,Töten ist keine Hilfe’

11. August 2006 in Deutschland


"Menschenwürdig sterben – aber wie?" Rainer Beckmann, Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags, gibt eine Antwort.


München (www.kath.net, dt) Mit dem Rückgang der Geburtenziffern steigt die Nachfrage nach altergerechtem Wohnen, stellen Menschen sich Fragen nach der richtigen Alters- aber auch Gesundheitsvorsorge, werden Leistungen gestrichen. Die Beiträge steigen, einen Inflationsausgleich gibt es nicht. Dazu kommt ein großes Defizit in der Pflegeversicherung und in der Pflege von Alten, die keine Kinder haben.

Aber auch die Sterbehilfe wird zum Thema. Einerseits steigt die Lebenserwartung, anderseits können die Organfunktionen immer länger aufrechterhalten werden. Die Probleme, die dabei in Bezug auf das Lebensende aufkommen, erörterte Rainer Beckmann, Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Ethik und Recht der modernen Medizin“, in seinem Referat „Menschenwürdig sterben – aber wie?“ im Konferenzzentrum München.

Zusammengefasst hat sie der Bioethiker in den zwei Begriffen: Übertherapie und Untertherapie. Damit sind die beiden kontroversen Möglichkeiten, das Lebensende eines alten Menschen zu beeinflussen genannt: Die Untertherapie impliziere ein „Unterlassen gebotener Hilfe und die Vernachlässigung des Lebensschutzes“, erklärt Beckmann. Behandlungsmaßnahmen werden zurückgefahren. So wird zum Beispiel verzichtet auf künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, auf Wiederbelebung, Dialyse oder Beatmung.

Bei der Übertherapie werde der Sterbevorgang „unnötig hinausgezögert“, also das Leiden verlängert. Hier haben verschiedene Möglichkeiten der Sterbehilfe ihren Ursprung. Hier setzt auch die Einstellung gegenüber Alten an: Wer nichts mehr leisten kann, ist nichts mehr wert und kann daher auch beseitigt werden, formulierte es Beckmann provokant. „Sinnloses Leben“ wird also verkürzt, etwa durch aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung.

Bei der Palliativmedizin und Hospiz dagegen soll dem Leiden auf verschiedenen Ebenen Abhilfe geschaffen werden: Also nicht nur durch Maßnahmenbegrenzung etwa, sondern auch durch persönliche Betreuung und (Trauer-)Begleitung, Schmerztherapie und –kontrolle sowie durch Ernstnehmen der Person. So würden auch Patientenverfügungen vermieden, die bei der Untertherapie ansetzten.

Durch die Patientenverfügung wachse nämlich der Druck auf die Betroffenen, die sich dann stärker selbst negativ bewerten und indirekt die ökonomischen Interessen anerkannten, erläutert Beckmann. So wachse auch der Wunsch nach einer Leidbewältigung durch Hilfe bei der Selbsttötung.

Woran es bei jeder Art der Lebensverkürzung mangle, sei die Transzendenz: Wenn also der Mensch den Sinn von Leiden, Tod und Auferstehung nicht mehr kennt, weil es in unserer materialistisch, hedonistisch geprägten Gesellschaft keine Rolle mehr spielt oder spielen darf.

Die Folge: Mehr Suizide im Alter

Die Menschen haben Angst vor Krankheit, vor Schmerzen. Sie haben aber vor allem Angst, anderen zur Last zu fallen, Angst vor Verlust der Persönlichkeit, vor Leidensverlängerung und dem Verlust der gewohnten Umgebung. Da wundert es nicht weiter, wenn sie depressiv werden, sich einsam fühlen und irgendwann einfach nur noch sterben wollen.

Rechtlich gesehen sind nur „Patiententötung“ und „Tötung auf Verlangen“ strafbar. Der Verzicht auf Behandlungen oder die Schmerzbehandlung, deren Nebenwirkungen auch bewusst missbraucht werden können, so dass der Patient stirbt, ist straflos. Darunter fallen die Selbsttötung, der so genannte einseitige Behandlungsverzicht bei fehlender medizinischer Indikation, Schmerzbehandlung und die Selbsttötung.

Tötung auf Verlangen

Aber: „Töten ist keine Hilfe“, sagte der Medizinrechtsexperte. Vielmehr werde dadurch der eigene Wert geschmälert. Logische Konsequenz wäre dann eine unfreiwillige Euthanasie. Schließlich will niemand jemandem zur Last fallen. Menschenwürdig sterben aber heiße „an der Hand, nicht durch die Hand eines anderen sterben!“


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