstag in einem offenen Brief an Vaupel appelliert, dem Druck nicht nachzugeben.

Volker Beck, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen, der nach eigenen Angaben in einer schwulen Lebensgemeinschaft lebt, hat gefordert, Veranstaltungen mehrer Referenten abzusetzen. "Dem Bündnis 'Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus' ist das zu wenig", betont Sprecherin Nora Nebenberg in einer Aussendung, wie „Medrum“ meldet. "Unser Protest richtet sich explizit gegen den Kongress als ganzen. Nicht drei Seminare oder ReferentInnen sind das Problem, sondern die homophobe Grundausrichtung der evangelikalen Bewegung. Statt religiös-fundamentalistischen Positionen eine Bühne zu bieten, sollten Stadt und Universität sich für Gleichberechtigung und die Bekämpfung von Homophobie einsetzen."

"Homophobie" sei "menschenverachtendes" Denken - und habe als solches "in einer Universität und anderen öffentlichen Räumen nichts verloren". Homosexualität sei "weder krankhaft noch einer Therapie zugänglich". Der wissenschaftliche Mainstream habe das schon vor 30 Jahren erkannt - "die Evangelikalen offenbar immer noch nicht.", erklärte Nebenberg.

Dagegen wandte sich die Initiative "Für Freiheit und Selbstbestimmung" mit einer Unterschriftenaktion, die bisher von über 400 Bürgern unterstützt wurde. Die Initiative forderte am 20. April öffentlich, dieser neuen Art des Totalitarismus nicht nachzugeben, kath.net hat berichtet.
Wir bringen einen Auszug aus dem Offenen Brief Gabriele Kubys, die eine der Erstunterzeichnerinnen ist, an den Oberbürgermeister.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Vaupel,
der Kongreß „Psychotherapie und Seelsorge", der vom 20 - 24. Mai in Marburg stattfinden wird, beschäftigt seit Wochen die Öffentlichkeit. Sie wurden von einigen Stellen aufgefordert, dem Kongreß keine Räume zur Verfügung zu stellen und sich von bestimmten Referenten zu distanzieren. Das Aktionsbündnis "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus" fordert sogar, den Kongreß insgesamt zu verbieten. Dies stellt einen Angriff auf fundamentale Freiheitsrechte dar, die in der Verfassung garantiert sind.

Gegen solche Forderungen haben sich Bürger und Personen des öffentlichen Lebens mit der Erklärung "Für Freiheit und Selbstbestimmung - gegen totalitäre Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände" ausgesprochen. Ich gehöre zu den Erstunterzeichnern dieser Erklärung, die am 20. April 2009 veröffentlicht und von vielen namhaften Persönlichkeiten unterzeichnet wurde. Daher möchte ich Sie über die Resonanz dieser Initiative informieren.

Die Zahl von mehr als 370 Erstunterzeichnern hat sich seit der Bekanntmachung vervielfacht. Mehr als 400 Professoren, Ärzte, Ingenieure, Theologen, Pfarrer, Pastoren, Publizisten und Medienschaffende haben sich dem Appell angeschlossen, dem Druck der Lesben- und Schwulenverbände und ihrer Verbündeten auf den Oberbürgermeister der Stadt Marburg und den Präsidenten der Marburger Philipps Universität nicht nachzugegeben.

Dazu gehören Prof. Dr. habil. Robert Spaemann, der Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. em. Martin Kriele, die Religionsphilosophin Prof. Dr. habil. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, der Direktor des Internatio-nalen Instituts für Religionsfreiheit, Prof. Dr. phil. Dr. theol. Thomas Schirrmacher, die Philosophin Prof. Dr. Edith Düsing, der Weihbischof von Salzburg, Prof. Dr. Andreas Laun, die Bundesvorsitzenden der Christdemokraten für das Leben, Mechthild Löhr, die Professoren Wolfgang Ockenfels, Manfred Spieker und Peter Beyerhaus, der Direktor des österreichischen Institutes für Ehe und Familie, Prof. Günter Danhel, der evangelischen Theologe und ehemaligen Landesbischof der württembergischen Landeskirche, Dr. Theo Sorg, der CSU-Rechtsexperte des Deutschen Bundestages, Norbert Geis.

Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde, erklärte zu dieser Initiative: „Ob die in der Erklärung der Initiative vertretenen Thesen und Behauptungen zutreffen, kann ich selbst nicht beurteilen. Es ist aber in einer freiheitlichen Ordnung, die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gewährleistet, unerträglich, eine öffentliche Auseinandersetzung darüber zu behindern und einige Personen mit einem Redeverbot belegen zu wollen."

Die Unterzeichner kommen aus mehr als 500 Städten und Gemeinden des Bundesgebietes, aber auch aus dem Ausland, aus Österreich und der Schweiz, aus Belgien, England, Frankreich, Italien, Norwegen sowie Kanada und den USA, wo die Entwicklung in Deutschland mit Sorge beobachtet wird. ...
Täglich schließen sich der Erklärung viele weitere Unterzeichner an. Sie alle sind dankbar, daß Sie sich dem Druck, den Kongreß nicht stattfinden zu lassen, nicht gebeugt haben.

Ich bitte Sie, Herr Oberbürgermeister, und vertraue darauf, daß Sie das Ihre tun werden, damit in Marburg auf dem Kongreß „Psychotherapie und Seelsorge" im Geist der Freiheit ein offener Dialog über wichtige und kontroverse Fragen geführt werden kann, und so die freiheitliche Tradition Ihrer Stadt verteidigen.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Kuby, M.A.

Oberbürgermeister Vaupel hat bisher dem Druck des Aktionsbündnisses nicht nachgegeben, sodass der Kongress stattfinden kann. Angeblich soll er sich von einzelnen Vorträgen distanziert haben, was jedoch auf Anfrage weder bestätigt noch dementiert wurde, wie „Medrum“ berichtet.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS), die den Kongress veranstaltet, werden am Dienstag, 12. Mai in Frankfurt zu einem Runden Tisch zusammenkommen. Dabei geht es um die Gestaltung des weiteren Dialogs zwischen beiden Organisationen, wie Frank Fornaçon von der APS in einer Aussendung mitteilt.

Die APS wehrt sich gegen die Behauptung, bei dem Kongress würden Homosexuelle diskriminiert. Die Konferenz habe überhaupt nichts mit dem Thema Homosexualität zu tun, betont deren Vorsitzender Dr. Martin Grabe (Oberursel). Das bundesweite Medienecho beruhe auf schlichten Fehlinformationen.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete fälschlicherweise, die evangelische Landeskirche habe sich vom Kongress insgesamt distanziert. Deren Pressesprecher Karl Waldeck (Kassel) stellt dazu fest: "Appelle, den Kongress abzusagen oder zu verbieten, sind eine schlechte Option. Gefordert ist eine sachbezogene Debatte." Selbstverständlich hätten Homosexuelle ihren anerkannten Platz innerhalb seiner Landeskirche.

Aus den Freikirchen kommt Unterstützung für den Kongress: "Wir sind sehr dankbar für die kompetente und qualifizierte Arbeit der Akademie", heißt es in einem Brief des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden an seine 900 Gemeinden. Diesem Appell hat sich die Vereinigung Evangelischer Freikirchen, die 14 Kirchen vertritt, angeschlossen. Auch die Evangelische Allianz, ein Laienverband, der über 1 Million Protestanten repräsentiert, hat die Kritik am Kongress zurückgewiesen.

10 Studierende der Universität Marburg wurden zwischenzeitlich eingeladen, als Beobachter am Kongress teilzunehmen. "So können sie sich überzeugen, dass während des ganzen Kongresses Homosexualität kein Diskussionsgegenstand sein wird", erklärt Grabe in einem Brief an verschieden Kritiker, unter anderem den AStA der Universität Mainz.

Das eigentliche Thema "Identität - der rote Faden in meinem Leben", wegen dessen sich fast 1000 Fachleute aus Medizin und Theologie angemeldet haben, droht im allgemeinen Lärm unterzugehen. In 120 Seminaren und Plenarveranstaltungen werden vom 20. - 24. Mai Grundsatzfragen behandelt und unterschiedliche therapeutische Ansätze diskutiert. Das ausführliche Programm findet sich im Internet unter www.akademieps.de.

Die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge ist ein gemeinnütziger Verein, zu dem 550 Fachleute aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Theologie gehören. Sie gehören zu verschiedenen katholischen und evangelischen Kirchen.


Online-Unterzeichnung "Für Freiheit und Selbstbestimmung"


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