Embryotod für die deutsche Forschung?

18. Mai 2007 in Deutschland


Eine Änderung des Stammzellgesetzes könnte unabsehbare Folgen haben – Ein Kommentar von Rainer Beckmann.


München (www.kath.net/idea)
Um was ging es eigentlich bei der Stammzellanhörung des Deutschen Bundestages am 9. Mai? Einen „Stichtag“, die „Ethik des Heilens“, Rechtssicherheit für Stammzellforscher? Diese Fragen bleiben an der Oberfläche. Im Kern ging es vielmehr darum, ob Menschen in der Frühphase ihrer Entwicklung als Forschungsmaterial dienen sollen.

Doch diese Grundfrage ist gar nicht ausführlich zur Sprache gekommen. Denn in den Beiträgen der eingeladenen Forscher kam der menschliche Embryo praktisch nicht vor. Sie befassten sich mit den embryonalen Stammzellen, die selbst nicht den Status von Embryonen haben und damit auch keinen eigenen Rechtsschutz (Menschenwürde, Lebensrecht) in Anspruch nehmen können.

Die Herkunft dieser Stammzellen ist der springende Punkt: embryonale Stammzellen werden durch die Zerstörung von Embryonen gewonnen – ein Vorgehen, das in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz (1991) verboten ist. In unserer Rechtsordnung sind embryonale Menschen kein Forschungsmaterial.

Herstellung verboten, Import erlaubt?

Angesichts dieser Grundentscheidung war und ist die Frage berechtigt, ob man den Import von embryonalen Stammzellen schrankenlos erlauben könne, wo doch die Herstellung dieser Zellen in Deutschland unzulässig wäre. Von der Forschung mit embryonalen Stammzellen geht die Gefahr aus, dass andernorts menschliche Embryonen „verbraucht“ werden, um in Deutschland als Forschungsmaterial Verwendung zu finden.

Eine solche Mitverursachung der Embryotötung kann nur durch ein grundsätzliches Import- und Verwendungsverbot sicher ausgeschlossen werden. Das ist die Ratio des Stammzellgesetzes. Nur soweit die Tötung von Embryonen für die Stammzellgewinnung durch den Gesetzgeber nicht mehr verhindert werden konnte, weil die Embryonenzerstörung schon stattgefunden hatte (Gewinnung der Stammzellen vor dem Stichtag 1. Januar 2002), hat der Gesetzgeber die Verwendung und den Import von embryonalen Stammzellen zugelassen.

Beschränkung der Forschungsfreiheit berechtigt

Diese Beschränkung der Forschungsfreiheit ist berechtigt. Wenn beispielsweise die Gefahr bestünde, dass aus illegitimen Menschenversuchen stammendes menschliches Gewebe nach Deutschland importiert wird, um daran Forschung zu betreiben, dann wäre ein grundsätzliches Importverbot als Einschränkung der Forschungsfreiheit hinzunehmen, um keinen Anreiz für derartige Praktiken im Ausland zu schaffen. Es ist ja schon die Einfuhr und Verwendung von besonders streng geschützten Tier- und Pflanzenarten verboten, um ihre Existenz zu sichern!

„Stichtag“ ist zentral

Der Stichtag ist von zentraler Bedeutung für das Stammzellgesetz. Wird der Stichtag aufgehoben – wie von der FDP gefordert -, dann ist klar, dass nicht mehr der Schutz menschlicher Embryonen im Mittelpunkt steht, sondern forschungspolitische Erwägungen. Der zusätzliche Gesichtspunkt einer „Ethik des Heilens“ ist schon deshalb nicht überzeugend, weil – auch das hat die Anhörung ergeben – gegenwärtig gar keine Therapien in Sicht sind.

Für die Grundlagenforschung reichen die älteren Stammzellen (vor 2002) aus. Sie werden in 21 Forschungsprojekten in Deutschland verwendet. Für therapeutische Zwecke eignen sich dagegen die ethisch unproblematischen adulten Stammzellen wesentlich besser. Hier sollte sich Deutschland an der Spitze der Forschung etablieren.

Sollte eine Änderung des Stammzellgesetzes erfolgen, die den Schutz der Menschenwürde als nachrangig definiert, könnte dies unabsehbare Folgen in vielen anderen Bereichen haben!

Der Autor, Rainer Beckmann (Würzburg), ist Richter am Amtsgericht Kitzingen und stellvertretender Vorsitzender der Juristen-Vereinigung Lebensrecht


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