Bischof Tebartz-van Elst: ,Sehen, was in der Kirche neu aufbricht’

5. Dezember 2007 in Interview


Wir sollen uns den verschiedenen Herausforderungen stellen, die sich derzeit in der Kirche zeigen, sagt der neue Bischof von Limburg im KATH.NET-Exklusiv-Interview.


Münster (www.kath.net) „Mir ist es sehr wichtig, die missionarische Ausrichtung unseres Glaubens deutlicher anzusprechen. Ich möchte Brücken bauen an die unterschiedlichen Lebensorte der Menschen, um das Evangelium dort zur Sprache zu bringen.“ Das sagt der designierte Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, im KATH.NET-Interview.

Papst Benedikt XVI. hat den 48-jährigen Münsteraner Weihbischof am 28. November 2007 zum neuen Bischof von Limburg ernannt. KATH.NET führte aus diesem Anlass folgendes Gespräch mit ihm.

KATH.NET: Herr Weihbischof, wir gratulieren Ihnen herzlich zu Ihrer Bischofsernennung und wünschen Ihnen Gottes reichen Segen auf Ihrem Weg. Wann haben Sie denn erfahren, dass Sie Bischof vom Limburg werden?

Tebartz-van Elst: Ich war am Samstag mit Ehrenamtlichen aus dem Dekanat Rheine bei einem geistlichen Wochenende im Rahmen der Visitation und habe am Nachmittag erfahren, dass mich das Domkapitel zu Limburg am Vormittag zum Bischof gewählt hatte. Als ich die Nachricht erhalten habe, habe ich zunächst einmal tief durchatmen müssen. Ich konnte dann die gute Gelegenheit des Exerzitienhauses nutzen, um in die Kapelle zu gehen und eine Zeit im Gebet zu verbringen.

Dort habe ich gemerkt, dass in mir die Bereitschaft war, das Ja zu sprechen, und auch die Freude, diesen neuen Dienst anzugehen. Später konnte ich mit den Vertretern des Domkapitels sprechen und so kam es dann dazu, dass der Heilige Vater mich am vergangenen Mittwoch zum Bischof von Limburg ernannt hat. Ich danke dem Heiligen Vater für sein großes Vertrauen und dem Limburger Domkapitel und den Gläubigen in meiner künftigen Diözese für das herzliche Willkommen

KATH.NET: Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass Sie Diözesanbischof werden könnten?

Tebartz-van Elst: Nein, es kam absolut überraschend für mich. Ich bin ja gerade erst vier Jahre Weihbischof hier in Münster und konnte hier viele Kontakte aufbauen und bin in den Gemeinden beheimatet. Ich war innerlich darauf eingestellt, dass es hier jetzt weitergeht in diesem Dienst. Dieser Ruf kam sehr überraschend für mich.

KATH.NET: Wie geht es Ihnen jetzt, einige Tage nach der überraschenden Nachricht?

Tebartz-van Elst: Das herzliche Willkommen der Gläubigen im Bistum Limburg, das ich am vergangenen Mittwoch und zu Beginn dieser Woche bei meinem ersten Besuch im Limburg erfahren durfte, hat mir sehr viel Mut gemacht und Vorfreude in mir geweckt. Der Dom in Limburg war bei der Bekanntgabe der Ernennung am 28. November mit betenden Gläubigen gefüllt.

Das Limburger Domkapitel hat die Erwartung eines neuen Bischofs als ein geistliches Geschehen begriffen und gestaltet. Das halte ich für das Wichtigste: Im Gebet einen solchen Dienst anzugehen und zu spüren, dass viele Gebete mich mittragen. Ich habe in diesen Tagen sehr viele gute Wünsche erhalten, Menschen, die mir ihr Gebetsgedenken versichert haben. Es tut gut, sich in so einer großen Gebetsgemeinschaft zu wissen und von ihr auch getragen zu sein.

KATH.NET: Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrem neuen Dienst setzen?

Tebartz-van Elst: Mir ist es sehr wichtig, die missionarische Ausrichtung unseres Glaubens deutlicher anzusprechen. Ich möchte Brücken bauen an die unterschiedlichen Lebensorte der Menschen, um das Evangelium dort zur Sprache zu bringen. Der Dienst des Bischofs ist ein Dienst des Brückenbauens, ein Dienst der Sammlung, ein Dienst der Leitung.

Es ist mir wichtig, die Menschen an den verschiedenen Orten des Lebens auf den Mehrwert des Glaubens anzusprechen, sie zu sammeln und die Sakramente der Kirche mit ihnen zu feiern. So bekommt unser Glaube ein Gesicht. So verstehe ich meinen Dienst: vorangehen mit dem Zeugnis des Glaubens und mitgehen, wo Menschen im Glauben unterwegs sind.

KATH.NET: Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Bischof aus?

Tebartz-van Elst: Zuerst das Gebet. Gott die Menschen zu empfehlen, die mir anvertraut sind, schafft die größte Nähe zu ihnen. Daraus kommt die Gabe des Zuhörens, die für einen Bischof sehr wichtig ist, um zu begreifen, was Menschen bewegt, um ihre Lebenssituation zu verstehen. Gleichzeitig ist es aber auch nötig, das Wort zu ergreifen, also von dem zu sprechen, was die Kirchlichkeit unseres Glaubens ausmacht: dass wir eine Gemeinschaft sind, die in Wort und Sakrament verbunden ist.

Das anzusprechen bedeutet, den Menschen Ermutigung zu schenken, aber auch den prophetischen Anspruch unseres Glaubens ins Wort zu bringen. Es geht darum, den Zuspruch und Anspruch des Evangeliums konkret in Erfahrung zu bringen, d. h. auch anzusprechen, was um Gottes Willen in unserer Gesellschaft nicht mit dem Menschen geschehen darf und ins Wort zu bringen, was den Menschen als Ebenbild Gottes aufrichtet.

KATH.NET: Welche sind Ihrer Ansicht nach die derzeitigen Herausforderungen für die Kirche in Deutschland?

Tebartz-van Elst: Wir erleben derzeit, dass volkskirchliche Selbstverständlichkeiten immer weniger tragen und immer seltener anzutreffen sind. Deshalb wird es zunehmend darauf ankommen, „Christ-Werden und Christ-Bleiben aus Einsicht und Entscheidung“ zu fördern, um damit ein Wort des Hl. Augustinus aufzugreifen. Ich halte es für vorrangig, in unserer Liturgie und Katechese, die Inhalte unseres Glaubens als eine Identität in der Beziehung mit Gott und den Menschen zu fördern.

Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir missionarisch werden können, dass wir wahrgenommen werden mit unserem Zeugnis und dass unsere Antwort auch von jenen in Betracht gezogen wird, die suchen. Wir müssen das, was wir als Kirche sind und was unser Wesen aus Christgläubige ausmacht, profilierter den Menschen nahe bringen.

KATH.NET: Welche Rolle spielt die Kirche für Sie im Gesamtgefüge der Gesellschaft? Wo muss Sie sich zu Wort melden, wo ist sie Mahnerin, Prophetin?

Tebartz-van Elst: Überall da, wo das Lebensrecht der Menschen in Gefahr ist. Wir erleben das derzeit in vielfältigen Fragestellungen: Ob es um die Stammzellenforschung geht, ob es um das Recht des Lebens am Anfang oder am Ende geht. Was derzeit in der Schweiz vor sich geht, macht mir große Sorgen.

Die Kirche muss ihre Stimme erheben, wo es um Fragen der sozialen Gerechtigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft geht. Ich wünsche mir, dass die großen Errungenschaften und Einsichten der katholischen Soziallehre eine stärkere Beachtung finden, also das, was wir als Kirche zu einem gelingenden Gemeinwesen beisteuern können.

In der gesamten Frage nach den tragenden Werten haben wir als Kirche sehr viel einzubringen. Wir müssen dort mahnen, wo die Werte immer mehr aus dem Blick geraten. Wir müssen uns einsetzen, wo es um die Förderung von Ehe und Familie geht. Ich denke, dass wir als Kirche sehr herausgefordert sind, unsere Überzeugung zur Sprache zu bringen.

KATH.NET: Was ist ihr persönliches „Lieblingsgebiet“?

Tebartz-van Elst: Ich will es anders formulieren: Meine Freude am Glauben, die ich mit anderen teilen möchte, ist die: Es ist uns von Gott her das Leben in seinem Sohn Jesus Christus geschenkt. Das erfahren wir dort, wo wir uns in seinem Geist versammeln. Manchmal habe ich den Eindruck: Wir schauen zuerst auf das, was weniger wird, was weg gebrochen ist, sodass sich manchmal Resignation und Frustration auch unter denen verbreiten, die angetreten sind, das Evangelium zu verkünden.

Ich glaube, es ist wichtig, einen inneren Perspektivenwechsel zu vollziehen und auch zu sehen, was neu aufbricht: Wo der Glaube missionarisch verkündet wird, wo wir einladende Glaubenszeugnisse erfahren, erleben wir auch, dass Menschen sich davon ansprechen lassen und neu auf unsere Botschaft aufmerksam werden.

Es geht um eine geistliche Entdeckung in der Pastoral, die der Prophet Jesaja so ausdrückt: „Neues kommt zum Vorschein – merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19) Ich glaube, dass wir Christen immer auch Kundschafter dessen sind, was Gott uns in dieser Zeit zutraut – auch in manchem, was wir zunächst als Zumutung empfinden.

Wir müssen entdecken: Gott geht mit uns in dieser Zeit. Er führt uns auf ein Neuland des Glaubens und des Lebens. Dafür braucht es Kundschafter, die vorausgehen. Das ist eines meiner Lieblingsmotive in der Bibel. Mein Wahlspruch lautet: „Auf Christus getauft, mit Christus bekleidet.“ (vgl. Gal 3,27) Ich glaube, dass uns kraft unserer Taufe soviel geschenkt ist, dass wir daraus auch die Zuversicht schöpfen können, uns den verschiedenen Herausforderungen zu stellen, die sich derzeit in der Kirche zeigen.

Interview: Petra Knapp-Biermeier


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