Würde mir tat­säch­lich Schisma vorgeworfen …

24. Juli 2007 in Interview


… bliebe letztlich keine andere Möglichkeit als der Weg nach Rom -KATH.NET-Exklusiv-Interview mit dem Kirchenrechtler Hartmut Zapp über seinen (Nicht)austritt der Kirche und die Kritik an den deutschen Bischöfen


Linz (www.kath.net)
Vor einige Tagen trat der deutsche Kirchenrechtler Hartmut Zapp vor staatlicher Behörde aus der Kirche aus und erklärte gleichzeitig vor der Kirche, dass er diese nicht verlassen will. KATH.NET berichtete.. KATH.NET sprach mit Prof. Hartmut Zapp über die Hintergründe.

KATH.NET: Sie werfen den deutschen Bischöfen schweren Ungehorsam gegenüber dem Papst vor. Ist das nicht sehr hart? Warum der Vorwurf?

Zapp: Die mit der Taufe begründete Kirchen-Gliedschaft ist nach katholischer Lehre unver­lierbar und unaufgebbar, kann aber durch Straftaten (z.B. Häresie, Apostasie, Schisma) erheb­liche kirchenrechtliche Beein­trächtigungen erfahren. Mit der Zugehörig­keit zur katho­lischen Kirche wird in Deutschland gleichzeitig die Mitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verknüpft (vgl. Art.140 GG iVm Art.137 Abs.5 und 6 WRV), die allerdings auf Grund der Religionsfreiheit jeder­zeit beendet werden können muß. Adressat dieser Austrittserklärung kann nur der Staat sein, weil er allein die Mitglied­schaft in der Körperschaft und die damit verbundenen Rechtsfolgen - z. B. die Kirchen­steuer­pflicht - aufheben kann. Eine entsprechende Aus­tritts­erklärung ist für den kir­chenrecht­lichen Status schon deswegen bedeutungslos, weil es dem Staat an jeglicher Kompetenz zur Entge­gen­nahme von Erklärungen mangelt, wel­che die Zugehörigkeit zur Glaubens­gemein­schaft betreffen: Körperschaftsaus­tritt ist eine lediglich den staatlichen Bereich berührende Angelegenheit mit ausschließlich "bürgerli­cher Wirkung".

Vor allem mit ihrer Erklärung vom Dezember 1969 setzten die deutschen Bischöfe den sog. "Kirchenaustritt" vor staatlichen Behörden - erfolgt "aus welchen Gründen auch immer" - mit einer "schweren Verfehlung" gleich, die den Ausschluß vom "sakramen­ta­len Leben" nach sich zog; persönliche Motivationen der Austrittserklärung wurden nicht berück­sichtigt. Das kirchliche Gesetzbuch führte 1983 in drei Normen des Ehe­rechts eine neue Begriffs­bestimmung ein: Katholik ist, wer "in der katholischen Kirche getauft oder [nach der Taufe] in sie aufgenommen wurde und nicht durch einen formalen Akt von ihr abge­fallen ist". Worin dieser Formalakt besteht, ist dem Gesetzbuch nicht zu entnehmen, doch für die deutschen Bischöfe war die Antwort schnell gefunden: Es ist der Körper­schaftsaus­tritt vor der staatlichen Behörde. Damit setzten sie die histo­risch-zufällige Rechtsfigur des staatlichen Gebildes "Kör­perschaft des öffentlichen Rechts" mit der katholischen Kirche als die Verwirklichung der Kirche Christi gleich; begründete Kritik blieb unbeachtet. Wiederholte Anfragen an die römische Kurie führten zur bahn­brechen­den, von Papst Benedikt XVI. approbierten Entscheidung des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13. März 2006.

Danach sind für einen wirklichen "Formalakt des Abfalls von der Kirche" (actus formalis defectionis ab Ecclesia) drei Kriterien Voraus­setzung: a) die innere Entscheidung, die Kirche zu verlassen; b) die Verwirklichung und äußere Kundgabe dieser Entscheidung in schriftlicher Form vor der zuständigen kirchli­chen Autorität; und c) die Annahme der Entscheidung durch diese Autorität: Einzig der Ordinarius oder der Heimatpfarrer ist zu dem Urteil befähigt, ob der Willens­akt zur "wirklichen Trennung von den konstitutiven Elementen des kirchlichen Lebens" vorliegt. Ausdrücklich spricht die Ent­scheidung dem bloßen Körper­schaftsaustritt diese Willensqualifikation ab.

Die deut­schen Bischöfe ver­treten indessen in ihrer (in sich widersprüchlichen) Erklärung vom 24. April 2006 die gegenüber ihrer Auffassung von 1969 merklich verschärfte Lehre, der Körperschaftsaus­tritt "erfüll(e) den Tatbestand des Schismas"; wer daher "- aus welchen Gründen auch immer - den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, zieht sich die Tatstrafe der Exkom­munikation zu". Unter Berufung auf ein Schreiben des Päpstlichen Rates für Geset­zes­texte - in zwei neueren Veröffentlichungen wird dafür das Datum vom 14. März 2006 genannt - betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einem Interview vom 14. Juni 2006, der Rat habe die Auffassung der deutschen Bischöfe "ausdrücklich bestätigt".

Im zweiten Halbjahresheft 2006 des offiziellen Mitteilungsorgans des päpstlichen Rates für Gesetzestexte, den Communicationes (erschienen im März 2007), erfolgte völlig überraschend die Publi­kation des päpstlich approbierten Dokumentes vom 13. März 2006 in italienischer, engli­scher, deutscher (S. 175-177), französischer, spanischer und portugiesischer Sprache (auf den Internetseiten des Vatikans, Rat für Gesetzestexte in der Reihenfolge deutsch, englisch, französisch, italienisch, portugiesisch und spanisch; eingesehen am 22.7.2007). In dieser Veröffentlichung (die deutsche Fassung spricht außer­dem im Publikationsbefehl von der amtliche(n) Bekannt­machung an alle Präsidenten der Bischofs­konferenzen) ist nun zweifellos eine "andere Promulgationsform" nach can. 8 § 1 zu sehen, d.h. es handelt sich um eine authentische Interpretation "nach Art eines Gesetzes" (can. 16 § 2). Ein päpstliches Gesetz aber kann weder durch ein Schreiben des Rates für Gesetzestexte an den Vorsitzenden einer Bischofskonferenz noch durch die Bischofskonferenz selbst aufgehoben oder geändert werden. Die deutschen Bischöfe befolgen dieses Gesetz nicht. Ist der Vorwurf, sie befänden sich im Ungehorsam gegen­über dem Papst dann unberechtigt?

KATH.NET: Sie haben mit einem spektakulären Schritt vor der staatlichen Behörde den Kirchenaus­tritt erklärt und vor Kirchenvertretern selbst gesagt, dass Sie weiterhin in der Kirche sein wollen. Was sagt Ihr Bistum dazu? Gibt es Gespräche? Werden Sie mit Ihrem Bischof reden?

Zapp: Mit dem Körperschaftsaustritt wollte ich auf die Klärung der Frage nach dem "Formalakt des Abfallens von der katholischen Kirche" durch die authentische Inter­pretation des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13. März 2006 hinweisen. Dieser Schritt bedeutet keinen "Kirchenaustritt", da es sich weder um die "innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen", noch um deren "äußere Bekundung", noch um die "Annahme dieser Ent­schei­­dung von seiten der kirch­lichen Autorität" handelt; ich lege großen Wert auf diese Differenzierung und würde die Einladung zu einem Gespräch mit meinem Bischof oder Ver­tretern der Bistumsleitung über die in meinem Artikel behandelte Thematik begrüßen. Sehr schön wäre es, käme es in weiterem Rahmen zur Diskussion zwischen Bischöfen und Kanonisten.

KATH.NET: Wie wird es nun in der Sache weitergehen? Werden Sie das Ganze bis nach Rom bringen wollen? Was sollte Ihrer Meinung nach passieren?

Zapp: Wie die Sache weitergeht, ist schwer zu sagen. Meine Kritik richtet sich gegen die gene­relle Gleichsetzung von Körperschaftsaustritt mit Trennung von der Kirche und gegen die meiner Ansicht nach ungerechte, vom kirchlichen Recht nicht gedeckte Androhung schwer­­­ster Sanktionen bei verminderter Kirchenunterstützung. Würde mir tat­säch­lich Schisma vorgeworfen, bliebe letztlich keine andere Möglichkeit als der Weg nach Rom.

Sie fragen weiter, was meiner Meinung nach passieren sollte. Vielleicht könnte die Entscheidung des obersten kirchlichen Gesetzgebers von Bedeutung für das deutsche Kirchenfinanzierungssystem werden. Der "Streitfall" Kirchensteuer belastet nicht nur Katholiken; auch evangelische Christen suchen nach Lösungen, wie etwa fortgeschrittene Bemühungen innerhalb des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins zeigen. Gefragt sind aber nicht nur Vertreter des evangelischen und katholischen Kirchenrechts, auch unter staatskir­chenrechtlichem Aspekt dürfte Handlungsbedarf bestehen.

Ist nicht die Religionsfreiheit berührt, wenn nach unseren Kirchensteuer- bzw. Kirchenaustrittsgesetzen Gläubige, die wegen großer finanzieller Belastung den Körperschaftsaustritt erklären müssen, gezwungen werden, gegen ihre religiöse Überzeugung etwas vor einer staatlichen Behörde zu bekunden und bescheinigen zu lassen, was sie entschieden nicht wollen - die Trennung von ihrer Kirche oder Glaubensgemeinschaft? Ein zeitgemäßes Religionsver­fassungsrecht sollte auf längere Sicht neue Formen der Kooperation zwischen Staat und Kirchen/­Reli­gionsgemeinschaften finden können, die ohne die umstrittene Institution mit dem "rätselhaften Ehrentitel" Körperschaft des öffentlichen Rechts auskommen.

KATH.NET: Glauben Sie, dass auch andere Gläubige jetzt diesen Schritt vollziehen werden?

Zapp: Nein, ich bin nicht der Ansicht, mein Verhalten könne dies bewirken. Aber ich möchte dazu beitragen, daß sie, sollten sie den Körperschaftsaustritt, etwa aus finanziellen Grün­den, für notwendig und richtig erachten, ihn ohne Sakramentenausschluß und andere Diskri­mi­nierun­gen erklären können.

KATH.NET: Was sagen Kirchenrechtskollegen von Ihnen zu dem Schreiben aus Rom über "Kirchen­steuer und Kirchenaustritt" und die Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz?

Zapp: Auch hier ist festzustellen, daß es weniger um Kirchensteuer oder Kirchenbeitrag ging, sondern um die Klärung der Defektionsklausel, d.h. worin der Formalakt des Abfal­lens, der Trennung von der Kirche besteht. Deren besondere Problematik existiert ja nur in den ver­schwindend wenig Ländern, in denen Formen der Kooperation von Staat und Kirche die Verwechslung von "Steuerverein" und Glaubensgemeinschaft ermöglichen. Von seiten deutscher Kano­nisten wird die mit der authentischen Interpretation herbei­geführte Lösung, soweit ich dies beurteilen kann, positiv beurteilt. Auch wenn - wie mitunter vorgeschlagen - die Defek­tions­klauseln gestrichen werden sollten, bleibendes Ergebnis ist die korrekte kirchenrechtliche Beurteilung des bloßen Körperschafts­austritts.

Sehr viel kritischer wird in bisherigen Beiträgen der wissen­schaftlichen Kanonistik zu diesem Thema die Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz gesehen, wenn etwa zu Recht ausgeführt wird: "Die DBK hält einstweilen an einer Position fest, die seit dem PCI-Rundschreiben kirchenrecht­lich problematischer ist denn je. Dahinter mag das nach­vollziehbare Bemühen stehen, rasch auf die einsetzende Debatte zu reagieren, um Nach­teile - nicht zuletzt finanzieller Art - von der Kirche abzuwenden. Aber heiligt dieser Zweck auch nicht-rechtskonforme Mittel?" Eine andere Stimme meint: "Das 'Rund­schrei­ben' [des Päpstlichen Rats, HZ] antwortet zwar auf die eherechtliche Frage nach den Kriterien des actus formalis, bringt aber auch in die langjährige Kontroverse um die Wertung des Kirchenaustritts in Deutschland eine 'Klärung von bedeutender Tragweite', die die bisherige Position der deutschen Bischöfe nicht nur nachhaltig erschüttert, sondern sie als nicht mehr möglich erscheinen lässt."

Diskussion im Forum

KATHPEDIA: Zapp


© 2007 www.kath.net