'Durch die Schwachheit wurde das Böse zu Fall gebracht'

in Jugend


KATH.NET-Exklusiv-Interview mit Prof. Thomas Howard (USA) zu "Der Herr der Ringe" und Tolkien Gewinnspiel!


Linz (www.kath.net)
Dr. Thomas Howard war Professor für katholische Literatur an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten Staaten und unterrichtetderzeit am "Internationalen Theologischen Institut" in Gaming (Österreich).Er ist Autor mehrerer Werke, unter anderem des Buches ,Evangelical is not enough'. Darinbeschreibt er den Weg seiner Bekehrung zur katholischen Kirche. Vertiefte Studien widmete er derOxforder Autorengruppe ,Inklings', der auch J.R.R. Tolkien und C.S. Lewis angehörten.

KATH.NET: Können Sie uns eine kurze Inhaltsangabe des "Herrn der Ringe"geben?

HOWARD: Es ist natürlich ein sehr langes Werk. Man könnte es eine Saganennen, in der Tradition der germanischen und nordischen Mythologie. Es geht um einengefährlichen Ring, geschaffen von einer bösen Macht, die gegen den Höchsten, gegen Gottrebelliert hat, obwohl wir eigentlich nichts von diesem Höchsten, von Gott, erfahren. Dieser Ringwechselte mehrmals den Besitzer, bis er zuletzt einigen kleinen Kreaturen, genannt "Hobbits",die sehr gute und friedvolle Geschöpfe sind, in die Hände fällt. Es stellt sich heraus, dassder Hobbit Frodo ausgewählt wurde, den Ring zum Schicksalsberg zu tragen, wo die böse Machtlebt, um ihn dort im Feuer in dem er geschmiedet wurde, zu vernichten. Die ganzen drei Bändehandeln von dieser Reise Frodos und seiner drei Gefährten, dem guten Zauberer Gandalf,dem Menschen Aragon, der, wie sich herausstellt, der zurückkehrende König ist, einigenElfen, einem Zwerg und einigen anderen, die Begleitung des Ringes bildeten. Sie bestehen viele Abenteuer - sehr schöne, aber auch sehr furchtbare.Schließlich kommt es zur Auflösung der Gruppe. Von nun an gehen Frodo und sein kleiner Gefährte Samalleine weiter, geradewegs nach Modor - dem bösen Land, wo die dunkle Macht lebt. Dieanderen machen sich auf, die Stadt Minastirith, die von der dunklen Macht eingenommen zu werdendroht, in einer großen und furchtbaren Schlacht zu verteidigen. Dadurch scheinen zweiHandlungen parallel zu laufen. Schließlich führen die Handlungsströme aber wieder zusammen. Sollich das Ende erzählen?

KATH.NET: Ja, bitte!

HOWARD: Also, ich werde nur das Eine sagen: Nach einigen äußerstüberwältigenden Abenteuern siegt das Gute: Friede, Güte und Gerechtigkeit werdenwiederhergestellt, aber es gibt auch wirkliche Verluste für einige der Charaktere. Ich denke, Tolkienist möglicherweise eine der herausragendsten Gestalten der Literatur, da er beides, Schrecklichesund Schönes, erschaffen hat.

KATH.NET: Was war Tolkiens Absicht, als er das Buch schrieb?

HOWARD: Seine Absicht war es, eine gute Geschichte zu schreiben. Wenn man sie liest,dann kommen einem natürlich viele Parallelen zu unseren Welt - der realen Welt - inden Sinn, die Tolkien die "Erste Welt" nannte. Daneben schuf er eine zweite Welt: "Mittelerde".Seine Absicht war es, wirklich eine gute Abenteuergeschichte in der alten Tradition dergermanischen und nordischen Mythen zu schreiben. Er wollte nicht eine Geschichte schreiben, die zuerstdie christlichen Themen verdeckt und dann wieder enthüllt. Aber als Katholik waren seineVorstellungen mit dem erfüllt, was jeder Katholik als wahre Güte, wahre Schönheit aber auchals Natur des Bösen verstehen würde, und darum schaut die Geschichte auch so aus.

KATH.NET: Warum unterrichtet man Tolkien an einem theologischen Institut?

HOWARD: Tolkien würde wahrscheinlich sagen: "Das ist schrecklich, bitte unterrichtetdas nicht an einem theologischen Institut. Ich habe nur eine Geschichte geschrieben." Aber aufder anderen Seite kann es keiner lesen, ohne immer wieder und wieder und wieder zu erkennen,dass, obwohl es wie eine sehr andere Welt mit andersartigen Geschöpfen in ihr wirkt- Elfen,Zwergen, Trollen,... - trotzdem das Gute absolut erkennbar ist. Es ist in dieser Welt dasselbe wiein der unsrigen, außer dass es sichtbarer und lebendiger ist. Hier, in unserer Welt, ist esmöglich, dass ein Mensch moralisch schlecht ist, ohne dass ihm das je einer ansehen würde.Dort, in Tolkiens Welt, beginnt in einem Menschen das Böse durchzuscheinen, wenn er sich dem Bösenhingibt. Und obwohl Tolkien gesagt hat: "Denkt nicht, dass es Theologie ist", hat auch erselbst einmal gesagt: "Naja, natürlich sind meine ganzen Vorstellungen katholischeVorstellungen, alles, was ich schreibe, ist ganz davon bestimmt, dass ich Katholik bin."

KATH.NET: Könnten Sie einige markante Beispiele nennen, in denen Tolkiens katholischerHintergrund im Buch erscheint?

HOWARD: Zum einen ist da der Ring, der vollständig böse ist und genau dasgleiche tut wie das Böse in unserer Welt. Natürlich haben wir keine Zauberringe, aber was dasBöse hier tut, ist, das Gute zu verschlingen, auszusaugen und die Schönheit jeder Natur zuzerstören, die Gott geschaffen hat. Da ist zum Beispiel eine Hobbit-ähnliche Kreatur mit demNamen Gollum. Er hat den Ring viele Jahre lang besessen, und das Böse hat ihn verschlungen. Esblieb bloß noch eine kleine, boshafte, grausame, zornige, egoistische, verwelkte Kreatur. JederChrist, jeder Katholik wird sehen, dass dies genau das ist, was das Böse tut: Es schluckt dasSchöne, das Gott gemacht hat, als er unsere Seele erschaffen hat und trocknet es aus. Auchdas Faktum, dass die schwere Last des Kampfes gegen das Böse hauptsächlich von diesen kleinenHobbits getragen wird. Die anderen - sehr starke Charaktere - können helfen, aber die Hobbitsmüssen es machen. Und so scheint es, als ob durch die Schwachheit das Böse zu Fallgebracht wird. In unserer Welt wurde natürlich der Heiland schwach. Er führte keine Armeen an,er kam wie ein Diener, er ließ es zu, dass man ihn peinigte und ans Kreuz schlug und schienvon Cäsar und seinem Imperium besiegt. Und doch genau auf diesem Weg hat Gott die Mächtedes Bösen überwältigt.

Es noch viele Beispiele: In der Geschichte wird von einer sehrbeeindruckenden, wunderschönen Elfenkönigin berichtet. Sie ist zwar kein Sinnbild der Muttergottes, abertrotzdem besteht kein Zweifel, dass ein Christ, der sich mit der erhabenen Figur Mariensbeschäftigt, in der Erzählung entdecken wird, dass in dieser Elfenkönigin sehr viel von der gleichenHeiligkeit, der Reinheit und dem Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen zu finden sind.

KATH.NET: Viele Nicht-Christen lesen das Buch und werden sich den Filmanschauen. Glauben Sie, dass es auch bei diesen positive Auswirkungen haben kann?

HOWARD: Auf der einen Seite wäre Tolkien der erste, der sagen würde: "Icherwarte von meiner Geschichte nicht, dass irgend jemand sagt: ,Oh, ich sollte besser einKatholik werden' und sofort konvertiert". Auf der anderen Seite würde sogar Tolkien zugeben, dassjemand, der den Film gesehen oder das Buch gelesen hat, Bekanntschaft mit einer Welt schließt, inder sich Böses und Gutes eben so und so verhalten. Und die Menschen werden in dieser Geschichteetwas entdecken, was sie in der modernen Kultur nie erkennen werden, weder imFernsehen noch in der Rockmusik oder Magazinen - und generell in unserer modernenrelativistischen, atheistischen Kultur - einer Kultur des Todes eben.Wenn sie sich den Film ansehen, werden sie etwas über wahres Heldentum undMut erfahren, der das Böse als solches erkennt - dass das Böse wirklich böse ist und dasses nicht, wie die moderne Welt sagt, nur eine "Schatten-Seite" des Guten ist. Das sindGedanken des "New Age", die sehr populär sind. Nein, das Böse ist eine Kraft, die gegen das Gutegerichtet ist, unnatürlich und zerstörerisch. Die Menschen werden auch das Gute und das Heldentum inden Figuren sehen, die Reinheit in den Elfen die in der modernen Welt nicht anzutreffenwäre. Man könnte sage, dass durch die Erzählung das "Feld der Vorstellung" umgepflügt undvorbereitet wird, so dass jemand sagen könnte: "Oh, der Katholizismus ist eigentlich ja genauso."

KATH.NET: Was sind die Vorteile eines Märchens gegenüber einerwissenschaftlichen Annäherung an das Thema?

HOWARD: Der große Vorteil eines Märchens ist, dass es sich vom Alltag undGerede der modernen Welt - dem sogenannten Dialog - abhebt. Es führt uns in eine andereWelt mit ihren Gesetzmäßigkeiten und einer eigenen Atmosphäre. In diesem Fall ist es ebeneine Welt, die so ist, wie Katholiken auch unsere Welt sehen, die aber durch modernenSkeptizismus und Unglauben verdunkelt worden ist. Es ist der Überraschungseffekt. Das ist das Großartige. Deine philosophischeund intellektuelle Verteidigung ist nicht gefragt. Du fragst nicht: Gibt es Gott odernicht, existiert eine moralische Ordnung? Du vergisst diese Fragen und wirst einfach von derwunderschönen, erschreckenden, überwältigenden, kraftvollen Erzählung mitgenommen, welcheeinfach Vorstellungen in deinen Verstand und in dein inneres Sein einpflanzt. Durchdie Strategie "Es war einmal" entsteht ein anderer Kontext, als er in einer theologischen oderphilosophischen Diskussion entstehen würde. Es überrascht uns mit dem, was wahr ist.

KATH.NET: Würden Sie empfehlen, dass man die Bücher vor dem Film liest?

HOWARD: Ich würde empfehlen: Lies das Buch, lies das Buch, lies das Buch,sogar wenn Du niemals den Film sehen wirst oder auch, wenn Du den Film sehen wirst: Lieszuerst das Buch, weil die Erzählung aus Worten geschmiedet ist, und Tolkien ist ein Meisterder Worte. In der gleichen Weise, wie Michelangelo ein Meister der Farben oder des Marmors istoder wie J. S. Bach und Mozart die Meister der Musik sind. Man könnte diese Art der Kunstsehr schön beschreiben, aber man muss diese Dinge selbst sehen. Es besteht keinZweifel, dass, wenn man eine Form der Kunst in eine andere wandelt, dabei sehr viel verloren geht.Beispielsweise könnte man von der Kathedrale von Chartres ein perfektes Modell auf Papierherstellen, aber dies würde nie Chartres sein. Man muss nach Chartres gehen und sie sehen,man muss dort sein. Und ich denke, dass dies hier ähnlich ist: Ein Film kann niemals demnahe kommen, was Tolkien geschaffen hat. Es kann ein wunderbarer Film sein, aber es wirdnicht das Original sein. Ich denke, der Film kann bestenfalls ein Echo des Originals sein. Weitersmuss man sagen, dass, wenn man das Buch liest, die Hauptfiguren eine Bedeutung, eineVollkommenheit und eine Schönheit haben, die nur in deiner Vorstellung existieren kann. Auf demBildschirm werden die Figuren plötzlich "John Jones" oder wer auch immer die Rolle darstellt.

KATH.NET: Gibt es in der modernen Literatur vergleichbare Werke?

HOWARD: Nein. Es gab viele Versuche, etwas ähnliches zu schaffen. Vielehaben versucht, große Trilogien oder Sagen zu schreiben, aber es ist wie bei Mozart: Du kannstkeine "Mozart-Musik" schreiben - niemand ausser ihm kann dies tun. Das, was Tolkien am nächstenkommen könnte, sind die Märchen von C. S. Lewis. Er war Zeitgenosse Tolkiens und die beidenwaren Freunde. Sie schätzten gegenseitig ihre Werke, aber Lewis schuf etwas Kleineres. Erschrieb sieben kleine Bücher, die Chroniken von Narnia. Tolkien würde sagen, und Lewis würde demzustimmen, dass die Bücher von Lewis allegorischer sind, darum ist es auch viel einfacher,Vergleiche anzustellen. Der Löwe in der Geschichte von Lewis repräsentiert Christus exakt. Aber dieAllegorie hat keine so tiefe und kräftige Methode wie die von Tolkien, welche bestenfalls eineForm von Analogie ist. Das bedeutet, dass wir hier in dieser Welt erkennen können, was in deranderen Welt vorgeht, aber es gibt da keine Eins-zu-Eins-Übereinstimmung. Es gibt niemanden in derGeschichte, der Jesus Christus entsprechen würde. Aber, um die Frage zu beantworten. Ichdenke, dass niemand anderer getan hat, was Tolkien gemacht hat, genauso wenig wie eseinen zweiten Mozart oder einen zweiten Bach gibt.

KATH.NET - 3. 12. -Tolkien oder: Der Hype um den Ring

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Das KATH.NET-Original-Interview mit Prof. Howard in englischer Sprache

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