'Die ökumenische Brüskierung'

11. Juli 2007 in Aktuelles


Russisch-Orthodoxe Kirche lobt Vatikanschreiben über das Wesen der Kirche – Stellungnahme von Kardinal Lehmann sorgt für Verwirrung – Evangelisch Vertreter sind empört und sind "ökumenisch brüskiert"


Vatikan (kath.net/idea/RNA/div)
Das am Dienstag veröffentlichte Vatikanschreiben über das Wesen der Kirche hat für zahlreiche Reaktionen gesorgt. Die russisch-orthodoxe Kirche hat den Vatikantext für seine „eindeutige Position“ gelobt und betont, dass das Dokument zeige „wie nah beziehungsweise wie fern wir einander sind“. Das Schreiben sei eine Grundvoraussetzung für einen „ehrlichen theologischen Dialog“.

Die russisch-orthodoxe Kirche betont, dass Rom genauso wie das Moskauer Patriarchat sich auf die „apostolischen Sukzession“ berufen kann.

EKD-Ratsvorsitzende, Wolfgang Huber (Berlin), sieht in den „Antworten“ eine Brüskierung der Ökumene und eine vertane Chance. Sie seien eine „unveränderte Neuauflage“ der „anstößigen Aussagen“ der Vatikan-Erklärung „Dominus Iesus“ aus dem Jahr 2000. Darin wird den Gemeinden der Reformation abgesprochen, „Kirchen im eigentlichen Sinn“ zu sein. „Die Einsicht, dass ökumenische Fortschritte und wechselseitigen Respekt für das Kirchesein des ökumenischen Partners voraussetzen, bleibt unberücksichtigt“, heißt es in einer in Hannover veröffentlichten Stellungnahme Hubers.

Die Hoffnung auf einen Wandel der ökumenischen Situation sei mit dem neuen Vatikan-Dokument „erneut in die Ferne gerückt“. Die römischen „Antworten“ ließen einen tieferen Sinn für die Relativität des eigenen Standpunkts vermissen und wirkten dadurch „ökumenisch brüskierend“.

Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Friedrich Weber (Wolfenbüttel), übte ebenfalls Kritik an dem Dokument. Es sei ein Signal, das nicht weiterbringe.

Weber warf dem Vatikan vor, sich immer weiter von den ökumenischen Realitäten zu entfernen, „die in vielen benachbarten evangelischen und katholischen Gemeinden an der Tagesordnung sind“. Wenn in dem Dokument den evangelischen Kirchen „zum x-ten Mal“ ihr Kirchesein abgesprochen werde, werde dies auch in vielen katholischen Gemeinden auf „pures Unverständnis“ stoßen. Denn dort würden evangelische Gemeinden als „echte Kirchen-Gemeinden“ wahrgenommen.

Für Verwirrung bei etlichen Katholiken sorgte die Stellungnahme von Kardinal Karl Lehmann, dem Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, die in seinen Aussagen einen Gegensatz zum eigentlichen Schreiben aus Rom orten.

Lehmann meinte zur Stellungnahme der Glaubenskongregation, dass „die katholische Kirche in den anderen christlichen Glaubensgemeinschaften eine wirkliche Anteilnahme am Kirchesein“ erblicke und dass sie ihren Anspruch „auf eine substantielle Identität“ nicht preisgeben hat, aber ihren Absolutheitsanspruch im Sinne einer puren Identifikation reduziert habe.

Wörtlich meinte Lehmann dann: „Wenn sie an dieser substantiellen Identität mit der Kirche Jesu Christi festhält, vertritt sie dennoch kein exklusives, absolutes Identitätsmodell.
Dadurch wird die bleibende Identifikation weiträumiger und erhält auch eine innere Offenheit und Unabgeschlossenheit. Die Gleichsetzung Kirche = katholische Kirche wird eingeschränkt. Dies ermöglicht eine echte Ergänzung und einen aufrichtigen Dialog. Es wird auch deutlich, dass es nach beiden Seiten hin ein – gewiss verschiedenes – Defizit in der „Vollständigkeit“ der eigenen kirchlichen Existenz und ein Sollen zu einer tieferen Einheit gibt. Die erneute katholische Stellungnahme der Glaubenskongregation mag besonders in ihrer Knappheit und Dichte hart erscheinen, aber sie lässt grundlegend Raum, die anderen Kirchen nicht nur moralisch, sondern theologisch als Kirchen zu achten. Der eigene Anspruch darf nicht zu irgendeiner Überheblichkeit führen, denn durch die Spaltungen ist auch die Fülle der katholischen Kirche eingeschränkt.“

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