Religiosität beeinflusst Verlauf von psychischen Krankheiten positiv

16. Oktober 2007 in Österreich


Mehr Hoffnung, weniger Suizid: Der Grazer Psychiater Raphael Bonelli untersuchte aktuelle Studien über die Auswirkung des Glaubens auf psychische Krankheiten.


Graz (www.kath.net / pkb) Religiosität ist nach Ansicht des Grazers Psychiaters und Universitätsdozenten Raphael M. Bonelli „das letzte Tabu“ in der Psychiatrie. Zwei Studien aus jüngster Zeit belegen dies: Psychiater sind unter allen Ärzten am wenigsten religiös, ergab eine Untersuchung – KATH.NET hat berichtet.

Und zweitens: Therapeuten sind durchschnittlich viel weniger religiös als Patienten, was diese wiederum oft hemmt, über ihren Glauben zu sprechen, zeigte eine andere Studie.

Der Grazer Universitätsdozent machte sich in Vorbereitung auf den Kongress „Religiosität in Psychiatrie und Seelsorge“, der vom 11. bis 13. Oktober in Graz stattfand, auf die Suche nach dem „forgotten factor“ Religiosität in der Psychiatrie.

Bonelli, Organisator des Kongresses, sammelte aus den 20 renommiertesten Fachzeitschriften Beiträge, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden. Beim Kongress präsentierte er eine Anzahl von aktuellen Studien.

Befund 1: Religiosität wurde bei psychiatrischen Patienten sehr schlecht untersucht. Befund 2: In 72 Prozent der Studien war Religiosität ein positiver Faktor. Fast alle Studien belegen, dass Spiritualität und Glaube den Verlauf von psychischen Krankheiten positiv beeinflusst.

Ein Beispiel aus dem Jahr 2006: Bei 100 schizophrenen Patienten wurde untersucht, ob Religiosität ihnen hilft. Ergebnis: 71 Prozent von ihnen sagt, dass Religion ihnen Hoffnung und Sinn gibt; die Hälfte meint, ihre psychotischen Symptome vermindern sich dadurch.

Religiosität wirkt als stabilisierender Faktor bei affektiven Störungen, etwa der Depression, geht aus einer anderen Studie hervor. Sie wirkt außerdem protektiv gegen Süchte. Und: Bei religiösen Patienten gibt es weniger Suizidversuche.

Eines sei natürlich klar, räumt Bonelli ein: „Wir wissen alle, dass es auch eine pathogene Religiosität gibt, die nicht hilfreich ist.“

Der Grazer Psychiater hält diese Studien, die in Europa noch kaum beachtet sind, für revolutionär. Insgesamt stellt er innerhalb der Psychiatrie eine „neue Sachlichkeit“ gegenüber dem Religiösen fest. Ein Kongress wie dieser „wäre vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen“, ist er überzeugt.


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