Machtlos

15. November 2007 in Aktuelles


Angst vor dem Terror, Sinn des Lebens: Ein neuer Kinofilm wirft Fragen im Grenzbereich zwischen Leben und Tod auf. Von Franziskus v. Ritter-Groenesteyn.


München (www.kath.net)Unsere Heimat ist im Himmel. Wer nicht von dieser Perspektive her denkt, für den ist finis terrae , das Ende der Welt, der Tod. Wer sein Leben nicht auszudehnen weiß auf die unendlichen Dimensionen der kommenden Welt, für den erschöpft sich der Sinn des Lebens in eben diesem irdischen Leben.

Hier gilt es, das Maximum an erlebbaren, erfahrbaren, hinein zu packen. Hier gilt es um jeden Preis das Leben zu retten es zu verlängern, hier muss man Karriere machen, hier etwas werden. In unserer Welt wird der Tod eines Menschen nur allzu oft als maximale Tragödie begriffen.

Sie will man verhindern, so gut und solange es geht. Ich rede nicht von Euthanasie, ich rede auch nicht von Abtreibung, denn das wäre paradox und es ist paradox.

Ich rede vom Ungeist der Selbstbegrenzung, dem nicht nur der einzelne Mensch, nein dem ganze Institutionen und Regierungen zum Opfer fallen. Ich rede von der Angst vor Terror und wie man diesen verhindern kann. Ich rede von einem Film, der sich eben dieser Thematik verschrieben hat, und die damit verbundenen Probleme aufzeigt.

Irdische Mittel der Verteidigung

„Machtlos“ zeigt, zu welch erschreckenden Mitteln eine Staatsmacht greifen kann, wenn ihr Leitspruch „In God we trust!“ zu einer leeren Worthülse verdorrt. Wer nicht wahrhaft an den Schutz von oben glaubt, der muss zu grausamen irdischen Mitteln der Verteidigung greifen, um das Leben der seinen vermeintlich zu schützen, und der schreckt auch nicht davor zurück, Menschen aus der Mitte ihres Lebens zu rauben und sie ohne jegliches Verfahren in die finstersten Verliese menschlich erdachter Bosheit zu stecken.

Dieses Verfahren nennt sich „extraordinary rendition“. Ein Widerspruch in sich, denn rendition, die Verkündigung eines Urteils, setzt ein ordentliches Verfahren voraus, was gerade bei einer extraordinary rendition vermieden wird.

Dieses seit 9/11 von den USA forciert betriebene Verfahren, kidnappt vermeintliche Terroristen oder deren Helfershelfer, verbringt sie in ein anderes Land und setzt sie dort solange der Folter aus, bis die Opfer ihnen sagen, was sie hören wollen. Abu Ghraib und Guantanamo sind solche Orte.

Die Bosheit liegt im System

Das Perfide an diesem System vermag der Film „Machtlos“ mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle des CIA-Agenten Douglas Freeman, Stück für Stück aufzudecken. Niemand der Handelnden, ja nicht einmal die Folterknechte sind von Bosheit geprägt.

Die Bosheit liegt im System. Sie beginnt, wenn die Leiterin der Anti-Terroreinheit Corrine Whitman, überzeugend unterkühlt gespielt von Meryl Streep, sich weigert von Folter zu sprechen und es vorzieht sich auf die zu beschaffenden „Informationen“ zu konzentrieren.

Die Bosheit liegt in dem vom Verteidigungsministerium erdachten Instrumentarium möglicher „Verhörmethoden“. Sie nicht zu befolgen käme einer Befehlsverweigerung gleich. Die Bosheit liegt in der Gier des Nächsten, der für ein Kopfgeld seinen Nachbarn denunziert, ihn als Terroristen hinstellt, obwohl er es vielleicht gar nicht ist und der dann als solcher vom Verhörpersonal behandelt wird.

Wer in dieses System eingebunden ist, kann sich seiner Grausamkeit nicht entziehen, er wird Teil von ihr, und ist sich dessen nicht einmal bewusst.

Missbrauch des Himmels

Auf der anderen Seite zeigt der Film aber auch, zu welch traurigen Ergebnissen es führen kann, wenn die himmlische Heimat dazu missbraucht wird, Taten menschlicher Bosheit und Gewalt, um den Preis einer Eintrittskarte ins ewige Paradies zu versüßen.

Der Kamikaze-Gedanke aus dem Zweiten Weltkrieg hat längst Enkelkinder und Urenkel hervorgebracht. Das Opfer sind junge idealistische, tief verletzte Menschen, die in der Hand ihrer geistlichen Führer zu menschlichen Splitterbomben maximaler Zerstörungskraft mutieren.

Und gerade darin liegt die crux. Wie will man einen Gegner, der sich himmlischen Zielen verschrieben hat, mit irdischen bekämpfen. Es kann da keinen Sieg geben, nicht ohne Hilfe von oben. Doch das einzig legitime Mittel, Hilfe von oben zu erwirken ist das Gebet. Denn darin liegt die wahre Überlegenheit von: „In God we trust!“

Zur Handlung: Der seit zwanzig Jahren in den USA lebende Chemiker Anwar El-Ibrahimi (Omar Metwally) kehrt von einer Konferenz nicht mehr zurück. Seine Frau, die Amerikanerin Isabella (Reese Witherspoon) stellt über ihre politischen Verbindungen Nachforschungen an. Sie erfährt keine Einzelheiten, nur der Zuschauer erfährt, was mit Anwar geschieht.

Mit einer Kapuze über dem Kopf und angekettet wie ein Tier, wird er nach Ägypten gebracht und dort in den feuchten, modernden Folterkellern verhört. Niemand ist dabei wirklich böse. Alle tun nur ihren Job. Anwar soll Anrufe eines bekannten Terroristen erhalten haben und man will Namen. Anwar beteuert seine Unschuld, spricht von einer Namensverwechslung, vergebens.

Der Film stellt die Folter nie in den Mittelpunkt. Dies hier ist nicht der Standpunkt des Voyeurs, so wie etwa in dem blutigen Machwerk „Hostel“. Es geht um Fragen an den Zuschauer. Es geht darum, ob Folter je zu rechtfertigen ist.

Es geht darum, das Richtige zu tun und darum herauszufinden, was das Richtige ist.Auch der CIA-Agent Freeman muss sich entscheiden und es ist eine Entscheidung, die große Zivilcourage erfordern wird, doch – vielleicht auch aus dramaturgischen Gründen – es ist nicht das Gebet.

„Machtlos“ kommt am 22. November in die Kinos.


© 2007 www.kath.net