Apocalypto

7. Dezember 2006 in Aktuelles


Mel Gibsons Film erzählt vom Untergang der Maya-Kultur, der wesentliche Parallelen zu unserer Zeit aufweist. Von Franziskus von Ritter-Groenesteyn.


München (www.kath.net)Father Jonathan, der schon die Passion Christi betreut hatte, äußerte sich kürzlich zu Mel Gibsons neuem Film „Apocalypto“ auf seiner Blogseite bei Foxnews folgendermaßen: „Mel Gibson did it again!“. Er hat es wieder getan. Doch was hat Mel Gibson wieder getan?

Der Film ist eine opulent in Szene gesetzte Momentaufnahme gegen Ende der geheimnisvollen Mayakultur. Ihre Hochblüte liegt bereits Jahrtausende zurück. Das Drehbuch folgt dem klassischen Dreiakter-Prinzip: Dorfleben, Weg in die Gefangenschaft, Flucht. Soweit nichts Außergewöhnliches.

Es sei denn, man will die mit großer Liebe zum Detail verfertigten Gewänder, die beeindruckenden Stadt-Kulissen einer langverschollenen Epoche oder die meisterhafte schauspielerische Darbietung all der unbekannten Laienschauspieler, allen voran Rudy Youngblood in der Rolle des flüchtigen Pranke-des-Tigers als außergewöhnlich begreifen. Doch das hatte Father Jonathan wohl nicht im Sinne. Er wollte tiefer blicken.

Das was Gibson getan hat, ist dem Film Profil zu verleihen, ihm eine Botschaft an den Zuschauer mit auf den Weg zu geben, die berührt; nicht stehenzubleiben bei 08/15-Unterhaltung, die man bei Verlassen des Kinos bereits wieder vergessen hat. Gibson: „Die Leute wollen große Geschichten, Geschichten, die ihnen etwas sagen und die sie emotional wie spirituell berühren.“

Wie hat Gibson das getan? Einige Beispiele: Er hat es getan im Bild der unbekümmerten aber ehrlichen Dorfgemeinschaft, er hat es getan im fürbittenden Gebet der in Fesseln liegenden Mutter für die elternlos zurückbleibenden Kinder, er hat es getan im prophetischen Spruch eines kranken Kindes über das Ende der Zeiten, und er hat es getan im Zuspruch an den Sohn im Angesicht des Todes: „Hab keine Angst!

Auch wenn die Geschichte in einer anderen Kultur, mit anderen Göttern und anderen Vorstellungen der Welt spielt, ist der christliche Unterton überall zu finden. Das ist es, was Gibson getan hat.

Dieses „Non avete paura!“, das zu Beginn des Pontifikats von Johannes Paul II. stand, wird uns zugesprochen durch Blitzender-Himmel, den weisen Vater von Pranke-des-Jaguar. Die Tapir-Jagd ist soeben beendet, die Beute mehr oder weniger gerecht verteilt, da kommen ihnen Menschen entgegen, deren Gesichter nur von einem gezeichnet sind: Angst.

Es ist die Ur-Angst, die in jedem von uns steckt, es ist die Angst vor dem unausgesprochenen Bösen, das später in grausamer Weise die Mayas verkörpern werden. Diese Angst erfasst auch Pranke-des-Jaguar. Doch Blitzender-Himmel macht ihm klar, dass Angst unfrei macht, einen einsperrt und die Seele vergiftet.

Im Laufe des Filmes gerät Pranke-des-Jaguar immer wieder in verschiedene Angst auslösende Situationen, doch dank der weisen Worte seiner Vaters, lernt er, sie zu besiegen. Blitzender-Himmel ruft ihm zu, was uns auch Gott in der Bibel immer wieder zuruft: „Hab keine Angst!“ – selbst dann, als sich sein Leben angesichts seiner triumphierenden Feinde und des ohnmächtig in seinen Würgefesseln gefangenen Sohnes auf dem blutgetränkten Urwaldboden unwiederbringlich verströmt.

Dieses „Hab keine Angst!“, das übrigens insgesamt 365 Mal in der Bibel steht – so als wolle es uns Gott für jeden Tag des Jahres neu zurufen –, durchzieht den Film wie ein roter Faden. Eigentlich sollte dieser Satz am Anfang des Filmes stehen. Doch wollte Gibson vermutlich bewusst diesmal jeden biblischen Bezug wegen der Kritiker vermeiden.

Er konzentriert er sich auf einen Ausspruch des zeitgenössischen Philosophen Will Durant: „Eine überragende Kultur kann nicht von außen her erobert werden, so lange sie sich nicht von innen her selbst zerstört hat.“

Was wir im Film in grandiosen, episch anmutenden Bildern zu sehen bekommen, ist das letzte manirierte Aufbegehren eine sterbende Kultur. Maya Experte Dr. Hansen: „ Dieser Film erweckt die Vergangeheit zu neuem Leben, wie kaum ein anderer zuvor.“

Die Kultur des Todes spiegelt sich überall wider, nicht nur in den unzähligen Menschenopfern, deren Bilder an den Holocaust denken lassen oder an die Zahl täglich abgetriebener und achtlos weggeworfener Corpsi. Sie spiegelt sich auch wider in der zerstörten Natur weitflächig gerodeter Wälder, von Pilzbefall vertrockneter Felder und und den von Krankheit und Dekadenz gezeichneten Gesichtern ihrer Bewohner.

Der im Iran geborene Autor Safinia machte bei seinen Drehbuch-Recherchen zu den Ursachen für den Untergang der Mayas zusammen mit Gibson eine interessante Entdeckung: „Wir entdeckten, dass das, was führende Archäologen für die wesentlichen Ursachen des Untergangs der Mayakultur halten, erstaunliche Parallellen zu unserer Zeit aufweist: Raubbau an der Natur, exzessives Konsumverhalten, politische Korruption.“

Und man möchte im Stillen eine weitere Parallelle hinzufügen, die heute niemand gerne hört: Menschenopfer! Der sehenswerte Film, der angesichts der kürzlichen medienwirksamen Fehltritte von Gibson eine Oscarwürdigkeits-Diskussion ausgelöst hat, kommt in Deutschland und Österreich am 14./15.Dezember in die Kinos.


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