Kinder wollen keine Krippen

4. Oktober 2007 in Schweiz


Überall werden Loblieder auf Kinderkrippen gesungen. Aber finden Kinder Krippen eigentlich toll? Psychiater zweifeln an der Fremdbetreuung, berichtet die "Weltwoche".


Zürich (www.kath.net) „Krippen sind etwas, was Kinder nicht wollen.“ Das sagt der deutsche Verhaltensbiologe Joachim Bensel in einem Bericht der Schweizer „Weltwoche“, der sich ausführlich mit dem Thema Kinderkrippen befasst. Bensel forscht seit vielen Jahren zu den Themen kindliche Entwicklung und Kinderbetreuung.

Auch der ehemalige Vize-Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie wird zitiert. Otto Eder zeigt sich kritisch: „In den ersten drei Jahren sind Krippen nicht sinnvoll“, sagt er. Es gebe Notfälle, wo es nicht anders gehe. Grundsätzlich sei es jedoch gut, wenn die Mutter mit ihren Kindern sein könne oder der Vater.

Mit der Frage, ob Kinder eigentlich Krippen toll finden, setzt sich kaum jemand auseinander, wird in dem „Weltwoche“-Beitrag bemängelt. Dieter Bürgin, langjähriger Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Universitätsklinik in Basel, meint: „Wenn es ein Kind zu Hause gut hat, dann ist die Krippe schlechter.“

Psychologin Ursula Büchli erklärt: „Es ist hundertmal besser, sich einzuschränken und beim Kind zu bleiben.“ Das Problem: Kinder in Krippen binden sich eng an die Betreuerinnen. Jedes Mal wenn diese wechseln oder ihren Job verlassen, muss sich das Kind lösen von einer Person, die es gern hat. Büchli meint, es sei „brutal“, wie man die Kinder dem aussetze.

Auf konkrete Erfahrungen aus der DDR verweist die Psychoanalytikerin Ann Kathrin Scheerer aus Hamburg. Viele Patienten aus der DDR hätten Probleme mit Gefühlen und tiefen Beziehungen, weiß sie. In der DDR wurden Kinder systematisch in Horte gesteckt. Sie bezieht sich außerdem auf Erkenntnisse aus der Säuglingsforschung. Man wisse, dass jede Trennung von der Mutter ein Stressfaktor sei. „Kleinkinder brauchen exklusive Beziehungen“, ist sie überzeugt.

Eine Pflegeperson in den ersten drei Jahren könne „aus Sicht des Babys nur eine Notlösung sein“, sagt sie. Babys hätten noch kein „inneres Bild“ der Mutter, an dem sie sich festhalten können. Wenn also das Baby die Mutter nicht sieht, dann ist diese für immer weg.

Die vielgepriesene Sozialisation in Kinderkrippen, mit der Politiker häufig argumentieren, finde nicht statt, erklärt Joachim Bensel. Kinder in den ersten drei Lebensjahren seien auf wenige Personen ausgerichtet, in Kinderkrippen vor allem auf Erwachsene. „Anderthalbjährige Kinder spielen nur einen Bruchteil der Zeit mit anderen Kindern“, weiß er.


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