Ob Frère Roger katholisch geworden ist…

15. Juni 2005 in Aktuelles


… bleibt eine offene Frage. Er wolle den Glauben seiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens versöhnen, ohne mit jemandem zu brechen, stellte er einmal fest.


Taizé (www.kath.net)
Ist Frère Roger Schutz, der Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, in die katholische Kirche konvertiert oder nicht? Diese Frage beschäftigt viele Gläubige spätestens seit der Begräbnisfeier für Papst Johannes Paul II., wo der 90-jährige Taizé-Gründer aus der Hand von Kardinal Joseph Ratzinger die Kommunion empfing. Seit Jahren wird in kirchlichen Kreisen immer wieder spekuliert, Frère Roger sei heimlich katholisch geworden, man wolle dies jedoch in Taizé aus Rücksichtnahme auf die evangelischen Mitchristen nicht öffentlich machen.

Aufgrund der zahlreichen Anfragen bat KATH.NET die Gemeinschaft von Taizé um eine Stellungnahme. „Es gibt nichts Neues im Zusammenhang mit Frère Roger“, lautete die Antwort von Frère Emile auf die Frage, ob Frère Roger katholisch geworden sei. Er verwies auf folgende Passage aus dessen Buch „Gott kann nur lieben“, um die Erfahrungen des Gründers „besser zu verstehen“.

„Kann ich hier daran erinnern, dass meine Großmutter mütterlicherseits mit ihrer Einfühlensgabe eine Art Schlüssel zur ökumenischen Berufungentdeckt hat und mir einen Weg bahnte, damit ernst zu machen? Ihr Lebenszeugnis prägte mich bereits in jungen Jahren, und nach ihr fand ich meineIdentität als Christ darin, in mir den Glauben meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem zu brechen.“

Auch auf eine erneute Anfrage gab es keine konkrete Antwort. „Die Antwort, die wir Ihnen durch das Zitieren aus einem Buch von Frère Roger übermittelt haben, ist diejenige, die wahrheitsgemäß der ökumenischen Berufung der Taizé-Gemeinschaft und Frère Roger entspricht“, ließ der Taizé-Sprecher mitteilen. Er verwies auf die Worte von Papst Johannes Paul II. beim Besuch der Gemeinschaft vom 5. Oktober 1986:

„Ich vergesse es nicht: in ihrer einzigartigen, eigentümlichen und in gewissem Sinn sogar vorläufigen Berufung kann eure Communauté Erstaunen hervorrufen und auf Unverständnis und Argwohn stoßen. Doch wegen eurer Leidenschaft für die Versöhnung aller Christen in einer vollen Gemeinschaft, wegen eurer Liebe zur Kirche werdet ihr – da bin ich ganz sicher – Wege finden, auch weiterhin für den Willen des Herrn verfügbar zu sein.“
„Ihr wollt selbst ein Gleichnis der Gemeinschaft sein und helft damit allen, denen ihr begegnet, ihrer kirchlichen Zugehörigkeit, die Frucht ihrer Erziehung und ihrer Gewissensentscheidung ist, treu zu sein, jedoch auch, sich immer tiefer auf das Geheimnis der Gemeinschafteinzulassen, das die Kirche im Plan Gottes ist.“

Johannes Paul II.: Taizé ist ein „kleiner Frühling“

Ob Frère Roger katholisch geworden ist oder nicht, bleibt offen. Fest steht, dass Papst Johannes Paul II. ihm und der von ihm gegründeten ökumenischen Gemeinschaft mehrfach seine Wertschätzung ausgedrückt aus. Der Papst besuchte im Oktober 1986 Taizé und bezeichnete es als „kleinen Frühling“. „Man kommt nach Taizé wie an den Rand einer Quelle. Der Reisende hält ein, löscht seinen Durst und setzt den Weg fort“, sagte er. Der Gemeinschaft gehören heute rund 100 Brüder aus 25 Nationen an, über ein Drittel von ihnen ist katholisch.

Johannes Paul II. empfing den Taizé-Gründer, der am 12. Mai seinen 90. Geburtstag feierte, jedes Jahr zur Privataudienz. Die Freundschaft zwischen den beiden begann bereits im Jahr 1962 beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Karol Wojtyla, damals Erzbischof von Krakau, und Frère Roger beteten vor den Sitzungen morgens in einer Kapelle des Petersdoms und lernten sich dabei kennen. Die Brüder luden Wojtyla zum Essen in ihrer Wohnung in Rom ein.

Als Krakauer Erzbischof kam er 1964 und 1968 nach Taizé. Später war Frère Roger, ein gebürtiger Schweizer, mehrmals eingeladen, bei der jährlichen Wallfahrt der oberschlesischen Bergarbeiter zu sprechen. Kardinal Wojtyla, der die Wallfahrt leitete, lud die Brüder ein, in seinem Krakauer Bischofssitz zu übernachten. Nachdem er 1978 Papst geworden war, empfing er Frère Roger jährlich bis zum letzten Jahr in Privataudienz und im Jahr des Attentats 1981 zusätzlich auch im Krankenhaus.

In seinen Erinnerungen an den verstorbenen Papst Johannes Paul II. hält Frère Roger fest: „Der Papst empfing mich jedes Jahr in Privataudienz, und ich musste dann bisweilen an die leidvollen Prüfungen in seinem Leben denken: In seiner Kindheit hatte er die Mutter verloren, in seiner Jugend den Vater und den einzigen Bruder. Ich sagte mir: Suche nach einem Wort, das sein Herz erfreuen, ja trösten kann, erzähle ihm von den Hoffnungen, die wir bei vielen Jugendlichen vorfinden, versichere ihn des Vertrauens, das unsere Communauté ihm entgegenbringt.“

Foto: (c) Communauté de Taizé


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