Eine explosive Mischung

23. November 2006 in Deutschland


Der Schlachtruf zum Overkill der Killerspiele ist zu wenig. Es braucht eine Generalreform für eine Kultur des Lebens, lehrt das Beispiel Emsdetten. Ein Kommentar von Franziskus v.Ritter-Groenesteyn.


München (www.kath.net) Die Politik liebt Strohfeuer. Sie brennen schnell, sie brennen hoch und jeder kann sie im kurzen Zeitkorridor des öffentlichen Interesses weithin sehen. Der Schlachtruf zum Overkill der Killerspiele ist so ein Feuer. Es ist sicher notwendig, etwas dagegen zu unternehmen.

Der schädliche Einfluss auf die Jugend ist nicht zu leugnen. Doch Strohfeuer greifen zu kurz. Sie verbrennen nur ein paar Halme, wo eine Generalreform von Nöten wäre: Die Schaffung einer Kultur des Lebens.

Der explosive Charakter eines Amoklaufs wie bspw. in Emsdetten oder Erfurt gegen gesellschaftliche Strukturen und Verhaltensweisen hat weitaus mehr Komponenten als nur Killerspiele. Der Politik sowie den Vertretern des Erziehungs- und Bildungswesens wird dringend ans Herz gelegt in ihrer Ursachenerforschung tiefer zu gehen, nicht nur um ähnlich schlimme Vorfälle zu verhindern, sondern um grundlegend umzugestalten, was im Argen liegt.

Autorität heißt sinngemäß „Wachsen lassen“. Es heißt nicht unkontrolliert ins Kraut schießen lassen, wie es viele Eltern tun, die ihren Sprösslingen erst einen internetfähigen PC schenken und dann noch die Spielekonsole und Spiele obendrauf; und die Lieben zu Hause oder bei Freunden unkontrolliert und ungefiltert den unbegrenzten virtuellen Freuden zu überlassen, gehört zum liberalen Erziehungsstil natürlich dazu.

Autorität heißt aber, zum Wohle des Heranwachsenden Kontrolle auszuüben. Es heißt Vorbild sein, es heißt Zeit und Liebe schenken. Dies ist die primäre Aufgabe von Eltern, nicht ihre eigene Selbstverwirklichung. Der Staat kann und darf den Eltern nicht vorschreiben, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben, aber er muss den Erziehungsauftrag der Eltern sinnvoll unterstützen. Killerspiele zu verbieten kann nur ein Anfang sein.

Solange er etwa TV-Sendungen jugendfrei lässt, die letztlich einer Kultur des Todes dienen, die menschenverachtend sind, die gegen die menschliche Würde verstoßen und auf dem Prinzip der Schadenfreude basieren, erschwert er diesen elterlichen Auftrag erheblich.

Bei Jugendlichen sehr beliebte Sendungen, die nicht jugendfrei sein sollten sind bspw. (wenn man sie denn überhaupt braucht): Homewrecker (Prinzip, wie räche ich mich an einem Mitbewohner, indem ich sein Haus ruinieren lasse), Love is blind (ertaste dir deinen Traumpartner), MTV DisMissed (Nebenbuhlershow, prahlen, mobben und flirten um die Wette), Jackass (dumme, gefährliche Stunts), Pimp My Ride (Autoaufmotzshow), Viva La Bam (Egotripshow).

Ein Appell an die Programm-Macher: Braucht ein Sender diese Shows, wenn er mit anderen Shows wie Date My Mom, Parental Control oder MTV Made (Coachingshow) oder Popstars sehr viel konstruktiver auf den Entwicklungsprozess von Jugendlichen einwirken kann?

Autorität muss auch an Schulen wachsen können. Eine Politik, die sich in ihrem Erziehungssystem primär auf Wissen und Wissensvermittlung konzentriert, nicht aber auf den Charakter des Lehrkörpers, auf die Charakterbildung und Reifung der Schüler-Seele, wird weder Schüler-Mobbing noch Lehrermachtmissbrauch wirksam verhindern können.

Ein Weiteres kommt hinzu: Auch Schüler haben ein Recht auf Qualitätskontrolle bei Lehrkörpern. Noten sind wichtig, aber sie dürfen nicht nur in eine Richtung vergeben werden, sonst öffnet man der Willkür Tür und Tor.

Mehr Schulpsychologen sind dagegen der falsche Ansatz, denn in der Regel werden nur jene therapiert, die es gewagt haben, sich zur Wehr zu setzen und dafür jetzt an den Pranger gestellt werden. Die Verursacher bleiben meist unbehelligt und können sich bereits auf ihr nächstes Opfer stürzen.

Was Not tut, ist eine Kultur des Lebens, bei Eltern, Erziehern, Medien und nicht zuletzt in der Politik und Wirtschaft, damit es in Zukunft für todbringenden explosive Mischungen keine Zutaten mehr geben kann. „Der Mensch hat Leben und Tod vor sich, was er begehrt wird im zuteil“ Sir 15,17. Wählen wir endlich das Leben!


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